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Alljährlich werden Bürgerinnen und Bürger für ihre besonderen Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland mit der Verleihung des Bundesrepublik Deutschland mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in seinen verschiedenen Stufen geehrt, so auch im Sommer im schleswig-holsteinischen Ahrensburg Günter Mühle. Er, ein Vertriebener aus Ostdeutschland, der nach dem Krieg in Görlitz eine neue Heimat glaubte gefunden zu haben, war wenige Jahre später in der sowjetisch en Besatzungszone zu mehrjähriger Haft verurteilt worden, weil er für die Liberaldemokratische Partei, den Vorläufer der FDP, illegal Flugblätter verbreitet hatte.
Nachdem er einige Jahre im Zuchthaus Bautzen abgesessen hatte, setzte er sich nach seiner Entlassung in den Westen ab. Dort gehörte er zu den Gründern der "Vereinigung der Opfer des Stalinismus" und organisierte deren Hamburger Landesverband. Bis 1960 hatte er dessen Vorsitz inne. Er widmete sich besonders der Hilfe für die noch in der DDR einsitzenden politischen Gefangenen sowie für die entlassenen Kameraden.
Als 1989/90 die Wende kam, war Günter Mühle einer der Initiatoren in Norddeutschland, welche die in der Entstehung begriffenen neuen demokratischen Parteien in seiner Heimatstadt Görlitz unterstützten - zum Beispiel mit Büroeinrichtungen, Büromaschinen und so weiter. Besonders engagierte er sich für die Geschichte und das Schicksal der Häftlinge im Zuchthaus Bautzen.
So war er zunächst Vorsitzender des "Bautzen-Komitees", seit 2003 Vorstandsmitglied. Er gehört dem Beirat der "Sächsischen Gedenkstätten" an und ist weiterhin intensiv darum bemüht, den ehemaligen politisch Verfolgten in der DDR auch materielle Wiedergutmachung in angemessenem Umfang zu verschaffen.
Das alles waren Verdienste genug, die den Bundespräsidenten - damals noch Johannes Rau - veranlaßten, ihm durch die Hand der schleswig-holsteinischen Landesregierung das Bundesverdienstkreuz am Bande zu verleihen.
Im Juli dieses Jahres sollte ihm in seinem Wohnort Ahrensburg der Orden von der Stellvertretenden Ministerpräsidentin, der Grünen-Politikerin Anne Lütkes, übergeben werden.
Es hatten sich an die dreißig Personen versammelt, meist ehemalige Kameraden aus den Verbänden der kommunistisch Verfolgten. Der Bundesvorsitzende der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Bernd Stichler, würdigte in einer kurzen Ansprache die Verdienste Günter Mühles und sagte dabei, ein Mann wie er, der über eine reiche politische Lebenserfahrung verfüge, habe "eine hohe Sensibilität gegenüber politischen Bedrohungen entwickelt." Er gehöre zu jenen überzeugten Demokraten, "die stets beide Augen offen halten und nicht nur einseitig nach rechts schauen, denn auch von links droht Gefahr, die aber bedauerlicherweise kaum ernst genommen wird ... Sie heißt PDS."
Stichler fuhr fort: "Der rote Knüppel schlägt genau so hart wie der braune. Aus dieser Erkenntnis heraus hat es sich Günter Mühle zur Lebensaufgabe gemacht, alle Kraft dafür einzusetzen, daß niemals in Deutschland wieder ein Knüppel schlagen kann, weder der rote noch der braune.
Und Günter Mühle antwortete in seiner Dankesrede im gleichen Sinne und fordert gleichzeitig eine angemessene Entschädigung für die Opfer des Kommunismus, die heute, verglichen mit anderen politisch Verfolgten der Vergangenheit, deutlich benachteiligt würden. Er drückte seine Sorge darüber aus, "daß die PDS von demokratischen Parteien und den Medien hoffähig gemacht wird ... Verzeihen ist gut, aber vergessen ist schlecht, denn eine Maus, die vergißt, wie eine Katze aussieht, lebt gefährlich. Damit will ich unsere Sorge, ja, Angst verständlich machen, die wir vor der Blauäugigkeit haben, mit der man hier dem Kommunismus gegenüber steht." Und er schloß seine kurze Ansprache: "Die PDS sagt zwar "Links braucht kein Vaterland", aber ich meine, wir brauchen es. Deshalb: Gott schütze unser Vaterland!"
Diese Reden behagten der grünen stellvertretenden schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin, Anne Lütkes, überhaupt nicht. Sie fuhr dazwischen und griff den Bundesvorsitzenden der Vereinigung der Opfer des Stalinismus frontal an. Die PDS sei eine "zugelassene demokratische Partei", die man nicht mit der kommunistischen Diktatur gleichsetzen dürfe, rief sie, wobei man überrascht fragt, ob im heutigen demokratischen Deutschland Parteien "zugelassen" werden müssen. Die in Kiel für Justiz, Frauen, Jugend und Familie zuständige Ministerin hatte offenbar eine in der DDR üblich gewesene Regelung so verinnerlicht, daß sie sie auf die Bundesrepublik übertrug. Und ihr scheint auch entgangen zu sein, daß die PDS die Rechtsnachfolgerin der alten SED ist, die alleinige Trägerin des kommunistischen Regimes war.
Bernd Stichler wehrte sich energisch und bezichtigte sie der "politischen Instinktlosigkeit". Der heftige Wortwechsel ging hin und her, bis man aus Höflichkeit dem feierlichen Anlaß gegenüber den Streit abbrach.
Der Zwischenfall, den die offenbar den Linksradikalen nicht allzu fern stehende Grünen-Ministerin provozierte, und das stillos gerade bei der Ehrung einer Persönlichkeit, die unter dem Kommunismus schwer gelitten hatte, kennzeichnet die immer deutlicher werdende Gefahr. Waren sich noch vor wenigen Jahren alle demokratischen Kräfte einig in der Ablehnung eines jeden Totalitarismus, gleichgültig, ob er von links oder von rechts kommt, ist man jetzt bereit, linke Kräfte, die verantwortlich waren für eine kommunistische Diktatur auf deutschem Boden, reinzuwaschen. U. Meixner
Bautzen: Die Partei, die hier einst Bürger aus politischen Gründen jahrelang unter inhumanen Haftbedingungen einsperren ließ, wird von den demokratischen Parteien heute wieder salonfähig gemacht.
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