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Adam Elsheimer gehört zu den wenigen deutschen Künstlern, die in der europäischen Malerei des Barock hohes Ansehen gewonnen haben. Dennoch wird sein Name im Kanon der großen Meister in der Öffentlichkeit nur selten genannt, seltener, als es seiner großen Bedeutung als Maler zukommt. Unter Sammlern und Ästheten war er bereits zu Lebzeiten eine Legende und wurde von Künstlerkollegen wie Rubens und Rembrandt bewundert. Der frühe Tod im Alter von 32 Jahren setzte seinem Schaffen ein jähes Ende. Elsheimer, der 1578 in Frankfurt am Main geboren wurde und als 20jähriger über München und Venedig 1600 nach Rom ging, hat ein zahlenmäßig kleines - bisher sind 40 Gemälde und 30 Zeichnungen und Gouachen bekannt -, jedoch äußerst einflußreiches Werk hinterlassen. Mit der dramatischen, von Hell-Dunkel-Kontrasten bestimmten Beleuchtung, der narrativen Vielgestalt und seinem poetischen Reiz entfaltete das aus kleinformatigen Kupfertafeln bestehende Werk, das heute zu den Schätzen der großen Museen gehört, europaweite Wirkung. Das Städel, das die weltweit größte Sammlung von Werken Elsheimers besitzt, richtet dem großen Frankfurter Maler nun 40 Jahre nach der letzten ihm gewidmeten Ausstellung im Städel die erste umfassende, wissenschaftlich neu erarbeitete Werkschau aus.
Wer war Adam Elsheimer? Das wird man sich schon um 1600 gefragt haben, als der junge Künstler nach Rom kam. Die Ausstellung unter dem Titel "Im Detail die Welt entdecken" folgt den Spuren dieses neugierigen und wißbegierigen Malers und bietet dem Besucher eine unerschöpfliche Entdekkungsreise. Über seine Jugend und Lehrzeit in Frankfurt gibt es kaum Quellen, es wird jedoch angenommen, daß er ein Schüler des damals angesehen Philipp Uffenbach war, der das Vorbild der altdeutschen Malerei, vor allem Dürer und Grünewald, nie aus den Augen verlor. Nach seiner Ausbildung verließ Elsheimer seine Heimatstadt und besuchte auf dem Weg nach Italien vermutlich 1598 München.
Italien sollte seine Wahlheimat bleiben. Der Aufenthalt in Venedig, wo Elsheimer mit Hans Rottenhammer aus München zusammenarbeitete, machte ihn mit den Werken der venezianischen Maler, vor allem Tintorettos, vertraut. Das Zusammentreffen von altdeutscher Tradition mit dem atmosphärisch Malerischen der venezianischen Meister führte in Elsheimers Werken zu einer ungewöhnlichen Mischung, die seinen Stil noch in späteren Jahren bestimmt hat. Spätestens im Heiligen Jahr 1600 erreichte Elsheimer Rom. Hier schloß er Freundschaft mit dem ein Jahr älteren Peter Paul Rubens und dessen Bruder Philipp und lebte in Kontakt mit deutschen Gelehrten, die sich der Literatur, der Theologie und den Naturwissenschaften widmeten. Sie inspirierten den Maler und förderten seine Kunst. Im Jahr 1607 wurde er als einer der wenigen Deutschen als Mitglied der angesehen Accademia die S. Luca genannt.
In Rom entwickelte Elsheimer seine "poetische Malerei", mit der er Ideen der Romantik etwa 200 Jahre vorwegnahm. Stimmungsvolle Landschaften im Mondlicht und geheimnisvolle nächtliche Innenräume, die nur von spärlichem Kerzenschein beleuchtet werden, machten ihn berühmt. Zeitlebens hat sich Elsheimer mit der Darstellung des Lichts auseinandergesetzt. Er beschäftigte sich sowohl mit dem dramatischen Helldunkel, das für Caravaggios Gemälde charakteristisch ist, als auch mit der Inszenierung künstlicher Lichtquellen, die in Italien als Spezialität der niederländischen Romfahrer galt. Elsheimer war aber auch ein spannender Erzähler: Dramatische Ereignisse wie die Sintflut, brutale Mord- und Marterszenen und staunenswerte christliche Wunder hielt er in ebenso eindringlicher Dichte fest wie ein kleines Stilleben.
