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Einmal im Jahr legt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages der Öffentlichkeit seinen Tätigkeitsbericht des vorangegangenen Jahres vor. So auch diesmal, als der demnächst ausscheidende Beauftragte, Dr. Wilfried Penner, am 15. März dem Bundestag seinen Bericht vortrug. Er ist erhellend, wenn man einen Blick ins Innenleben der Bundeswehr werfen will, und das sollten möglichst viele tun, denn noch ist sie wenigstens zum Teil eine Armee des Volkes. Immerhin traten im Jahr 2004 etwa 80.000 Wehrpflichtige ihren Grundwehrdienst an.
Die Bundeswehr ist in den letzten Jahren von einer Reform in die nächste gestolpert und wurde dabei ein Opfer internationaler politischer Entscheidungen. Noch ist sie nicht auf die erwünschte Größe von 252.000 abgeschmolzen - mehr kann die Bundesrepublik nicht bezahlen.
Von den zur Zeit 263.990 Soldatinnen und Soldaten sind durchschnittlich 6.900 im Auslandseinsatz - scheinbar eine kleine Anzahl, wobei man aber bedenken muß, daß die Einsatzzeit auf vier Monate verkürzt wird, so daß theoretisch etwa 21.000 im abgelaufenen Jahr in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan, am Horn von Afrika, im Sudan, in Georgien und in Eritrea unter zum Teil schwierigsten Bedingungen ihren Dienst getan haben. Es belastet sicherlich politisch denkende Soldaten, daß die Perspektiven für fast alle Einsätze unklar sind. Was einmal aus den Gebieten, in denen sie jetzt ihre Waffen führen, werden soll, das ist den politisch Verantwortlichen ein Rätsel. Da wäre es denn sinnvoll, wenn im Rahmen der politischen Bildung, die eigentlich den Soldaten vermittelt werden sollte, Sinn und Ziel erläutert würden, doch erfährt man, daß gerade dieses Fach häufig vernachlässigt werden muß, weil im Einsatz dafür keine Zeit ist.
Wenn es denn schon Regierung und Bundestag für dringend geboten erachten, eine viertel Million Soldaten unter Waffen zu halten (von ihnen sind zur Zeit 10.445 Frauen), dann sollte man davon ausgehen, daß die überwiegend jungen Leute bestmöglich ausgestattet sind. Das aber ist nicht immer der Fall, wie der Bericht ausweist. Vor einem Jahr wurde deswegen bereits Klage geführt. Bei der vorbereitenden Ausbildung für Auslandseinsätze fehlen häufig Fahrzeuge und Geräte, die man im Einsatz beherrschen sollte. Auch sind nicht immer die Ausbilder in ausreichender Zahl vor Ort, weil die Bundeswehr etwa durch die Bewachung der US-amerikanischen Kasernen in der BRD überlastet wurde.
Die Ersatzteilversorgung liegt im argen - das ist aber nichts Neues. So wird der Fall einer Pionierkompanie in Prizren geschildert, die fehlende Dichtungen für defekte Toiletten auf dem Dienstweg "mit dem zweithöchsten Dringlichkeitsgrad" angefordert hatte. Sie mußte 40 Tage warten. "Gelegentlich habe man sich bei Kleinstartikeln selbst geholfen, indem man Urlauber gebeten hat, die Artikel mitzubringen." Um Ersatzteile für Fahrzeuge zu bekommen, müßten die Soldaten durchschnittlich 30 bis 60 Tage warten.
Notwendige Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände fehlen oft beim Auslandseinsatz. "Soldaten berichten in diesem Zusammenhang, daß sie sich mangels dienstlicher Gestellung Ausrüstungsgegenstände selbst beschaffen mußten." Immer wieder haben sich Soldaten beim Wehrbeauftragten darüber beklagt, daß sie im Einsatz Vorschriften, die im Inland sinnvoll sein mögen, sklavisch beachten müssen, obgleich sie dort sinnlos sind. So konnten im ehemaligen Jugoslawien Soldaten Alarmstellungen nicht beziehen, weil sie von der Arbeitsschutzaufsicht gesperrt worden seien. Fahrzeuge im Einsatz sind stillgelegt worden, weil man im Ausland die Abgassonderuntersuchung nicht termingerecht vornehmen konnte.
Sehr knapp gehalten ist der Abschnitt über "Sexualität und Bundeswehr", obgleich man von Soldaten, die im Auslandseinsatz waren, immer wieder hört, wie erheblich die Probleme gerade auf diesem Gebiet sind.
Immer noch bekommen Soldaten im Einsatz, die aus den neuen Bun-desländern kommen, weniger Sold als Wessis. Das führt zu Unzufriedenheiten, die von der Politik nicht beseitigt werden.
Daß die politische Führung unsere Soldaten, die im Ernstfall ihr Leben riskieren - und die zahlreichen Einsätze im Ausland sind bereits Ernstfall -, gering achtet, geht aus einigen im Bericht erwähnten Fällen hervor. So berichtet Penner, die politische und militärische Führung der Bundeswehr habe "uneingeschränkt betont, daß die Bundeswehr auch zu weiteren Einsätzen in der Lage" sei, und das "ohne daß die bisherigen Engagements reduziert werden müßten." Dazu Penner: "Das hört sich in der Truppe gelegentlich anders an. Immer wieder und verstärkt wiesen Soldaten darauf hin, daß die Möglichkeiten der Spezialisten, namentlich der Fernmelder, des Sanitätspersonals, der Pioniere und auch der Logistiker erschöpft seien. Die Politiker aber sehen offenbar darin keine Probleme.
An anderer Stelle wird berichtet, daß sich Offiziere und Soldaten des Instandsetzungsbataillons 7 aus Coesfeld "vorverurteilt" gesehen haben, als der Bundesverteidigungsminister Struck in einem Interview mit dem Stern behauptet hat, der Kommandeur habe "schwere Schuld" auf sich geladen, weil er verantwortlich sei für die Mißhandlung von Soldaten. Tatsächlich aber hat er sich, wie die Prüfung ergab, keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht. Minister Struck aber glaubte offenbar, politisches Kapital aus der Diskriminierung des Offiziers schlagen zu können.
Das Amt des Wehrbeauftragten ist offenbar bei den Rot-Grünen wenig beliebt. Anders ist es nicht zu erklären, daß, wie Penner einleitend in seinem Bericht sagte, trotz von ihm immer wiederholter Eingaben die Stelle seines Leitenden Beamten nicht besetzt wird, die seit einem halben Jahr vakant ist, da der vorherige Inhaber in den Altersruhestand gegangen ist. Bundestagspräsident Thierse wollte einen Beamten in das Amt drücken, der keinerlei Erfahrungen mit Bundeswehr und Soldaten hatte. Das lehnte Penner ab. Thierse aber beharrte auf den vermutlich parteifrommen, aber fachlich unqualifizierten Mann. Nun blieb Penner nichts anderes übrig, als seine Beschwerde dem Bundestag zu unterbreiten.
Nach der Lektüre des Berichtes kann man nicht anders, als unsere Soldaten, die unter dieser Regierung dienen müssen, zu bedauern.
Mit Transportpanzer "Fuchs" und Transportfahrzeug "Dingo" im Kosovo: Fast 7.000 Bundeswehrsoldaten sind derzeit im Ausland eingesetzt. Häufig erschwert ihr eigener Arbeitgeber ihnen den sowieso schon schweren Arbeitsalltag. |
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