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Steht wieder ein Putsch ins Haus? Vor sieben Jahren unternahm eine Gruppe orthodoxer Kommunisten den Versuch, Gorbatschow abzusetzen. Innerhalb von 48 Stunden scheiterte aber der August-Putsch von 1991 am Protest der Moskauer Bevölkerung und am raschen Überschwenken der Elitedivisionen. Marx meinte, weltgeschichtliche Ereignisse der Vergangenheit würden sich nur als Burleske wiederholen. Davon ist Oleg Moros nicht überzeugt. Der bestinformierte Kolumnist in Moskau prophezeit für die nahe Zukunft einen neuen Putsch, den "gospereworot" (Staatsumsturz ): "Die Luft in Rußland stinkt wieder nach Pulver und Blut", schreibt Moros in der "Literaturnaja Gaseta" vom 15. Juli. "Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Putsch kommt, ist heute so hoch wie nie zuvor." Der Unterschied zum 91er-Putsch, der nach Moros nur eine "Palastrevolte" gewesen ist, vollzieht sich heute in einer Revolutionierung von unten. Die Straße mobilisiert, die Massen wollen den Umsturz, all die Opfer des Haifischkapitalismus. Eine explosive Situation herrscht im Fernen Osten und im Kusbass, wo streikende Bergarbeiter strategisch wichtige Eisenbahnlinien blockieren und damit dem System Jelzin den Krieg erklären. Liberaldemokrat Oleg Moros, wahrlich kein Bewunderer proletarischer Putschisten, warnt vor einem "allgemeinen Volksaufstand".
Das besonders Gefährliche sei der Umstand, bemerkt er, daß die Kommunisten auf den Putsch-Zug aufgesprungen sind. Er erwähnt die "hochverräterischen" Aktivitäten der Duma-Abgeordneten Tschjunkow und Iljuchin. Diese würden die Streikführer ermuntern, "regierungsfreie" Zonen zu schaffen. Der Bazillus des Putschismus breite sich auch in der Armee aus. Nach dem mysteriösen Mord an General Lew Rochlin hätten die Kommunisten zur Befehlsverweigerung aufgerufen. Alle Offiziere sollten sich vom Jelzin-Regime lossagen und zu den Arbeitern überlaufen. "Dieser Aufruf beinhaltet den ,mjatesch", notiert Moros. Mjatesch, ein furchterregendes Wort in den Ohren der Herrschenden. Es bedeutet nicht nur Meuterei und Aufruhr, es schließt auch blutige Rache ein, Gemetzel.
Käme es zu einem "Putsch von unten", stünde die Jelzin-Nomenklatura auf verlorenem Posten, urteilt Moros. Bisher habe sich das Regime opportunistisch, feige verhalten und nicht den Willen gezeigt, "illegale" Schienenbarrikaden der Bergarbeiter mit Polizeigewalt zu beseitigen, auch wenn das zu einem Blutbad geführt hätte. Zudem, so Moros, stehe an der Spitze der Regierung ein macht- und ideenloser Ministerpräsident namens Kirijenko, den das Volk weder kenne noch respektiere. Eine Puppe in der Faust Jelzins. "Diese Regierung erinnert uns an das Gruselkabinett des unglückseligen Kerenskij", der betrieb ab 1917 eine Kriegsverlängerung zum Nutzen des britischen und französischen Kapitals. Diese Anspielung verweist darauf, daß interessierte Finanzkreise den Putsch so umleiten könnten, um ein diktatorisches Regime zu errichten, das dann auch Kräfte der nationalen Erneuerung Rußlands ausschalten könnte. W. S. / P. F.
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