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Hinter jedem Mann, der erfolgreich ist, steht eine Frau, die ihn stützt", sagt der Volksmund - und die Geschichte gibt ihm recht, meistens jedenfalls. Und so interessieren Doppel-Biographien, wie sie zur Zeit vermehrt auf den Markt kommen, besonders. Nach den Manns nun die Wagners: Minna und Richard Wagner - Stationen einer Liebe hat Eva Rieger, Professorin für Sozialgeschichte der Musik an der Universität Bremen, ihr Porträt der beiden so unterschiedlichen und doch voneinander so abhängigen Menschen genannt (Artemis & Winkler, Düsseldorf. 444 Seiten, sw Abb., geb. mit farbigem Schutzumschlag, 28 Euro). - Um es vorwegzunehmen: Wagnerianer werden nicht immer ihre helle Freude daran haben, wie der Charakter ihres Idols dargestellt wird, immer wieder scheinen die dunklen Seiten des Genies, seine Selbstüberschätzung, seine Selbstherrlichkeit Minna gegenüber, durch. Es ist ein ehrliches Buch, zum Teil entlarven d, deckt es doch die Widersprüche auf, die zwischen Wagners Autobiographie "Mein Leben", die er einst seiner zweiten Frau Cosima in die Feder diktierte und mit der er vieles schönte, und seinen Briefen zu finden sind, Briefe, die als "Zeugnisse einer selbstverständlichen Solidarität" zu Minna gewertet werden, die aber auch von tiefer Leidenschaft, ja gar von Abhängigkeit künden. Rieger zeigt die Zwiespältigkeit auf, mit der Richard Wagner leben mußte, und alle, die mit ihm leben wollten. Es ist aber auch ein Buch, das Einblicke gibt in das Leben einer Frau im 19. Jahrhundert, die - allen widrigen Lebensumständen zum Trotz - eigenständig und selbstbewußt war.
"Sie hatte Gazellenaugen", beschrieb sie Ferdinand Praeger 1892, "und ihre gutmüthige Freundlichkeit gegen jedermann gab ihrem Blick einen besonderen Reiz. Mit ihrem Aussehen im engsten Bunde war ihre sanfte Rede, die jeden einnehmen mußte. Im Hause war sie die Seele, die allen an den Augen absah, was ihnen Freude gewähren konnte, und ohne die geringste Aufregung alles that, jeden zufrieden zu stellen." Integer und unschuldig, nüchtern-hausbacken oder frivol, dumm und eine schlechte Schauspielerin - wie war Minna Planer, die 1836 Richard Wagner heiratete, wirklich? Minnas erster Biograph Friedrich Herzfeld urteilte: "Sie war, wie sie nun auch war, das Salz seines Lebens. Ohne sie fehlte ihm die Luft zum Atmen ..."
Begonnen hatte alles 1834 in Bad Lauchstädt, wo die Magdeburger Theatergesellschaft gastierte. Wagner war Musikdirektor, Minna Planer erste jugendliche Liebhaberin. "Während ich namentlich in den Sängerinnen der Oper nichts als jene wohlbekannten komödiantischen Karikaturen und Grimassen zu ersehen hatte, schied die schöne Schauspielerin durch ungezierte Solidität und elegante Sauberkeit, sowie durch Abwesenheit aller theatralischer Affektation und komödiantischer Gespreiztheit sich vollständig von ihrer Umgebung aus", so Wagner in seiner Autobiographie. Der Funke war übergesprungen. Nach anfänglichem Zögern gab Minna ihm schließlich ihr Jawort - in Königsberg, wo Minna ein Engagement am Schauspielhaus hatte. Auf Betreiben Minnas sollte der junge Komponist (seine Oper "Das Liebesverbot" war gerade in Magdeburg mit nicht großem Erfolg aufgeführt worden) dort die Stelle des Musikdirektors erhalten. Doch Wagner hatte in Königsberg kein Glück; die Stelle wurde nicht frei, und Wagner mußte sehen, wie er im "preußischen Sibirien" , so in einem Brief an Robert Schumann, seinen Lebensunterhalt bestritt. Als Hilfskapellmeister kam er einigermaßen über die Runden. Um so mehr klammerte er sich an Minna und überredete sie zur Eheschließung.
