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Vollkommen in ein gestreiftes Tuch gehüllt durchschreitet eine verschleierte Frau ein Stadttor. Drei Soldaten einer Reitereinheit blicken verwundert auf die ihnen einen so ungewohnten Anblick Bietende, die sich von den ihnen entgegenkommenden Fremdlingen wegdreht. Die Fremdlinge sind deutsche Soldaten, und das Stadttor steht in Mostar, Bosnien-Herzegowina , 1943/44. Dies ist nur eines von vielen Bildern des Fotografen Walter Henisch, der trotz jüdischer Herkunft als Kriegsfotograf in der deutschen Wehrmacht Karriere machte.
Von den Kriegsbildern seines Vaters schon als Kind wie magisch angezogen, beginnt Peter Henisch, der Sohn des in den 50er und 60er Jahren für harmlose Illustrierte fotografierenden Bildreporters Walter Henisch, mit über 30 Jahren seinen Vater nach den Geschichten zu den Bildern zu fragen. Mitten in den 70er Jahren verfaßt der Sohn dann den Roman "Die kleine Figur meines Vaters", in dem er ganz gegen den Strom seiner Zeit nicht seinen Vater für seine Dienste unter den Nationalsozialisten verurteilt, sondern dessen Verhalten zur Kenntnis nimmt und sogar zu verstehen versucht.
"Ich habe meine Arbeit geleistet, was dann der Herr Goebbels mit meinen Produkten getan hat, war nicht mein Bier. Sicher, ich habe mich den Anweisungen nicht widersetzt, aber was mache ich denn heute? Wenn man mir sagt, fotografieren Sie einen Dackel als Windhund, so fotografiere ich ihn als Windhund", so der Vater.
Ende letzten Jahres erschien nun im Wiener Historischen Museum eine Ausstellung zu den Bildern von Walter Henisch, in deren Rahmen auch der hochwertige Bildband "Brutale Neugier - Walter Henisch, Kriegsfotograf und Bildreporter" entstand. Die darin abgedruckte Auswahl der Arbeiten zeigen einerseits den Krieg, andererseits aber auch die Menschen im Krieg. Soldaten, Zivilpersonen, Erwachsene, Kinder, Russen, Jugoslawen, Deutsche, Lebende, Tote; immer steht zuerst der Mensch als Mensch im Mittelpunkt seiner Bilder, die die Nationalsozialisten für Propagandazwecke nutzten.
Aber nicht nur die sehr beeindruckenden Bilder, sondern auch Themen wie "Mit eigenen Augen gesehen", "Die Propaganda-Kompanien der Wehrmacht 1938 bis 1945" und "Bilder von Unschuld, Wiederaufbau und Konsumglück" werden in dem Buch aufschlußreich behandelt.
Zwar ist "Brutale Neugier - Walter Henisch, Kriegsfotograf und Bildreporter" mit 36 Euro verhältnismäßig teuer, aber die eindrucksvollen Bilder haben wirklich eine magische Anziehungskraft, da sie mehr über den Krieg und die Menschen in ihm aussagen als so mancher dazu verfaßte Text. Fritz Hegelmann
Christian Stadelmann, Regina Wonisch (Hrsg.): "Brutale Neugier - Walter Henisch, Kriegsfotograf und Bildreporter", Verlag Christian Brandstätter, Wien 2003, Hardcover, 100 Abb., 128 Seiten, 36 Euro
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