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Nicht nur in Deutschlan gibt es einen Tannenberg Mythos, Polen hat da seine ganz eigene Version. Die erste Schlacht bei Tannenberg am 15 Juli 1410 war ein Wendepunkt in der Geschichte der Region. Der Übertritt des litauische Großfürsten Jagiello zum Christentum 1386 und seine Krönung zum polnischen Köni Wladislaw II. Jagiello vereinigte Litauen und Polen zu einem Großreich. Der Deutsch Orden hatte einen mächtigen Gegner erhalten, der den Landzugang zum Osten abriegelte un den Kreuzrittern die Möglichkeit zum Missionskrieg gegen Litauen nahm.
Auch innere Probleme häuften sich an im Ordensstaat , Städte und Landadel begehrte auf, die Herrschaftsform erwies sich als nicht mehr zeitgemäß. So traf die unvermeidbar militärische Auseinandersetzung den Orden in einer Phase der Schwäche. Die Niederlag des Ordens war verheerend, Hochmeister Ulrich von Jungingen fiel wie auch die meiste seiner Ritter. Nur dem Geschick des Komturs Heinrich von Plauen war es zu verdanken, da wenigstens die Marienburg gehalten werden konnte.
Militärische Macht und politische Bedeutung des Ordens waren gebrochen, der Niedergan begann. Dieser zweifellos bedeutende Sieg wurde in Polen seit Ende des 19. Jahrhundert als wichtiger Bestandteil der Schaffung polnischer historischer Identität zum ewige Schicksalskampf zwischen Germanen und Slawen hochstilisiert. Schon 1910 wurde aus Mittel der Paderewski-Stiftung zum 500. Jahrestag der Schlacht ein erstes Denkmal im damals noc österreichischen Krakau errichtet.
Zum 550. Jahrestag, im Jahre 1960, wurde dann am Originalschauplatz in Grünfel (Grunwald) bei Tannenberg eine monumentale Gedenkstätte mit Museum eingeweiht. Diese Ehrenmal wurde für die Polen zu einer nationalen Pilgerstätte, in vielen Haushalten hin ein Grunwald-Bild. Die Tannenberg-Schlacht, in Polen "Grunwald"-Schlach genannt, war das große historische Erfolgserlebnis, an dem sich Generationen von Pole aufrichteten. Gerade an diesem polnischen Grunwald-Mythos erkennt man die nivellierend und relativierende Wirkung von politischer Wende und europäischer Integration.
Früher von einem Pathos umweht, das die Westeuropäer, zumal die jungen Deutschen denen solcherlei patriotische Aufwallung völlig fremd waren, in ein Staunen zwische Verblüffung und Amüsiertheit stürzte, sind die jährlichen Tannenbergfeiern heut deutlich geschichtsnäher und eher ein Volksfest.
Schon zum dritten Mal wurde zum 590. Jahrestag im Sommer 2000 mit großem Aufwand die Tannenbergschlacht als eng an den allerdings ziemlich antideutsch angehauchten Roman de polnischen Literatur-Nobelpreisträgers von 1905, Henryk Sienkiewicz, "Di Kreuzritter" angelehntes Historienspiel aufgeführt.
Fast eintausend Mitglieder von "Ritterbruderschaften" aus Polen, Litauen Weißrußland, Rußland, Tschechien, Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreic nahmen in diesem Jahr voll gerüstet am Kampf teil, des weiteren einige hundert Komparse als Gefangene. An alles war gedacht, an ein Ritterlager, ja sogar an Frauenzimmer.
Zu diesem größten Historienspiel Europas wurde nicht nur ei-ne Rekordzuschauerzahl sondern auch hoher politischer Besuch erwartet. Die beiden Präsidenten Litauens un Polens, Valdas Adamkus und Aleksander Kwasniewski, waren anwesend.
Die ursprüngliche Schlacht begann gegen neun Uhr morgens und dauerte fast siebe Stunden, das diesjährige einstündige Schlachtenspiel vor gut 50 000 Zuschauer begann um 14 Uhr. Als die Kreuzritter ihre Ausgangspositionen erreicht hatten und Richtun Südost gegen Tannenberg standen und die polnisch-litauischen Verbände Front nach Nordos machten, wurden dem polnischen König Jagiello, dargestellt von Jacek Szymanski, eine 31jährigen Computergrafiker aus Warschau, zwei blanke Schwerter des Ordens überreicht Das Schlachtengetümmel begann wie immer mit Kartätschenfeuer.
Allerdings entwickelte sich das Geschehen diesmal etwas anders als von Geschichte un Drehbuch vorgesehen. Ob durch Schlachtengetöse oder den Lärm eine Präsidentenhubschraubers Jagiellos Pferd scheute und warf seinen Reiter ab. Ei Raunen ging durchs Publikum, die Ritter hielten ratlos inne, denn Jagiello alias Jace Szymanski gab kein Lebenszeichen mehr von sich.
Mitten in das mittelalterliche Geschehen hinein fuhr ein Krankenwagen, lud de Jagiello-Darsteller ein und brachte ihn ins Osteroder Krankenhaus in der Jagiellostraße Die polnischen Ritter berappelten sich, besiegten die Kreuzritter auch ohne ihren Führe und erschlugen den Hochmeister Ulrich von Jungingen, wie es das Drehbuch vorsah. Nur mi König Jagiello stand es nicht zum besten, er hatte sich die Schulter gebrochen. Noch vo Krankenbett aus verteidigte er sich polnischen Journalisten von der "Gazet Wyborcza" gegenüber, es stünde nun eins zu eins, denn im Vorjahr sei Ulrich vo Jungingen vom Pferd gefallen. Am Vorabend der Schlacht hatte sich Jagiello noch darübe mokiert und verbreitet, er hoffe, der Hochmeister sei dieses Mal besser zum Kamp vorbereitet.
