|
Da gibt es einmal den unten abgebildeten, der am Haupteingang steht und nach der Wende aufgestellt worden ist. Sein Text zeigt das Bemühen, die deutsch-polnische Geschichte zu würdigen. An der Südostecke des Schlosses gibt es dann aber auch noch die links zu sehende kommunistische Altlast, die trotz aller deutsch-polnischer Verständigungsbemühungen überholte Greuelpropaganda verbreitet.
Nach langen, oft schwierigen Verhandlungen wird in diesem Jahr die Städtepartnerschaft zwischen Rastenburg und Wesel feierlich begangen und dieses unter Teilnahme hoher Vertreter beider Städte. Seit vielen Jahren gedeiht die Partnerschaft zwischen beiden Kreisen, die Gemeinde-Partnerschaft zwischen beiden evangelischen Kirchengemeinden und der Schü-leraustausch durch das Deutsch-Polnische Jugendwerk beider Städte. Vorletztes Jahr wurde in der alten Freimaurerloge im Stadtzentrum durch die Arno-Holz-Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung das Kulturzentrum eröffnet und heuer wird eine Lazarus-Station eingeweiht.
Die Geschichte der ostdeutschen Stadt reicht bis in die Zeit des Deutschen Ordens zurück. Im Kampf gegen die Litauer schützte sich der Orden am Rande der "Wildnis", der undurchdringlichen Urwälder Masurens, durch "Wildhäuser". Aus einem entstand später die Ordensburg Rastenbork/Rastenburg. Mit Kriegs-ende brannte die Burg, das Schloß, völlig aus. Polnische Restauratoren bauten sorgfältig die Festungsanlage wieder auf. Im Innern ist heute ein sehenswertes Museum untergebracht. Es zeigt in einem Saal die Geschichte der alten Kreisstadt bis 1945, gewissenhaft zusammengestellt von dem Mitarbeiter Tadeus Korowajder, der auch deutsche Friedhöfe erfaßt und restauriert.
Am Schloß wurden zu unterschiedlichen Zeiten zwei unterschiedliche Gedenksteine aufgestellt. Einer der Findlinge wurde unter der Regierung des 1. Sekretärs des ZK der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei, dem Altkommunisten Edward Gierek, 1972 eingeweiht. Geschützt durch den bronzenen polnischen Hoheitsadler ist in Bronzebuchstaben ein Text eingelassen. Kaum ein Pole liest oder verschwendet einen Gedanken an ihn, wenn er nicht nach der Wahrheit gefragt wird. Der Text ist peinlich, er ist eine kommunistische Lüge aus der Zeit der Konfrontation. In Übersetzung steht auf diesem Gedenkstein an der Südostecke des Schlosses: "Zum Gedenken der Ermordeten und zu Tode Gemarterten in den Kriegsgefangenen- und Durchgangslagern in der Stadt und im Kreis Rastenburg in den Jahren 1939 bis 1945."
Rastenburg darf für sich wohl in Anspruch nehmen, die einzige Stadt im südlichen Ostdeutschland zu sein, die trotz aller Verständigungsbemühungen auf beiden Seiten eine derartige kommunistische Altlast besitzt. Dieses wiegt um so schwerer als der Platz um den Gedenkstein Feierlichkeiten des Veteranenverbandes dient, zu dem auch der Verein der nach Sibirien Deportierten gehört.
Vor und zwischen beiden Weltkriegen, als der landwirtschaftliche Maschinenpark erst im Entstehen war, arbeiteten polnische Saisonarbeiter auf großen Höfen und Gütern. Sie hatten ihre eigene Unterkunft, kamen freiwillig Jahr für Jahr, teils mit ihren Familienangehörigen. Sie verdienten sich Geld fürs Überleben im Winter. Und sieht es heute anders aus?
