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Während die meisten französischen Politiker sich darüber beklagt haben, daß die Feierlichkeiten aus Anlaß des 60. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Normandie die Kampagne für die Europawahl am 13. Juni etwas zurückgedrängt hätten, scheinen die Bush-Kritiker an der Seine vor allem in der Opposition ebenfalls etwas erlahmt zu sein. Das bezeugt im besonderen die Stellungnahme der französischen Sozialist en, die sich einerseits gern in die interne Politik der USA zugunsten der Demokraten einmischen würden, andererseits aber an "Anti-Bush-Kundgebungen" nicht teilnehmen wollten.
In diesem Zusammenhang scheint es für den Durchschnittsfranzosen wichtig zu sein, zwischen der Zuneigung für ein Amerika, das die "Grande Nation" 1944 befreit habe, und einem allgemeinen kritischen Standpunkt der US-Politik im Irak gegenüber zu unterscheiden. Nach einer vom Pariser Volksblatt Le Parisien veröffentlichten Meinungsumfrage schätzen 82 Prozent der Befragten, daß Frankreich den USA gegenüber seine Dankesschuld nun beglichen habe.
Selbstverständlich war unlängst viel über die Befreiung Frankreichs und Europas durch die Westalliierten in den französischen Medien zu lesen und zu hören. Der staatliche Auslandssender Radio France International interviewte bei dieser Gelegenheit zahlreiche französische Persönlichkeiten, die freilich die Rolle der französischen Widerstandskämpfer hervorhoben. Im Rahmen dieser Interviewreihe sagte der Leiter des "Mémorial des Caen" (Friedensdenkmal zu Caen), das Ziel der Amerikaner sei es letzt-endlich weniger gewesen, Frankreich zu befreien, als vielmehr Deutschland zu besiegen. Die Gaullisten vergessen in der Tat nicht, daß das US-amerikanische Staatsoberhaupt Franklin Delanoe Roosevelt de Gaulle nur wenig schätzte und plante, eine US-gelenkte Militärverwaltung in Frankreich einzusetzen. Und auch noch etwas anderes wird Roosevelt vorgeworfen. Um das Leben der US-Soldaten zu schonen, habe er im Gegensatz zu Churchill die massive Bombardierung der Normandie befürwortet, so daß insgesamt 20.000 französische Zivilisten als "Begleiterscheinung" der Befreiung getötet worden sind.
Nachdem neben den üblichen Floskeln nur wenige kritische Stimmen über die Feierlichkeiten zu registrieren waren, hat es fast den Anschein, daß Frankreichs Staatsbehörden der Presse Anweisungen gegeben haben.
Das linksliberale Tagesblatt Le Monde, das die Anwesenheit Bundeskanzler Gerhard Schröders bei der Gedenkfreier ausdrücklich begrüßt hatte, freute sich später genauso ungetrübt über die Aussöhnung zwischen Paris und Wa-shington bezüglich des irakischen Dossiers. Derselbe Tenor war in der führenden Wirtschaftszeitung Les Echos zu verzeichnen, die die Bedeutung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern unterstrich. 13 Prozent der Investitionen in den CAC 40 (die meistgehandelten Aktien) an der Pariser Börse sind US-amerikanischer Herkunft. Allein aus wirtschaftlichen Gründen sollte also Staatschef Jacques Chirac gute Beziehungen zu den USA unterhalten wollen, obgleich er außenpolitisch auf die Uno gegen Bushs Alleingang im Irak setzt. Alles in allem dürfte man Ende des Monats beim Istanbuler Nato-Gipfel klarer sehen und erfahren, ob die diesjährigen Normandie-Feierlichkeiten und die Anwesenheit von 22 Staats- und Regierungschefs George W. Bush es erlaubt haben, die Mitgliedsstaaten des atlantischen Bündnisses um sich zu scharen.
Gegenwärtig stützt sich Chirac auf die öffentliche Meinung Frankreichs, um seine Versöhnungspolitik mit Deutschland fortzusetzen, und er versucht das Sprachrohr der den USA gegenüber kritischen Europäer zu werden. Insofern ist Chiracs Einladung an Schröder, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, sowohl kurz- wie auch langfristig als nützlich anzusehen.
Gerhard Schröder braucht sicherlich die Hilfe Jacques Chiracs, damit Deutschland einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat erlangt, und Jacques Chirac braucht die deutsche Hilfe, um eine ehrgeizige Nahostpolitik zu führen. Insofern waren vielleicht die Treffen auf höchster Ebene anläßlich der Feierlichkeiten zum "D-Day" wegweisend für die Diplomatie beider Länder.
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