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Normalerweise gibt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sich staatstragend und konsensbewußt. Er wird deswegen bereits als Runder Tisch auf zwei Beinen verspottet. In einem Interview mit der Berliner Zeitung, in dem es wieder einmal um den Palast-(der Republik)-Abriß und Neubaupläne für das Stadtschloß ging, aber holte er den Knüppel aus dem Sack. Was ihn in Rage bringt, sind die neuerlichen Versuche, den Beschluß des Bundestags zu unterlaufen, wonach der Palast eingerissen und das Schloß wiederaufgebaut werden soll.
Die "kulturelle Zwischennutzung" des Palast-Torsos, die unter Federführung des sogenannten Hauptstadtkulturfonds im Sommer 2004 begonnen hat, wird inzwischen zu einem politischen Faktum, an dem man schwer vorbeikommt. Es geht Thierse nicht so sehr um das Gebäude, sondern um die Verharmlosung der DDR-Geschichte, die seine Verfechter betreiben. Ihn entzürnt besonders, daß die Jury des Fonds eine vom Deutschen Historischen Museum konzipierte Ausstellung zur Palast-Geschichte als "zu ideologisch" abgelehnt hatte. Thierse: "Zur gleichen Zeit befürwortet die Jury eine andere Ausstellung, die, wie es wörtlich heißt, völlig ideologiefrei mit dem Palast umgehe. Was immer man zu dem Palast sagt, daß es ein Gebäude von außerordentlicher politisch-ideologischer Bedeutung gewesen ist und man deswegen mit dem Gebäude nicht gänzlich ideologiefrei umgehen kann, ist klar."
Wolfgang Thierse, ein studierter Kulturwissenschaftler, hat damit die Strategie des Kultursenators und promovierten Philosophen Thomas Flierl (PDS) entlarvt. Unter dem Stichwort der "Entideologisierung" werden die Sünden des DDR-Städtebaus, die weltanschaulich eindeutige Denkmäler des Sozialismus sind, als bloße Spielart der Moderne hingestellt. Durch diesen Kniff sehen sich diejenigen, die das Brachland in der Berliner Mitte menschenfreundlicher gestalten wollen, als Reaktionäre und Antimodernisten gebrandmarkt. Das ist einerseits Seelenbalsam für die PDS-Wählerschaft, die unter dem Sozialabbau des rot-roten Senats genauso stöhnt wie alle anderen. Es dient aber auch der langfristigen Absicherung einer linken Kulturvorherrschaft in der Hauptstadt. Ein Instrument ist der bereits erwähnte Hauptstadtkulturfonds, der 1999 zwischen dem Bund und dem Land Berlin 1999 im Rahmen eines Hauptstadtkulturvertrages vereinbart wurde. Er ist mit 10,2 Millionen Euro ausgestattet und soll "für Berlin als Bundeshauptstadt bedeutsame Einzelmaßnahmen und Veranstaltungen" fördern, welche "nationale oder internationale Ausstrahlung haben oder besonders innovativ sind". Man kann sich ausmalen, daß dieser Fonds im verarmten Berlin, wo zu- dem überdurchschnittlich viele Künstler wohnen, ein enormes Machtmittel darstellt.
Der Fonds geriet erstmals 2003 in die Schlagzeilen, als er ein "ideologiefreies" RAF-Projekt finanzierte. Nach allem, was im Vorfeld darüber bekannt wurde, blieb der terroristische Hintergrund der "Roten Armee Fraktion", der RAF, ausgespart. Erst nach Protesten wurde die Veranstaltung abgesagt.
Die "Zwischennutzung" von Honeckers Palast wurde mit 500.000 Euro finanziert, während für die Erinnerung an Maueropfer kein Geld da ist. Vor einem halben Jahr wurde die Förderung neu geregelt und dem Stiftungskuratorium aus der Hand genommen. Seitdem begutachtet eine Fachjury die Projekte und schlägt sie zur Förderung vor. Ein Ausschuß, in den der Bund und Berlin je zwei Vertreter entsenden, entscheidet dann über die Bewilligung des Geldes. Die Chefin der Jury, die ohne Stimmrecht an den Ausschußsitzungen teilnimmt, hieß von Anfang an Adrienne Goehler. 2001 hatte sie kurzzeitig für die Grünen als Kultursenatorin amtiert. Sie hatte sich gegen die Neuregelung gewehrt unter dem Motto: "Freie Kunst statt Staatskunst!" Die Freiheit, die sie meint, hat aber immer nur eine bestimmte Richtung.
So stellte Thierse "mit Beunruhigung fest, daß öffentliche Gelder anderen Projekten und Kulturinstitutionen vorenthalten werden, um sie für Projekte im Palast zu verwenden. Kaum wird ein Antrag für den Palast gestellt, hat man den Eindruck, er wird bewilligt." Er läßt die Drohung folgen, im Bundestag könnten "die Stimmen lauter werden, die Mittel für den Hauptstadtkulturfonds zu kürzen oder zu streichen".
"Offen" nur nach einer Seite: Der Torso des "Palastes der Republik" wurde zum Mekka ultralinker Kulturpolitik auf Kosten der Steuerzahler. |
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