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Eigentlich endete diese Rezension mit dem Absatz: "Der ganze Band ist überaus lesenswert und läßt die Hoffnung keimen, daß der politische Nachwuchs der CDU nicht nur aus weichgespülten Juristen, Volkswirten und Consulter-Nasen besteht, sondern durchaus auch aus ernsthaften jungen Menschen, die mit der Sprache umgehen können. Das politische Geschäft ist nichts für Weicheier. Also auf in den Kampf um die Diskurshoheit." Doch zu früh gefreut! Als die Redaktion der zur Bebilderung des Textes um die Übersendung des Covers bat, offenbarte sich, daß diese Publikation nur für Mitglieder der Jungen Union bestimmt ist. Kritik an der Mutterpartei also, aber nur für den eigenen Kreis bestimmt. Sehr bedauerlich, denn die Aussagen der Autoren von "Wort-Wahl" sind gut. Zu Recht wird festgestellt, daß die Linken einfach cleverer seien. Diese Aussage bezieht sich jedoch nicht auf ihre Politik. Grüne und Sozis sind aber die besseren Verpackungskünstler. Nach Ansicht junger Leute aus dem Umfeld der CDU muß sich dies ändern. "Die deutsche Linke und insbesondere deren Marketing-Strategen schaffen es oft, scheinbar neutral e Begriffe in die Diskussion zu bringen und damit schleichend die Diskurshoheit zu erringen. Eine vergleichbare Dominanz hat für das bürgerliche Lager bislang nur der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler erreicht - wenn auch nur für kurze Zeit und vor allem durch provokante Äußerungen", schreibt Philipp Mißfelder, Bundesvorsitzender der Jungen Union, in dem von ihm herausgegebenen Büchlein "Wort-Wahl".
Diese Dominanz hat sicher nicht nur etwas mit Personen zu tun, sondern vor allem mit Programmatik. Selbstverständlich ist Ronald Pofalla als Geißler-Nachfolger eine schwache Figur, die vom politischen Gegner nicht ernst genommen wird. Doch stärker liegt die argumentative Schwäche der Union darin, daß sie den Kampf um die politischen Begriffe nicht beherrscht. Ein Beispiel: Die SPD redet von der "Bürgerversicherung". Alle finden den Begriff toll, obwohl eine solche Einrichtung unser Gesundheitssystem nicht bereichern würde. Die CDU nannte ihr Konzept "Kopfpauschale". Dabei denkt man direkt an einen Kopfgeldjäger. Daß die CDU-Politiker dann auf das Wort "Gesundheitsprämie" auswichen, machte das Ganze nur noch schlimmer.
Mißfelder weist darauf hin, daß die Bürgerlichen in den USA, Frankreich und in Großbritannien nicht so naiv sind wie in Deutschland. In den genannten Ländern habe die Entwicklung von politischen Begriffen einen hohen Stellenwert, so Mißfelder. Sie würden ähnlich wie bei der Produkteinführung in der Industrie von professionellen Werbestrategien begleitet. Dieser Zweig der Kommunikation sei in Deutschland extrem unterentwickelt. In dem Sammelband versuchen sich 14 junge und unionsnahe Autoren daran, Begriffe wie konservativ, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Patriotismus, das "hohe C" im Parteinamen, Neoliberalismus und Antifaschismus zu definieren.
Jörg Hackeschmidt hält der Linken zugute, daß sie den Diskurs für wichtig nimmt. Daher behaupte sie häufig auch die Diskurshoheit. Warum können die Sozen das so gut? Weil sie gelernt haben, sehr grundsätzlich zu argumentieren, aggressiv zu polemisieren. Das Thema Rechtschreibreform sei ein schönes Lehrstück, so der Autor. "Schon mal versucht, bürgerliche Dichter wie Thomas Mann in der GEW-Rechtschreibung zu lesen?", fragt Hackeschmidt. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die "Welt" und einige Dichter, Denker und Wissenschaftler mobilisierten den Widerstand. Von der Union kam nichts. Schlimmer, sie reichte der Gegenseite sogar noch die Hand zur gemeinschaftlichen Verhunzung der deutschen Sprache.
Sehr lesenswert ist auch der Aufsatz von Tim Peters unter dem Titel "Was ist Antifaschismus?". Peters macht deutlich, daß dieser Begriff vornehmlich im linksextremistischen Spektrum Anklang und Verwendung findet. "Viele Antifaschisten neigen dazu, bereits bestimmte Positionen der bürgerlichen Mitte als rechtsradikal zu diffamieren, wie etwa Forderungen nach einer konsequenten Politik der Inneren Sicherheit, nach einem kompromißlosen Vorgehen gegen militante Islamisten oder nach einem marktwirtschaftlichen Umbau der Sozialsysteme." Gern riefen die selbsternannten "Antifaschisten" zum "Kampf gegen rechts" auf. Würde sich zum Beispiel die SPD an einer Demonstration "gegen links" beteiligen, könne man ketzerisch fragen. Peters empfiehlt dagegen das Engagement "für Demokratie und gegen Extremismus". Der historisch belastete Begriff des "Antifaschismus" habe ausgedient, da nicht zuletzt Kommunisten millionenfache Verbrechen im Namen des "Antifaschismus" verübt hätten.
Philipp Mißfelder (Hrsg.): "Wort-Wahl - Politische Begriffe in der Diskussion", Weiss-Verlag 2006, 152 Se |
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