Unserer Zeit vertraut ist aber vor allem Elsheimers Begeisterung für die Naturwissenschaften. Die Erforschung der Milchstraße dokumentierte er in seinen Gemälden ebenso wie den gerade entdeckten Eukalyptusbaum. Er betrachtete die Welt durch das Fernrohr und mit der Lupe, und dieser Blick in die Gesetze des Kosmos revolutionierte die Kunst. Durch die Verschmelzung der empirischen Naturbeobachtung mit der für ihn kennzeichnenden poetischen Bildsprache prägte Elsheimer eine außergewöhnlich lebendige, detailreiche Erzählweise. Wie ein Volkskundler studierte Elsheimer in Venedig die orientalischen Gewänder, die seinen Gemälden mit biblischen Themen Atmosphäre verleihen. Aber auch die Antike machte er lebendig: Er malte die römischen Ruinen, lernte die menschliche Anatomie anhand antiker Skulpturen kennen und setzte die alten mythologischen Themen in neue faszinierende Kompositionen um. Auch den traditionellen christlichen Themen verlieh er neues Leben: Der Kreuzaltar, eines der Hauptwerke von Elsheimer, das sich neben sechs weiteren Arbeiten in der Sammlung des Städel befindet, erzählt die Geschichte von der Auffindung des Kreuzes, an dem Jesus starb, in spannenden Einzelszenen.
Im Gegensatz zu seinem Freund Rubens beschränkte sich Elsheimer auf das kleine Format. Doch dieses öffnet den Blick in die Welt, die der Maler in einer Vielzahl von Details festhielt. Diese Gabe, das dargestellte Geschehen lebendig und stets mit dem Blick für das Menschliche zu erzählen, machte Elsheimer zu einem der berühmtesten Künstler seiner Zeit. Als der Tod 1610 Elsheimer, den seine Zeitgenossen als liebenswürdigen und zur Melancholie neigenden Menschen beschrieben, mitten aus dem Leben riß, hinterließ dieser eine Familie in bitterer Armut. Die Ausstellung lädt dazu ein, diesen ungewöhnlichen Maler und seine Bildwelten wiederzuentdecken. Sie würdigt den künstlerischen Rang Elsheimers in seinen Spitzenwerken und zeigt sie im Kontext ihres künstlerischen Umkreises in Rom. Nach der ersten und bisher einzigen Elsheimer-Ausstellung im Städel 1966 können nun damals nicht gezeigte oder noch unbekannte Gemälde präsentiert werden. Neu aufgefundene Dokumente und zahlreiche Spezialuntersuchungen haben zu einem neuen Blick auf Elsheimer geführt. Erstmals werden diese Erkenntnisse der Forschung einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Das Elsheimer-Archiv im Städel, das sich seit Jahren der wissenschaftlichen Erforschung von Elsheimers Werk widmet, hat in diesem Jahr mit Unterstützung der Gabriele-Busch-Hauck-Stiftung ein zweijähriges Stipendium zur Erforschung der Zeichenkunst Adam Elsheimers eingerichtet. Durch die Zuwendung der Stiftung konnte 2005 außerdem eine Zeichnung von Adam Elsheimer für die Graphische Sammlung des Städel erworben werden, die nun in der Ausstellung präsentiert wird. std
Die Ausstellung ist Dienstag, Freitag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr, Mittwoch und Donnerstag von 10 bis 21 Uhr geöffnet; Eintritt 8 / 6 Euro, Katalog 304 Seiten, im Museum 29,90 Euro; bis 5. Juni. Die National Gallery of Scotland, Edinburgh, zeigt die Ausstellung vom 23. Juni bis 3. September, die Dulwich Picture Gallery schließt sich vom 20. September bis 3. Dezember in London an.
Adam Elsheimer: Tobias und der Engel (Öl auf Kupfer, um 1606, Historisches Museum Frankfurt am Main) |
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