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Ils arrivent - die Preussen kommen

 
     
 
Voilà, la Gazette Générale Prussienne - nicht ohne Stolz präsentierte ich in den letzten Wochen Freunden und Bekannten an meinem Urlaubsziel im äußersten Westen Frankreichs die . Die Reaktion: ein paar höfliche Komplimente, verlegenes Herumdrucksen, betretenes Schweigen - und dann, nachdem ich mich damit nicht abspeisen lasse, ein kritisches "Pourquoi Prusse?", "Warum Preußen?"!

Mit der Gegenfrage "Warum nicht?" gelingt es mir, ein solches Maß an Vorurteilen
zu provozieren, wie man es heute nicht einmal mehr im Pisa-gebeutelten Deutschland antrifft. Preußen aus französischer Sicht, das ist Militarismus pur, Stechschritt und Tschingderassa, Kadavergehorsam, aggressive Kriegslüsternheit, sturer Bürokratismus, das exakte Gegenteil wirklicher und vermeintlicher Ideale, auf welche die Grande Nation seit ihrer Revolution so stolz ist, die Inkarnation aller bürger- und freiheitsfeindlichen, menschenrechts- widrigen Verbrechen, deren sich ein Staat schuldig machen kann. Mit Entsetzen mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß alles Negative, womit vor einem halben Jahrhundert die Auflösung Preußens durch die Weltkrieg-II-Sieger begründet worden war, noch immer in diesen Köpfen herumspukt, als hätte es nie einen Elysée-Vertrag gegeben, keine Versöhnung über den Gräbern von Verdun, kein deutsch-französisches Jugendwerk, keine gemeinsamen Kulturprojekte, kein Erinnern an die gemeinsamen geschichtlichen Wurzeln - Karl der Große/Charlesmagne - und nicht Millionen von Menschen aller Altersstufen, die das Land des einstigen "Erzfeindes" kennen-und liebengelernt haben.

Kaum fällt das Stichwort "Preußen", schon ist das alte, längst überwunden geglaubte Denken wieder da: von Friedrich bis Bismarck, die Bösewichter der Weltgeschichte, die Wegbereiter des Faschismus, primitiv, martialisch, unsympathisch.

Soll ich nun resignieren, das Thema tunlichst vermeiden? Schließlich kann man sich, wenn man in Frankreich Urlaub macht, über eine Menge anderer, weitaus angenehmerer Dinge unterhalten. Nein, so einfach sollte "Michel" es der "Marianne" nicht machen. Zumal sich schnell zeigt, daß die antipreußischen Vorurteile auf schier unglaublichen Wissenslücken beruhen. Daß Preußen das erste Land mit allgemeiner Schulpflicht und einem vorbildlichen Sozialsystem war, früher als alle anderen Religionsfreiheit und weltanschauliche Toleranz praktizierte, weltweit der erste Rechtsstaat war, daß die erste Amtshandlung des ersten Königs in Preußen die Gründung der Akademie der Wissenschaften war - von alledem bekommt man in Frankreichs Schulen kein Wort zu hören. Allerdings auch nicht in den zahlreichen deutschen Kultur- und Bildungsinstitutionen; dort frönt man lieber dem Zeitgeist, statt über deutsche und preußische Geschichte korrekt zu informieren. Genau das aber würde sich lohnen, wie mir meine Urlaubsgespräche bestätigten. Was ich über das wahre Preußen zu erzählen wußte, wurde mit Interesse aufgenommen - und spätestens, wenn ich von der Freundschaft und Geistesverwandt- schaft des "alten Fritz" mit François-Marie Arouet erzählte, auch mit Sympathie - der Mann ist bei Franzosen wie bei Deutschen besser bekannt und beliebt unter dem Namen Voltaire ...
 
     
     
 
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