In der Königlich Preußischen Staats-, Kriegs und Friedenszeitung, der späteren Hartungschen Zeitung, las man am 19. November 1836, daß am 23. November zum Hochzeitsbenefiz für Fräulein Minna Planer "Die Stumme von Portici", eine Oper von Daniel Francois Esprit Auber, die bei der Aufführung 1830 in Brüssel zur belgischen Revolution führte, gegeben werden sollte (von Wagner inszeniert und dirigiert). Am 24. November 1836 dann wurden Minna Planer und Richard Wagner in der Tragheimer Kirche von Pfarrer Johann Friedrich Haspel getraut.
Wagner erinnerte sich an dieses denkwürdige Ereignis: "Die am Vorabend stattfindende Benefizvorstellung der ,Stummen von Portici , welche ich mit allem Feuer dirigierte, ging gut vonstatten und lieferte die erwartete gute Einnahme. Nachdem wir den Polterabend, vom Theater heimkehrend, still und ermüdet verbracht, nahm ich zum ersten Male Besitz von der neuen Wohnung" (Steindamm, Ecke Monken-, später Heinrichstraße), "ohne mich jedoch in das zur Hochzeit aufgeputzte Brautbett zu legen, wogegen ich auf einem harten Kanapee, übel zugedeckt, weidlich dem Glücke des kommenden Tages entgegenfror.
Nun setzte es mich des andern Morgens in angenehme Aufregung, als Minnas Habseligkeiten in Koffern und Körben bei mir ankamen; auch hatte sich das regnerische Wetter vollständig verzogen, die Sonne strahlte hell am Himmel; nur in unserem Gastzimmer wollte es nicht warm werden, und ich zog mir für lange Zeit die Vorwürfe Minnas wegen vermeintlich unterlassener Pflege der Heizung zu. Endlich kleidete ich mich in den neuen Anzug, für welchen ich einen dunkelblauen Frack mit goldenen Knöpfen erwählt hatte.
Der Wagen fuhr vor, und ich machte mich auf, die Braut abzuholen. Der helle Himmel hatte uns alle freundlich gestimmt; in bester Laune traf ich Minna in ihrem prächtigen, von mir ausgewählten Anzuge. Mit wirklicher Innigkeit und Freude im Auge begrüßte sie mich; das schöne Wetter für ein gutes Anzeichen erklärend, machten wir uns zu der plötzlich uns lustig dünkenden Trauung auf. Wir genossen die Genugtuung, die Kirche wie zu ei- ner glänzenden Theatervorstellung überfüllt zu sehen. Es kostete Mühe, bis zum Altar vorzudringen, wo uns die nicht minder weihevolle Versammlung unserer Trauungszeugen im theatralischen Putze empfing. Es war nicht eine wahrhaft befreundete Seele unter allen Anwesenden, denn selbst unser sonderbarer alter Freund Möller fehlte, weil sich für ihn keine schickliche Paarung gefunden hatte.
Das tief Ungemütliche, erkältend Frivole der Umgebung sowie des ganzen durch sie unwillkürlich beeinflußten Vorganges blieb nicht einen Augenblick meiner Empfindung fremd. Der Traurede des Pfarrers, von dem man mir später berichtete, daß er bei der früheren Muckerei, die Königsberg so unsicher gemacht hatte, nicht ganz unbeteiligt gewesen, hörte ich wie im Traume zu. Mir wurde nach einigen Tagen gemeldet, man trage sich in der Stadt mit dem Gerücht, daß ich den Pfarrer wegen in seiner Rede enthaltener gröblicher Beleidigung verklagt hätte: ich begriff nicht, was man meinte, und vermutete, daß ein Passus, welchen ich allerdings mit einiger Verwirrung vernommen hatte, zu jener Übertreibung Veranlassung gab. Der Prediger nämlich verwies uns für die leidvollen Zeiten, denen auch wir entgegengehen würden, auf einen Freund, den wir beide nicht kennten.
Einigermaßen gespannt, hier etwa von einem heimlichen einflußreichen Protektor, der auf diese sonderbare Weise sich mir ankündigte, Näheres zu erfahren, blickte ich neugierig auf den Pfarrer: mit besonderem Akzent verkündigte dieser wie strafend, daß dieser uns unbekannte Freund - Jesus sei, worin ich keineswegs, wie man in der Stadt vermeinte, eine Beleidigung, sondern nur eine Enttäuschung fand, während ich andererseits annahm, daß derlei Ermahnungen dem Ritus bei Trauungsreden entsprächen.
