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Sie sprachen kein einziges Wort miteinander, aber sie sahen sich an wie knurrende Hunde, die jeden Augenblick aufeinander losgehen" - so kommentierte unlängst die spanische Presse das Verhältnis zwischen dem spanischen Ministerpräsidenten Aznar und Bundeskanzler Schröder, wenn sie einander bei internationalen Konferenzen begegneten. Rund acht Monate dauerte die Eiszeit zwischen den beiden Politikern, und erst letzte Woche beim bilateralen Gipfeltreffen der beiden in Berlin schien so etwas wie ein Tauwetter einzusetzen, das zwar nicht die sachlichen Differenzen, so aber doch die persönlichen Animositäten einigermaßen zum Schmelzen brachte.
Versucht man die gegenwärtigen deutsch-spanischen Beziehungen auf den Prüfstand zu stellen und einer kritischen Bewertung zu unterziehen, so kommt man nicht umhin, über die Europa-Politik zu sprechen. Hier geht es vor allem um die Verfassung, die von dem früheren französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d Estaing entworfen wurde und deren Ziel es ist, die 25 Mitgliedstaaten von Brüssel aus erfolgreich zu regieren. Die großen europäischen Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien sind sich einig, daß das gültige Prinzip der Einstimmigkeit bei wichtigen Fragen zu einer Lähmung der gesamten Union führen wird und daß es deshalb zugunsten von Mehrheitsentscheidung en abgeschafft werden muß. Mit diesem Vorschlag beißt man jedoch in Madrid auf Granit. Aznar will an den Vereinbarungen von Nizza festhalten, die seinem Land einen größeren Einfluß auf den Werdegang innerhalb der Europäischen Union garantieren, als ihn die künftige Verfassung vorsieht.
Aber politische Entscheidungsmechanismen sind nur ein Teil der Differenzen, die das deutsch-spanische Verhältnis belasten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Auslegungen des Stabilitätspaktes. Während sich Madrid in dieser Frage preußischer als die preußische Metropole Berlin zeigt und auf die Einhaltung der Verschuldungsgrenze pocht, ist man da unter der Regierung Schröder weniger pingelig. Dennoch will Spanien die Trumpfkarte, ein wirtschaftlich erfolgreiches Land zu sein, nicht übermäßig ausreizen, und so ist auch der versöhnliche Ton zu verstehen, den Aznar anschlug, als er sagte: "Ich hoffe, daß die deutsche Gesellschaft den Weg der Reformen findet, den der Kanzler aufgezeigt hat." Und schließlich dringt Spanien als durch und durch katholisch geprägtes Land darauf, daß die christlichen Werte in einer künftigen europäischen Verfassung festgeschrieben werden, was jedoch weder von Deutschland noch von den anderen großen EU-Nationen gewünscht wird. Zu einer gewissen Annäherung kam es hingegen in der Irak-Politik, wo die Positionen beider Länder bislang meilenweit auseinander lagen.
Daß die spanisch-deutschen Irritationen überhaupt den Stellenwert einnehmen konnten, den sie jetzt einnehmen, ist eine längere Geschichte, und man sollte es beiden Regierungen ankreiden, daß sie es soweit kommen ließen. Sie begannen 1999, als beim europäischen Gipfeltreffen in Berlin Aznar den denkwürdigen Satz sagte: "Ich gehe jetzt eine Zigarre rauchen." Er stand auf, verließ die Konferenz und erzwang mit seiner Abwesenheit die Zusage der Partnerländer, Spanien Fördergelder aus den europäischen Fonds bis 2007 zu gewähren. Kein Wunder, daß Gastgeber Gerhard Schröder über diesen Akt der kaltblütigen Erpressung vor Wut schäumte. Ein Jahr später brach Madrid einen neuen Streit vom Zaun. Es ging um die Rüstungsfirma Santa Barbara, die in Lizenz Teile für den deutschen Leopard-Panzer produzierte und zum Verkauf stand. Aznar setzte durch, daß der amerikanische Rüstungskonzern General Dynamics den Zuschlag erhielt und Deutschland leer ausging. Den vorläufigen Schlußpunkt in dieser Kette politischer und persönlicher Disharmonien setzte die Begegnung beider Regierungschefs am 12. Januar 2003 auf der Kanaren-Insel Lanzarote. Wieder einmal ging es um die EU, um eine gemeinsam definierte Einwanderungspolitik, um den geplanten Beitritt der osteuropäischen Länder und die finanziellen Mehrbelastungen, die sich daraus ergeben - und wieder einmal war es der spanische Ministerpräsident, der sich in diesen Fragen als besonders stur erwies. Schröder reiste mit versteinertem Gesicht ab. Vor vier Wochen nutzte der Kanzler die Haushaltsdebatte im Bundestag, um dem ungeliebten Aznar vors Schienbein zu treten. Er sagte, daß manche Länder innerhalb der EU wie beispielsweise Spanien nur deshalb ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland erzielen würden, weil sie Subventionen aus dem EU-Topf erhielten, der zu 30 Prozent von Deutschland gefüllt werde. Dieser Vorwurf löste in Spanien helle Empörung aus.
Seit der frostigen Begegnung auf Lanzarote sprachen Aznar und Schröder kein einziges Wort mehr miteinander. Erst das Treffen in Berlin ließ sie aufeinander zugehen. Ob sich daraus so etwas wie eine sachliche Zusammenarbeit, die durch keine persönlichen Vorbehalte mehr getrübt wird, entwickelt, bleibt abzuwarten. Dies wird sich beim nächsten deutsch-spanischen Gipfeltreffen erweisen, das für den 3. und 4. November ebenfalls in Berlin vorgesehen ist.
Deutsch-spanische Eiszeit auf Lanzarote: Besonders zur Zeit des Irak-Krieges war das Verhältnis zwischen Aznar (Mitte) und Schröder frostig. |
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