|
Deutsche Arbeitskosten liegen um 36 Prozent höher als der Durchschnitt der internationalen Konkurrenz. Es sind nicht die Löhne, es sind die hohen zusätzlichen Personalkosten, die vor allem die westdeutschen Bundesländer im internationalen Vergleich als Standort in punkto industrielle Arbeitskosten unattraktiv machen. Zu diesem Fazit gelangt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Das Papier beweist damit auf eindringliche Weise, wie wichtig ein grundlegender Umbau des Sozialstaates Deutschland für den Industriestandort Deutschland geworden ist.
Mit 27,09 Euro je Arbeitsstunde wird Westdeutschland nur noch von Norwegen und Dänemark übertroffen, doch auch dies erst seit kurzem. Dänemark überholte uns erst 2003 knapp, Norwegen 2002. Vorher, und bei ungünstiger Lohnentwicklung womöglich bald wieder, hatte Deutschland international die traurige Spitzenposition inne. Die im Westen zu entrichtenden 11,96 Euro Personalzusatzkosten, darunter Sozialbeiträge der Arbeitgeber, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, werden von keinem Land der Welt erreicht, nicht einmal von den wohlhabenden Sozialstaaten Skandinaviens. Diese hohen Personalausgaben jenseits des mit 15,13 Euro eher durchschnittlichen West-Lohns reduzierten viele der europäischen Konkurrenten im Rahmen ihrer Reformen des Sozialstaates bereits - nun profitieren diese Staaten davon. Etwas Trost spenden die verhältnismäßig moderaten Lohnabschlüsse der deutschen Tarifpartner seit Mitte der 90er Jahre. So ist der Arbeitskostennachteil seit 1995 um knapp 20 Prozentpunkte geschrumpft - allerdings eher dank günstiger Wechselkurse und der Lohnentwicklung als durch Veränderungen am System, so das Kölner Institut. Insgesamt "präsentierte sich der Industriestandort Westdeutschland auch im vergangenen Jahr in schlechter Verfassung".
Die jungen Bundesländer kommen hingegen beim Kostenfaktor Arbeit mit 16,86 Euro pro Arbeitsstunde im verarbeitenden Gewerbe nicht nur deutlich besser weg als der Westen der Republik, sondern sie liegen sogar mit ihren Kosten noch unter den Vergleichswerten von boomenden Staaten wie Großbritannien und Irland. Damit könnten sie eigentlich in Sachen Industriearbeit mit diesen Gebieten mithalten, in die sonst gerade personalintensive Dienstleister abzuwandern pflegen.
Industrielle Arbeitskosten seien aber eben nur ein Faktor im Gesamtbild einer Standortbewertung durch ein Unternehmen, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft betont. Gerade heimische Betriebe gründen zunehmend Niederlassungen im Ausland. Denn wenn ein Unternehmen dort ein Standbein hat, nimmt es Know-how und Technik des Stammhauses mit und sorgt so selbst für eine hohe Produktivität, an der es dort sonst vielleicht mangelt.
Die mit 6,68 Euro nur etwas mehr als halb so hohen Aufwendungen für soziale Extras im Osten der Bundesrepublik locken daher nicht genug Arbeitsplätze an. Die geringeren Arbeitsausgaben, die Unternehmen in den östlichen Nachbarstaaten wie Polen und Tschechien erwarten, sind schlicht attraktiver, sofern das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte und die sonstige Infrastruktur stimmen. Der Blick in die nahe Zukunft fällt also wenig positiv aus: Sozialbeiträge werden wohl in Deutschland nur geringfügig sinken, die Löhne nicht deutlich geringer steigen als im Ausland, und auch der starke Euro schwächt die Bilanz weiter. SV
|
|