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In diesen Sommerwochen zieht es wieder viele Menschen in ferne Länder. Sie wollen dort Land und Leute kennenlernen oder einfach nur das schöne Wetter genießen. Nicht wenige aber sind zu Hause geblieben, weil vielleicht das Geld nicht mehr reicht für ausgedehnte Ferien oder weil man einfach die Nase voll hat vom Rummel in manchen bevorzugten Urlaubsländern. "Bleibe im Lande und nähre dich redlich", liest man schließlich schon in den Psalmen der Bibel. Und der französische Philosoph René Descartes erkannte bereits im frühen 17. Jahrhundert: "Aber wenn man zu viel Zeit auf Reisen verwendet, so wird man zuletzt fremd im eigenen Lande."
Das eigene Land - für viele ist es ein fremdes Land, eines, das sie erst entdecken müssen mit all seinen Schönheiten, Sehens- und Merkwürdigkeiten. Und so machen sie denn Ferien in Deutschland. Daß dies durchaus reizvoll sein kann und gar nicht langweilig, wie manche Skeptiker immer wieder behaupten, zeigen nicht zuletzt einige Bücher, die sich mit ganz besonderen Sehenswürdigkeiten in Deutschland befassen.
Peter Braun stellt an den Anfang seines neuen Buches einen Ausspruch Johann Wolfgang von Goethes: "Wer das Dichten will verstehen, muß ins Land der Dichtung gehen." Ein Motto, das durchaus zu seiner neuen Arbeit paßt, hat er sich doch wieder auf die Reise gemacht, um dem Leben bedeutender Dichter und Schriftsteller nachzuspüren. Auch diesmal war Braun an Orten, die das Leben von Männern und Frauen entscheidend mit geprägt und sie in ihrem Schaffen angeregt haben. Enstanden ist nach dem 2003 erschienenen Band "Dichterhäuser" wieder ein spannend zu lesendes Buch mit dem Titel Dichterleben - Dichterhäuser (dtv, 224 Seiten, zahlreiche sw Abb., im Anhang ausführliche Informationen zu den einzelnen Dichterhäusern, Klappbroschur, 15 Euro). Braun besuchte Oßmannstedt bei Weimar, wo Christoph Martin Wieland ein 150 Hektar großes Gut besaß und wo der Dichter, der auf einmal ein Landmann war, 300 Obstbäume gepflanzt und einen Landschaftspark nach englischem Vorbild angelegt hatte. Immer wieder fanden das Gut und der Park Eingang in das Werk Wielands, der in Oßmannstedt auch seine letzte Ruhestätte fand. Braun besuchte Weißenfels und Oberwiederstedt, wo Novalis den Mittelpunkt seines Lebens gefunden hatte. Wenig erinnert dort allerdings an den Dichter, der nur 28 Jahre alt wurde.
Karl May und seine legendäre Villa Shatterhand in Radebeul, wo der Schriftsteller die Silberbüchse Winnetous neben seinem Schreibtisch hängen hatte, ist ebenso ein Ziel auf Brauns Reise durch die deutsche Literaturgeschichte wie Dresden und die Villa Augustin, wo Erich Kästner schon als Junge die "kleinen Leute" beobachtete, die er später in seinen Romanen so herrlich beschrieb. "Der Albertplatz war die Bühne. Ich saß, zwischen Jasmin und Bäumen, in der Loge und konnte mich nicht satt sehen." Anders als Wieland fühlte sich Bettine von Arnim auf dem Lande nicht wohl. Schloß Wiepersdorf war eben nicht Berlin, und so warf sie bald bitterböse ihrem Gatten Achim von Arnim vor: "Gedenk auch meiner unter deinen Kühen, weder die braune noch die weiße, noch die scheckige ist dir so innig gesinnt wie ich."
Wiedensahl, Ebergötzen, Lüthorst waren die Stätten, an denen Wilhelm Busch die Gelegenheit fand, "sich in aller Stille ein wenig die Seele zu schneuzen". Der "Vater" von Max und Moritz war keineswegs nur der lustige Geselle, den man hinter diesen Geschichten vermutet. "Das Gewurl der Stadt, die Gesellschaften, Kneipereien" lagen ihm nicht, der Ruhm bedeutete ihm nichts. "Er ging ihm aus dem Weg, streifte lieber durch die Wälder oder saß im Garten", so Braun.
