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Hauptstadt schockiert über Selbstmord

 
     
 
Der Schock in der Berliner SPD über den Freitod ihres Landesgeschäftsführers Andreas Matthae wirkt tief und echt. Matthae hatte sich am vorletzten Wochenende, in der Nacht vom 7. zum 8. August, im Arbeitszimmer seiner Wohnung erhängt. Als Grund werden hohe Schulden und Liebeskummer genannt. Sein Selbstmord läßt die Nachtseiten einer Politikerexistenz erahnen.

Matthae, Jahrgang 1968, hatte Biologie und Sozialkunde studiert und ab 1992 als Erzieher gearbeitet. Doch seine Berufung sah er woanders. Bereits während des Studiums
hatte der junge Matthae sich der Politik verschrieben und war 1988 in die SPD eingetreten. Ihm gelang eine Blitzkarriere: 1997 wurde er Kreisvorsitzender von Kreuzberg. Aus Ärger über die Verlängerung der Großen Koalition trat er 1999 von dem Posten zurück, um kurz darauf als stellvertretender Vorsitzender in die erste Reihe der Landespartei vorzurücken.

2001 machte er sich als Kneipier mit der Kreuzberger Tapas-Bar "Sol y sombra" (Sonne und Schatten) selbständig. Sie diente als Kontaktbörse und Treffpunkt für politische Kungelrunden. Matthae war eine Spinne im Netzwerk der Nachwuchspolitiker und trotzdem untypisch für die biedere Partei. Er war charmant, intelligent, gutaussehend und fühlte sich im szenemäßigen Outfit genauso wohl wie im Anzug. Seine Homosexualität war kein Problem.

2002 wollte er in den Bundestag. Er kandidierte im als sicher geltenden Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain. Doch nach einem furiosen Wahlkampf siegte der Grüne Hans-Christian Ströbele. Matthae sollen schon damals Selbstmordgedanken heimgesucht haben. Nach einer Auszeit pachtete er im Regierungsviertel die beiden Gaststätten "Weinbotschaft" und "Piccolo", die in der Reinhardtstraße, im Regierungsviertel, direkt nebeneinander liegen. Hier verkehren Bundespolitiker und viele Journalisten. Wahrscheinlich war das für ihn eine Möglichkeit, auf andere Weise mit der großen Politik in Kontakt zu treten. Im Juni 2004 wurde er zum SPD-Landesgeschäftsführer berufen.

Als er Ende Juli die beiden Lokale an seinen Nachfolger übergab - wegen Arbeitsüberlastung, wie er sagte -, wurde das in der Presse als routinemäßiger Vorgang abgehandelt. Jetzt ist von Mietschulden, offenen Rechnungen und nicht gezahlten Sozialbeiträgen die Rede. Matthae hatte sich geschäftlich übernommen. Die Partei bat ihn deswegen mehrfach zu einem Gespräch. Doch Matthae, der sich Schwierigkeiten nie hatte anmerken lassen, tauchte ab.

Die letzten acht Tage seines Lebens war er weder telefonisch, brieflich, per E-mail noch sonstwie zu erreichen. Am Dienstag vor seinem Tod hatte Matthae sich krank gemeldet. Eine Nachbarin sagte, er habe erleichtert und fröhlich gewirkt. Es war eine kleistische, todesnahe Heiterkeit, denn zu diesem Zeitpunkt war der Entschluß, dem Leben ein Ende zu setzen, wohl schon getroffen. Sein Schreibtisch in der SPD-Landeszentrale war aufgeräumt. Am Sonnabend hatte die SPD-Führung eine Klausurtagung über ihren Geschäftsführer anberaumt. Matthae ignorierte den Termin. Die Partei stellte ihm den Beschluß über seine Suspendierung schriftlich zu. Der Brief lag ungeöffnet im Briefkasten.

Er war lange genug im politischen Geschäft, um die Regeln zu kennen. Er war dabei, für die Partei zu einer Belastung zu werden. Sein politisches, berufliches und soziales Bezugsfeld rutschte ihm unter den Füßen weg. Sechs Wochen zuvor war auch noch sein Freund aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Am Ende eines heißen Sommertages schied Andreas Matthae aus dem Leben. Er wurde am nächsten Tag vom Geschäftsführer der SPD-Fraktion gefunden.

 
     
     
 
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