Im Rastenburger Heimatbrief hatte M. Guddas Umfragen zu dem Wahrheitsgehalt des Denkmalstextes erbeten. Es gibt zahlreiche Zuschriften. Ein polnischer Historiker berichtet, daß alte Bewohner von 1945 nichts von Kriegsgefangenenlagern für Polen wüßten, sich auch nicht erinnern könnten. Zu Beginn des Krieges im Herbst 1939 waren polnische Kriegsgefangene provisorisch bei den Kasernen untergebracht. Dr. R. Vogel, die vor dem Krieg in Rastenburg lebte, teilt mit: "Ich selbst, Jahrgang 1930, kann mich an die Existenz irgendwelcher Lager in und um Rastenburg nicht erinnern, ebenso meiner Mutter und weiteren Bekannten sind solche nicht bekannt." Es gab Barackenlager für sowjetische Gefangene, genutzt als Unterkünfte, wie sie der Reichsarbeitsdienst auch hatte, so auch auf dem Gelände der Rastenburger Zuckerfabrik, getrennt nach Franzosen und Polen sowie Russen. Vor den Polen hatten die Franzosen die größte Bewegungsfreiheit. Vor allem die Russen wurden von Soldaten der Bewachungskompanie 5201 bewacht. Der 1. Zug lag in Barten. Diese Kompanie war für meist zu Landarbeit eingesetzte Gefangene bestimmt und zur Überwachung und Kontrolle in Betrieben. W. Müller berichtet von einer Begegnung mit einem Russen im Betrieb seines Vaters: "Er war Student und kam aus Kiew. Er hatte Vertrauen zu mir und sagte, daß Deutschland den Krieg nie gewinnen könne. Als Jungvolkjunge hätte ich den Vorfall melden müssen. Was wäre aus Theo geworden? Es war 1943." Die Russen aus der Zuckerfabrik wurden ausnahmslos wegen Kontakt zum Klassenfeind von ihren Befreiern 1945 erschossen. Ein Ermordeter wurde in 15 Ortschaften des Kreises ermittelt. Der Mörder wurde von Polen in Selbstjustiz gerichtet. In Schönfließ auf dem Hof Paehr ging eine Polin den Sowjets entgegen, um zu dolmetschen und zu vermitteln. Sie wurde sofort erschossen.
Zahlreich sind die Beispiele, wo Polen ihren deutschen Familien bei der Vorbereitung der Flucht halfen oder sich gar unter Einsatz ihres eigenen Lebens gegen Übergriffe der Miliz und sowjetischer Soldaten auf Deutsche einsetzten.
Massengräber gibt es im Kreis Rastenburg. Sie bergen Greise, Kinder, Frauen, Franzosen und Italiener, verscharrt in Panzergräben, Erdbunkern, Granattrichtern. Beispiele hierfür finden sich in Bäslack, Baumgarten, Bloskeimer Wald, Drengfurt, Henriettenhof, Langheim, Leuneburg, Podlechen und Rastenburg. Die Toten waren Unschuldige, Wehrlose, ermordet von einer wilden sowjetischen Soldateska. Im pommerschen Dorf Altsarnow haben die polnischen Dorfbewohner auf dem Friedhof einen Gedenkstein errichtet für die vertriebenen und umgekommenen Deutschen des Dorfes.
Nach Ansicht der Kreisgemeinschaft Rastenburg spielt der kommunistische Gedenkstein heute bei den Polen keine Rolle. Man wertet ihn als Relikt seiner Zeit. Natürlich ist dies ein rein polnisches Problem, kein deutsches, auch nicht eines der deutschen Volksgruppe vor Ort doch ist Polen Mitglied der Nato, gibt es ein deutsch-dänisch-polnisches Korps in Stettin, soll das Land 2004 Mitglied der EU werden. Polen muß nun eine Antwort finden zu dem Wahrheitsgehalt dieses Gedenksteines im Schutze seines Adlers, dem Symbol der Freiheit.
Das Argument von E. Deutsch: "Das Denkmal (...) wurde auf Geheiß der kommunistischen Machthaber errichtet. Bitte gefährden Sie nicht durch die Dis-kussion eines nicht mehr aktuellen Themas die Verständigungsbemühungen", kann so nicht gelten. Dieses an sich schöne Denkmal in bronzener Schrift abseits des Besucherverkehrs, geschützt vom polnischen Freiheitsadler, hätte einen anderen Text verdient, den der Versöhnung.
Nach der Wende, am 11. November 1997, weihte die Stadt einen anderen Gedenkstein am Haupteingang des Schlosses ein. Der Text auf diesem Findling zeigt das Bemühen, die gemeinsame Geschichte zu würdigen. Und wieder wacht der Adler über den bronzenen Buchstaben: "Die sich hier vom 20. bis 21.6.1807 befindliche Posener Division unter General Jan Henryk Dabrowski und General Zajacz-ka besetzte am 22.6.1807 Lötzen. Die Einwohner Rastenburgs errichteten diese Gedenktafel zur Erinnerung an dieses Ereignis, an das 200jährige Jubiläum der Entstehung der Nationalhymne und zum 650jährigen Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte der Stadt Rastenburg."
Der Sieg des Generals J. H. Dabrowski mit seiner polnischen Legion gegen die zaristischen Truppen wurde ein polnischer Mythos. Wenig bekannt ist das Gedicht Ludwig Uhlands "An Michiewicz". Es endet in zwei Strophen mit dem ersten Satz der polnischen Nationalhymne, "noch ist Polen nicht verloren", von Jóseph Wybicki. Seine Eltern sprachen zu Hause deutsch, Dabrowski schrieb Gedichte in Deutsch. Die "Handvest und erste Fundation der Stadt Rastenburg, anno 1357" ist in der Schrift "Rastenburg historisch-topographisch" aus dem Jahre 1880 nachzulesen. Dieser Gedenkstein vor dem Haupteingang fordert zum Gedenken an Tatsachen auf. Hans-Egon von Skopni |
|