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Gelegentlich wird man daran erinnert, daß es im 20. Jahrhundert nicht nur den Massenmord an Juden gab, sondern daß auch andere Völker verfolgt und ihre Menschen in Massen hingemetzelt wurden. Einen solchen Hinweis bekam man in diesen Tagen aus Potsdam, als ein „Förderverein Lepsius-Haus“ daran ging, eine ziemlich verfallene Villa vor dem Einsturz zu retten.
In diesem Hause hatte von 1907 bis 1925 der deutsche Theologe Johannes Lepsius gewohnt, der sich intensiv eingesetzt hatte für die Rettung der Armenier, die in der Zeit des Ersten Weltkrieg es grausamen Verfolgungen durch die Türken ausgesetzt waren. Lepsius hatte als Augenzeuge Verfolgungen erlebt und sich bemüht, den Armeniern zu helfen und die Öffentlichkeit auf die Greuel aufmerksam zu machen. Bei den Armeniern gilt Lepsius als „inoffizieller Heiliger“.
In der Öffentlichkeit ist Lepsius wenig bekannt. Der „Förderverein Lepsius-Haus“ will 1,6 Millionen Mark durch Sammlungen zusammenbringen. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg unterstützt ihn. Aber Förderanträge an das Land Brandenburg wurden bislang abgelehnt. Seitdem der Plan des Fördervereins bekannt wurde, hagelte es in Brandenburg und Berlin Proteste von türkischer Seite. Die Türken leugnen, daß von ihren staatlichen Stellen ein Völkermord an den Armeniern in Gang gesetzt wurde. Die Zahl der Opfer schwankt. Während amerikanische Forscher von 1,5 Millionen ermordeten Armeniern sprechen, gibt die türkische Seite 300.000 zu. Nun protestieren der türkische Generalkonsul sowie türkische Vereine gegen den Plan, zu Ehren des Armenier-Retters eine Gedenkstätte einzurichten. Die hier lebenden Türken haben angedroht, falls das Projekt „Lepsius-Haus“ verwirklicht werde, würden sie 200.000 Landsleute mobilisieren, um dagegen zu demonstrieren. Die Argumente der amtlichen türkischen Seite: Das Gedenkhaus zu Ehren von Lepsius und der ermordeten Armenier könnte zum Treffpunkt der armenischen Terroristen und zum Zentrum der armenischen Propaganda gegen die Türkei werden.
Sicherlich wird die amtliche deutsche Seite das Projekt sehr vorsichtig handhaben, darf sie doch nicht daran interessiert sein, daß das Verhältnis zur Türkei, über die die USA aus geopolitischen Gründen ihre schützende Hand halten, getrübt wird; auch, daß zwischen Israel und der moslemischen Türkei glänzende diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Zudem ist man in Israel überhaupt nicht angetan von der Idee, daß neben dem Holocaust an den Juden ein Holocaust an den Armeniern ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit dringt.
Bisher jedenfalls hat die israelische Regierung jahrzehntelang jede öffentliche Beschäftigung mit dem Völkermord an den Armeniern unterbunden, würde sie doch die Singularität der Shoa in Frage stellen. Dr. Hübner
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