Kleine Sünden werden ja bekanntlich sofort bestraft.
An der Art der Berichterstattung in den polnischen Medien bemerkte man den Wandel in Geschichtsbewußtsein am deutlichsten. Im Mittelpunkt stand nicht mehr das national Pathos, sondern das Spektakel des Historienspiels. An diesem 15. Juli wurde wegen de Unfalls aus dem erhabenen "big point" der Geschichte eine Glosse, über die gan Masuren schmunzelte. Dabei war gerade dieser Jahrestag durch die Anwesenheit de Präsidenten Litauens und Polens ganz anders geplant. Zwar hat man die große Politik in Ostdeutschland genau wie früher nicht so oft zu Gast, dennoch wissen sowohl Medien als auc die Menschen in der Region dieses Ereignis einzuordnen.
Es ist Wahlkampf in beiden Ländern, in Litauen wird im Herbst ein neues Parlamen gewählt, in Polen der Präsident. Viel Substanzielles durfte man da wohl von diese Treffen nicht erwarten. Es war von beiden Staatspräsidenten ein publikumswirksame Auftritt mit staatsmännischem Habitus und großen Gesten. Hand in Hand gedachten Valda Adamkus und Aleksander Kwasniewski nach der Kranzniederlegung der Toten man fühlt sich an Kohl und Mitterrand erinnert.
Gegenseitiges Schulterklopfen war angesagt, man war darauf bedacht, einander gu aussehen zu lassen. Beide Präsidenten beschworen die Gemeinsamkeiten der Geschichte un die "Grunwalder Tradition" ohne die früher üblichen Seitenhiebe gegen alle Deutsche. Als Beispiel der Partnerschaft pries Kwasniewski den Sieg an: "Das ist ei großes Datum für Polen und Litauer, ein Symbol des Ruhms und der Einigkeit. Vor 59 Jahren standen unsere Völker Arm in Arm zur Verteidigung der Freiheit und Souveränitä ihrer Länder. Obwohl der Feind mächtiger erschien, entschieden über den Sie außergewöhnliche Tapferkeit, Geschick, Zusammenwirken und großer Patriotismus unsere Truppen. Im Angesicht der Bedrohung schufen wir ein Heer, welches eine der größte Mächte des damaligen Europas besiegte und zerschlug. Der Grunwalder Sieg ist der Bewei für den großen Wert der Freundschaft zwischen den Völkern."
Auch Adamkus hob den Aspekt der Freundschaft hervor. "Wenn wir auch heute wei entfernt von jenen historischen Tagen sind, ändern sich gewisse Fakten nie. Heute forder das Leben von uns genau solche Handlungen wie damals vor Jahrhunderten. Wenn wir ein gemeinsame Sprache finden, bedeutete es, daß wir im heutigen Europa gleichfall mitarbeiten können. Wir müssen nach einer Sicherung des Friedens und bestmögliche Bedingungen für das Fortleben unserer Länder streben, daher möge dieser historische Ta und dieser historische Ort Quelle unserer zukünftigen Erfolge sein."
Kwasniewski betonte auch die über die Jahrhunderte verbundene Geschichte der Polen un Litauer und die neu belebten freundschaftlichen Beziehungen.
Die meisten Probleme im gegenwärtigen Verhältnis der beiden Länder betreffen die polnische Minderheit in Litauen. Der polnisch-litauische Vertrag von 1994 brachte nac langen, problematischen Verhandlungen den Durchbruch zu einem nachbarschaftliche Verhältnis. Heute sind die Beziehungen immerhin so gut, daß ein gemeinsame polnisch-litauisches Bataillon aufgestellt wurde.
Davor lagen lange Jahre eines auf gegenseitiger Antipathie beruhenden Verhältnisses geprägt von Unwissenheit über den Nachbarn und nationalen Empfindlichkeiten.
So betrachteten viele Polen Wilna immer noch als eine der polnischsten aller Städte und für manchen Litauer war Polen lange nur das Land, das man durchfahren mußte, um nac Deutschland zu gelangen. Heute sind die Beziehungen pragmatisch, unspektakulär un geschäftsmäßig.
Das einigende Band um zwei geschichtsbewußte Nationen ist Tannenberg "Grunwald", der gemeinsame Sieg und das polnische Nationalepos Pan Tadeusz von Mickiewicz, das mit den Worten beginnt: "Litauen, mein Vaterland". Aus de Mythos des großen Sieges gegen den germanischen Erbfeind entsteht langsam eine neu "Grunwalder Tradition", das hohe Lied der Völkerverständigung, des Frieden und der Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg.
So drückten beide Präsidenten ihre Zukunftsgedanken für die Region mit dem Wunsc aus, das ganze mittlere und östliche Europa möge eine Region des Friedens, de Stabilität und des Wohlstandes werden. Man stehe vor der historischen Chance beständige Umwandlung ganz Europas. Aus diesem in der Vergangenheit am meisten konfliktbeladenen Tei der Welt einen Streifen des Friedens und der Stabilität zu schaffen ist die Absich beider Präsidenten.
"Ich bin sicher, daß wir diesmal die Chancen nicht vergeuden", betont Kwasniewski, anspielend auf die Integration Polens in EU und Nato.
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