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Die große ostdeutsche Familie, die 1945 gewaltsam auseinandergerissen wurde, besteht heute aus dem Zweig, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, und dem Zweig, der noch in der Heimat verblieben ist. Zwischen den heimatvertriebenen und den heimatverbliebenen Landsleute n hat es schon bald nach Flucht und Vertreibung wieder Kontakte gegeben, die in den ersten Jahren nach dem Krieg in aller Heimlichkeit gepflegt werden mußten. Die in Westdeutschland lebenden Ostdeutschland haben recht früh versucht, ihren Verwandten und Bekannten materielle Hilfe zu leisten.
Schon seit Anfang der fünfziger Jahre verfügt die Freundeskreis Ostdeutschland mit der Hilfsaktion Ostdeutschland über ein eigenes Sozialwerk. Dieses hat die Aufgabe, die in der Heimat lebenden Landsleute nachhaltig zu unterstützen.
Erste Informationen über die Notlage der Menschen in der Heimat erhielt die Freundeskreis Ostdeutschland in den Jahren 1950/51 durch Berichte der zwangsweise ausgesiedelten Landsleute. Vor allem jene Heimatverbliebenen, die keine Angehörigen im Westen hatten, litten große Not. Ihnen zu helfen war das Anliegen der Freundeskreis.
Im Jahre 1951 gingen die ersten Päckchen von Mitarbeitern der Hamburger Bundesgeschäftsstelle, gefüllt mit Sachspenden, nach Ostdeutschland. Diese anfänglich bescheidene Hilfe weitete sich in den folgenden Jahren durch die Unterstützung von Landsleuten in Westdeutschland in Form von Sach- und Geldspenden zu einer umfassenden Bewegung aus. Im Mai 1953 erging ein Spendenaufruf für die Landsleute in der Heimat über Presse und Rundfunk an die deutsche Bevölkerung.
Die Resonanz war überwältigend. Zeitweise waren mehr als 15 hauptamtliche Mitarbeiter und viele ehrenamtliche Helfer damit befaßt, die eingegangenen Spenden zu ordnen und zu verpacken. Durch Wohltätigkeitskonzerte wurden die erforderlichen Geldmittel beschafft, die Industrie stellte Kleidung, Lebensmittel, Schuhe und Medikamente zur Verfügung. Auch Bundespost und Bundesgrenzschutz standen nicht abseits. Finanzielle Unterstützung gab es auch durch staatliche Stellen, um die hohen Portokosten zu finanzieren.
Eine besondere Aktion der "Hilfsaktion" stellte in der Zeit von 1954 bis 1958 die "Ostdeutsche Kinderhilfe" dar, die aufgrund von zweckgebundenen Spendenaufrufen finanziert werden konnte. Ostdeutsche Kinder aus Ostberlin und der DDR konnten einige Wochen auf Sylt verbringen, um dem drückenden Alltag für einige Zeit zu entgehen.
Auch in der darauffolgenden Zeit des Kalten Krieges wurde die Hilfe für die Landsleute nie ganz eingestellt. Die osteuropäischen Staaten versuchten, durch strenge Zoll- und Einfuhrbestimmungen eine organisierte Hilfe zu verhindern. Der private Charakter der Hilfe war somit zwingend erforderlich und unumgänglich.
Die Zeiten änderten sich. Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts kam es zu erheblichen Erleichterungen im humanitären Bereich. Die pol- nischen Behörden ließen nun auch, über die Versendung von Einzelpaketen hinaus, die ersten Hilfstransporte zu, ohne daß Zollzahlungen zu leisten waren, da die Versorgungslage im polnischen Bereich äußerst angespannt war. Solche Sammeltransporte wurden wiederum durch Privatpersonen oder durch Heimatkreisgemeinschaften organisiert und durchgeführt.