Der Landschaft, die Wilhelm Busch, den Erzähler, aber auch den weithin unbekannten Maler, so prägte, begegnet man in einem zauberhaften Bildband aus dem Hamburger Verlag Ellert & Richter. Auf den Spuren von Wilhelm Busch (96 Seiten mit 74 Abb., Hardcover, 14,95 Euro) wanderten der Journalist Martin Tschechne und der Fotograf Toma Babovic. "In Wiedensahl wurde Wilhelm Busch geboren, in den wogenden Feldern hinter dem Dorf wuchs er auf. Und Zeit seines Lebens fühlte er sich unter dem hohen Himmel des Schaumburger Landes geborgen und frei." Nachtragend und zänkisch sei er gewesen, so Tschechne über Busch, und doch ein Menschenfreund, einer, der die Eigenarten seiner Zeitgenossen zwar genüßlich aufspießte, sie aber dennoch mochte, sie verstand. "Er war schließlich einer von ihnen." - Ausführliche Hinweise auf Museen und Gedenkstätten beschließen auch diesen Band.
In die Mark Brandenburg führen die Wanderungen, die der Fotograf und Reiseschriftsteller Georg Jung Auf den Spuren von Theodor Fontane unternommen hat (Ellert & Richter Verlag, Hamburg, 96 Seiten mit 54 Abbildungen, Hardcover, 12,95 Euro). "Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte", schrieb Fontane vor mehr als 100 Jahren. Und auch der heutige Besucher von weither wird erstaunt sein, welchen Reichtum die einst als "Streusandbüchse" verschriene Mark zu bieten hat. Von der Ruppinschen Schweiz bis in den Oderbruch, an Havel und Spree führt der Weg. Neuruppin, Rheinsberg, Caputh, Sacrow und Sanssouci sind einige der Stationen. "Und so fuhr ich denn in meine spezielle Heimat, ins Ruppinsche, hinein und begann in seinen Luch- und Bruchdörfern umherzuwandern", schrieb Fontane. "Ja, vorfahren vor dem Krug und über die Kirchhofsmauer klettern, ein Storchennest bewundern oder einen Hagebuttenstrauch, einen Grabstein lesen oder sich einen Spinnstubengrusel erzählen lassen - so war die Sache geplant, und so wurde sie begonnen ..." Vieles wird auch der heutige Wanderer noch so finden wie Fontane. Wenn es auch nicht so idyllisch war, wie der Dichter es beschrieb. Bei Ehefrau Emilie beklagte er sich: "... ich bin doch sehr hin, und diese Strapazen ... übersteigen doch meine Kräfte. Es soll eine Erholung sein und ist eigentlich eine riesige Arbeit." Nachzulesen in den literarischen Streifzügen zwischen Havel und Oder von Werner Liersch Dichterland Brandenburg (Artemis & Winkler, Düsseldorf, 280 Seiten mit zahlr. Abb., Karten und Plänen, 19,90 Euro). Diese Streifzüge führen den Leser von Voltaires Sanssouci zu Tucholskys Rheinsberg, von Betinne von Arnims Schloß Wiepersdorf bis zu Brechts "Eiserner Villa". Er begegnet auch Kleist und Tieck, Heine und Storm, Hauptmann und Fallada, erfährt einiges über Leben und Werk dieser Dichter.
Zwischen Prignitz und Uckermark, zwischen Havel und Oder stehen auch zahlreiche Denkmäler, die an große Männer, weniger an Frauen, erinnern und längst vergessene Ereignisse in Erinnerung rufen. In seinen Denkmalgeschichten aus der Mark Brandenburg hat der Historiker und Journalist Helmut Caspar sie zu neuem Leben erweckt: Fürsten, Helden, große Geister (be.bra Verlag, Berlin, 320 Seiten, 81 Abb., gebunden, 19,90 Euro). In diesem ganz besonderen Reiseführer verführt Caspar zum genauen Hinsehen und gibt auf leichte Art Nachhilfe in deutscher Geschichte.
Reisen in Deutschland ist längst nicht mehr so beschwerlich wie zu Fontanes Zeiten, aber gewiß genauso spannend und unterhaltsam. |
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