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Das Thema ist mehr als nur ein Füller fürs Sommerloch, es ist ein Knüller: Führende CDU-Politiker wollen den gesetzlichen Kündigungsschutz aufkündigen. Erst preschte Fraktionsvize Merz vor, dann zog Niedersachsens Ministerpräsident Wulff nach: Der Kündigungsschutz in seiner heutigen Form schaffe und erhalte Arbeitsplätze allenfalls bei Arbeitsgerichten und in Anwaltskanzleien. Saar-Ministerpräsident Peter Müller hingegen, der im Gegensatz zu Wulff vor einer Landtagswahl steht, stellte sich vorsichtshalber auf die Seite des Arbeitnehmer flügels, dessen Vorreiter Arentz ein Ende der "üblen und gefährlichen Diskussion" fordert. Genau das Gegenteil, nämlich langen Unions-Streit, wünscht sich SPD-Chef Müntefering, auf daß er möglichst oft der bürgerlichen Konkurrenz "ungenierten Kapitalismus" vorwerfen kann.
Seit 1969 ist der Kündigungsschutz in Deutschland so geregelt: Die Kündigungsfristen variieren zwischen vier Wochen (ab zwei Jahren Betriebszugehörigkeit) und sieben Monaten (nach 20 Jahren). Sogenannte soziale Härten können Kündigungen über diese Fristen hinaus zusätzlich erschweren.
Die Arbeitsämter, die sich heute "Agenturen" nennen, bestrafen die kampflose Hinnahme einer Kündigung mit Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld; so wird häufig die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses verhindert und ein Arbeitsgerichtsverfahren geradezu provoziert. In den weitaus meisten Fällen endet eine Kündigungsschutzklage aber nicht mit der formaljuristisch angestrebten Weiterbeschäftigung, sondern mit einem Vergleich über Kündigungstermin und Abfindung. Das Gesetz erfüllt also, wie Merz und Wulff zu Recht kritisieren, seinen erklärten Zweck auch nicht ansatzweise.
Dies bestätigen internationale Vergleiche. Länder mit schwachen beziehungsweise gar keinem Kündigungsschutz wie die USA oder die Schweiz haben deutlich niedrigere Arbeitslosenquoten als Deutschland. Auch wenn dies vermutlich auch anderen Faktoren zu danken ist (zum Beispiel niedrigere Lohnnebenkosten und Steuerlasten, weniger Bürokratie) - es gibt weltweit keinen statistischen Beleg dafür, daß strenger Kündigungsschutz mehr Arbeitsplätze schaffen würde.
Warum also nicht auf ein Gesetz verzichten, das ohnehin seinen Zweck nicht erfüllt? Wulff und Merz gehen sogar noch weiter, verweisen darauf, daß gerade die Älteren mit den extrem langen Kündigungsfristen auch die größten Probleme bei einer Stellensuche haben, von einer Aufhebung des Gesetzes also am meisten profitieren müßten. Freilich gilt das nicht, wenn überhaupt keine Arbeitsplätze zu vergeben sind.
Den "goldenen Mittelweg" weisen die Mittelständler der Union. Es sei "besser, die Leute bekommen Arbeit mit weniger Kündigungsschutz, als daß sie unbegrenzt arbeitslos sind", meint Peter Rauen. Zugleich warnt Hans G. Michelbach, den Bürgern "Angst vor der Übernahme der Regierung durch die Union" zu machen.
Vielleicht wäre das die Lösung: statt den Kündigungsschutz ersatzlos zu streichen, ihn durch klare, für alle Seiten tragbare Regelungen für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu ersetzen. Juliane Meier
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