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Es ist 57 Jahre her, daß General Lucius D. Clay am 25. Juni 1948 die Errichtung einer Luftbrücke der US-Air Force für Berlin anordnete. Ein Jahr lang versorgten US-Amerikaner - und an ihrer Seite Briten, Australier, Neuseeländer, Kanadier und Südafrikaner - die geschundene deutsche Stadt bei 275.000 Flügen mit nahezu zwei Millionen Waren.
Dieser erste Akt der Solidarität des Westens für Deutsche seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die Reaktion darauf, daß die Sowjets die Berliner Kraftwerke abgeschaltet und das damals von 2,2 Millionen Menschen bewohnte Trümmerfeld von der Außenwelt abgeriegelt hatten.
Der Tag, an dem General Clays erste "Rosinenbomber" Hilfsgüter nach Berlin flogen, war der historische Beginn der deutsch-amerikanischen Freundschaft: einer Freundschaft zwischen Besatzern und Besiegt en.
Ein halbes Jahrhundert später, am Sonntag dieser Woche, landete in Florida ein Airbus der Bundeswehr - an Bord 25 Tonnen Lebensmittel für die evakuierten Opfer der Naturkatastrophe von New Orleans. Zeitgleich entsandten Technisches Hilfswerk und Deutsches Rotes Kreuz Logistikexperten in die USA.
Humanitäre Hilfe aus Berlin für notleidende Amerikaner: für manche Zeitzeugen ein historischer später Dank, für andere die Manifestierung einer Beziehung auf Augenhöhe.
Längst haben sich, seit Deutschland mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 seine volle völkerrechtliche Souveränität wiedererlangte, die Gewichte zwischen Washington und Berlin verschoben. Die Amerikaner zogen große Teile ihrer auf deutschem Boden stationierten Truppen ab - und die Bundesrepublik strebt heute nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (gegen den laut erklärten Widerstand der Amerikaner).
Es war der Vater des heutigen US-Präsidenten, der Kanzler Kohl eine "leadership in partnership" andiente - eine tragende deutsche Rolle in der Nato. Kohls Nachfolger Schröder gewann 2002 eine Bundestagswahl, auch weil er George Bush junior die Gefolgschaft für einen völkerrechtlich umstrittenen, von der Uno nicht legitimierten Kriegseinsatz im Mittleren Osten verweigerte.
In den letzten drei Jahren pflegten Berlin und Washington ein reines Arbeitsverhältnis. Schröder, der in der Innenpolitik scheiterte, spielte die außenpolitische Karte und begründete, gegen die Amerikaner, die Achse Paris-Berlin-Moskau. Diesem Experiment wird am 18. September, dem Tag der heraufziehenden Abwahl Schröders, der letzte Arbeitstag beschieden sein.
Und dann brachen Gottes Fluten über Amerikas Südstaaten herein. Im Gestus des Staatsmanns erreichte Gerhard Schröder zum ersten und vermutlich letzten Mal die Herzen jener Amerikaner, die in ihm bis dahin eher einen Renegaten aus dem Alten Europa sahen.
Der Berliner Wahlkampf, dessen heiße Phase keine war, hat sich vorrangig mit dem Niedergang der deutschen Wirtschaft beschäftigt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den künftigen Leitlinien deutscher Außen- und Sicherheitspolitik fand nicht statt. Mehr als nur bezeichnend dafür stand, daß die Union mit Wolfgang Schäuble einen ehemaligen Innenminister in ihrem "Kompetenzteam" mit internationalen und strategischen Fragen betraute, während der geborene Koalitionspartner FDP darüber stritt, ob Parteichef oder Fraktikonsvorsitzender das Land nach außen vertreten solle. Es mag dabei ins Bild passen, daß der amtierende Außenminister Fischer auf Buch-Präsentationstour ging und sein Kabinettskollege für Verteidigung, Struck, Bundeswehr-Garnisonen per Motorrad besuchte.
Dabei wird sich die Bundesrepublik in den nächsten Jahren die Vorrangigkeit der Beschäftigung mit hausgemachten Problemen am Arbeitsmarkt und in den Kassen nicht leisten können. Die Erweiterung von EU und Nato nach Osteuropa, die gescheiterte europäische Verfassung, Bundeswehreinsätze, eine Reform der Uno, der Abwehrkampf gegen den längst globalen fundamentalistischen Terrorismus im Innern und die Bekämpfung seiner Wurzeln und Ursachen im Äußeren - diese Agenda wird Deutschland nicht als Langzeitprogramm aussitzen können. Angesichts der Schwergewichtigkeit der Themenstellung werden die deutsch-amerikanischen Beziehungen, denen eine Schlüsselrolle zukommt, nicht länger unter fehlender Affinität zwischen den Akteuren leiden dürfen.
So makaber und desaströs der Anlaß auch war, so ermutigend sind seine Folgen: Deutschland hat Amerika nach New Orleans geholfen - und Amerika hat diese Hilfe angenommen: Partnership statt leadership.
Allein: Es fehlt in Berlin ganz offenkundig an politischem Personal, das diesen Weg pflastern könnte. Humanität wird auf Sicht einen außen- und verteidigungspolitischen Gesamtentwurf nicht ersetzen können. |
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