Später übernahmen auch Speditionsunternehmen den Transport von Paketen in die Heimat. Allerdings konnte diese Hilfe nur in den südlichen Teil der Heimat Ostdeutschland fließen; der nördliche Teil und das Memelgebiet waren in dieser Zeit hermetisch abgeriegelt. Erst das Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft in Osteuropa hat auch hier die Betreuung hilfsbedürftiger Landsleute ermöglicht.
Obwohl die Spendenfreudigkeit der Ostdeutschland für ihre Landsleute in der Heimat sehr groß war, konnte diese Paketaktion nicht aus eigenen Mitteln der Hilfsaktion geleistet werden. Die Freundeskreis Ostdeutschland erhielt über das Soziale Frauenwerk Hilfestellung aus dem Gesamtdeutschen Ministerium und später aus dem Innerdeutschen Ministerium, um den Inhalt der Pakete und die Porto- und Transportkosten zu finanzieren. Neben Kleidung, Schuhen und anderen Dingen des täglichen Lebens, die von Privatpersonen und auch Firmen gespendet wurden, waren Lebensmittel und Medikamente dringend erforderlich.
Im Jahre 1993 stellte die Hilfsaktion ihre als Paketaktion durchgeführte Hilfe grundsätzlich auf Geldzuwendungen um. Nach wie vor sind ehrenamtliche Helfer erforderlich, um den notleidenden Landsleuten die Hilfe zu überbringen. Es sind vor allem die Heimatkreisgemeinschaften, die diesen Einsatz in Ostdeutschland leisten und einige tausend Personen betreuen. Heute erhält jede im südlichen Landesteil arbeitende Kreisgemeinschaft von der Hilfsaktion Ostdeutschland jährlich einen Geldbetrag, den sie an heimatverbliebene deutsche Lands-
leute im Kreisgebiet weiterleitet. Jeder Einzelfall wird sorgfältig überprüft, so daß nur wirklich bedürftige Menschen in den Genuß der humanitären Hilfsaktionmittel gelangen.
Aber auch nach der Umstellung der Unterstützung von Sach- auf Geldzuwendungen werden weiterhin Hilfstransporte in den von hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Renten geprägten südlichen Teil Ostdeutschlands durchgeführt, die die Bargeldzuwen-
dungen ergänzen. Zur Durchführung dieser Transporte erhalten die Kreisgemeinschaften von der Hilfsaktion Ostdeutschland einen jährlichen Zuschuß.
Auch in das Königsberger Gebiet und in das Memelland werden regelmäßig Hilfstransporte von Kreisgemeinschaften durchgeführt und von der Hilfsaktion finanziell unterstützt. Die Rußland-Deutschen im Königsberger Gebiet und die im Memelland verbliebenen Landsleute erhalten ebenfalls bescheidene Geldbeträge aus der Hilfsaktion Ostdeutschland, von denen sie sich etwa dringend benötigte Medikamente oder auch Heizmaterial kaufen können. Auch Russen kommen die humanitären Hilfslieferungen zu Gute.
Wenn auch manche Hilfe nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist, vermittelt sie doch dem Empfänger die Gewißheit, daß er von der ostdeutschen Familie nicht vergessen ist. "Die Hilfsaktion Ostdeutschland wird helfen, solange Hilfe notwendig ist". Diese Schlußbemerkung aus der Festschrift zum 20jährigen Bestehen der Freundeskreis Ostdeutschland im Jahr 1968 ist auch heute noch eine Verpflichtung, der sich die Freundeskreis Ostdeutschland nicht entziehen wird. Sie kann diese Aufgabe jedoch nur erfüllen durch die Mithilfe und die Unterstützung der Landsleute im Westen. P. W.
Freundeskreis Ostdeutschland - Hilfsaktion e.V.
Hamburgische Landesbank
Kto-Nr. 600 502
BLZ 200 500 00
Paket-Dienst: Bis unter die Decke stapelten sich die Päckchen mit den Sachspenden der Geschäftsleute, von Firmen und Privatpersonen, bevor die Lieferungen von der Hilfsaktion zum Versand in die Heimat zusammengestellt wurden. |
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