Doch war im ganzen meine Zerstreutheit bei dem im tiefsten Grunde mir unbegreiflichen Akte so groß, daß, als der Pfarrer uns das geschlossene Gebetbuch hinhielt, um darauf unsere Trauringe zu sammeln, Minna mich ernstlich anstoßen mußte, um mich zur Nachfolge ihres sofort gegebenen Beispiels zu ermuntern. Mir wurde es in diesem Augenblick wie durch eine Vision klar, daß sich mein ganzes Wesen wie in zwei ineinanderfließenden Strömungen befand, welche in ganz verschiedener Richtung mich dahinzögen: die obere, der Sonne zugewendete, riß mich wie einen Träumenden fort, während die untere in tiefem unverständlichem Bangen meine Natur gefesselt hielt.
Der unerhörte Leichtsinn, mit welchem ich die oft jäh sich aufdrängenden Vorstellungen des Doppelfrevels, den ich beging, ebenso schnell wieder zu verjagen wußte, fand einen freundlichen, für alles entschuldigenden Anhalt an der wirklich herzlichen Wärme, mit welcher ich auch das in ihrer Art und namentlich in ihrer Umgebung wahrhaft seltene und eigentümliche Mädchen blickte, das sich so rück-haltlos mit dem im Leben so ohne allen Rückhalt dastehenden jungen Mann verband. Es war Mittag 11 Uhr am 24. November 1836; ich war 23 Jahre und sechs Monate alt.
Bei und nach der Heimkehr aus der Kirche gewann meine gute Laune die volle Oberhand über alle Bedenken. Minna trat sogleich in wirtschaftliche Sorge für den Empfang und die Bewirtung der Gäste ein, die Tafel war gedeckt und ein reiches Gastmahl, an welchem auch der energische Stifter unserer Ehe, Abraham Möller, trotz einigen Verdrusses über seine Ausschließung beim kirchlichen Akte teilnahm, mußte für die zum großen Leidwesen der jungen Hausfrau vorgefundene und lange unbezwinglich bleibende Kälte des Zimmers ent- schädigen.
Alles nahm seinen gemeinen, eindruckslos vorübergehenden Verlauf; doch blieb mir die gute frische Laune noch bis zum anderen Vormittag zu eigen, wo ich meinen ersten Ausgang nach dem Stadtgericht zu nehmen hatte, um mich gegen Verklagungen zu stellen, welche aus Magdeburg von meinen dortigen Gläubigern nach Königsberg mir nachgesandt worden waren ..."
Über 26 Jahre bestand die Ehe zwischen diesen beiden im Temperament so unterschiedlichen Menschen. Umzüge, Geldnot und Schulden, Wutausbrüche und Eifer- suchtsszenen Wagners, große Versöhnung - immer wieder die gleichen Probleme, sie zermürbten die Frau und ließen sie schließlich sich abwenden von dem Mann, den sie doch einst so geliebt hatte. Später erkannte Minna: "Was warst Du denn als ich Dich heirathete? Du warst ein armer, verlaßner, unbekannter, unangestellter Musikdirector, und was standen mir damals für Aussichten bevor! Mein ganzes Thun und Schaffen in unserer Häuslichkeit war ja nur um Dir es recht zu machen, Dir zu gefallen und so von frühester Zeit an, that ich ja Alles aus Liebe, sogar meine Selbständigkeit die ich so hoch hielt, gab ich freudig auf, um Dir ganz angehören zu können." Und selbst Wagner sah ein: "Arme Minna! Das Schicksal hat Dich an einen der seltsamsten Menschen gebracht. Täglich mache ich die Erfahrung mehr, wie wenig ich eigentlich begriffen werde, wie allein und verlassen ich stehe! Welch Wunder, daß du sehr darunter zu leiden hast ..."
Eine Scheidung kam für Minna nicht in Frage. Erst vier Jahre nach ihrem Tod 1866 heiratet Richard Wagner Cosima v. Bülow, geborene Liszt, mit der er bereits drei Kinder hat. Minna aber wird die Frau bleiben, die ihm in Zeiten größter Entbehrung beistand, "eine Frau mit Herz und Verstand und viel Takt ... Wagner verlas ihr bis 1848 seine Texte und spielte ihr seine Werke am Klavier vor. Sie war ihm mit ihren Theatererfahrungen eine wichtige Partnerin ... seine wichtigsten Werke" entstanden "während ihres Zusammenlebens - selbst wenn man die letzten zerrütteten Jahre abzieht" (Rieger).
Minna Wagner: Die erste Ehefrau des Komponisten Richard Wagner wird von der Nachwelt sehr widersprüchlich gesehen Foto: Verlag nach einem Porträt von Alexander v. Otterstedt
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