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Gott mit uns." Diese anspruchsvolle Losung zierte die Koppelschlösser deutscher Soldaten bis 1945. Sie kam aus der Tradition preußischer Militärfrömmigkeit und aus dem Geist der Befreiungskriege.
Als die Reste von Napoleons Großer Armee 1812 aus Rußland flüchteten, faßte ein deutscher Primaner den verheerenden Eindruck in einem Lied zusammen: "Mit Mann und Roß und Wagen, so hat sie Gott geschlagen ..." Für die Zeitgenosse n war der Untergang der Großen Armee ein Gericht Gottes über den ruchlosen Völkerbedrücker: Gott griff also doch noch, wie es schon das Alte Testament gezeigt hatte, in die Geschichte ein. Lag es da nicht nahe, bei der preußischen Erhebung und dem Bündnis der Monarchen Gott als einen großen Alliierten anzusehen? In diesem Sinne: "Gott mit uns!"
Nachdem Napoleon in den Jahren zuvor von deutschen Opportunisten zum Abgott erhoben worden war, wurde er nun zum Dämon umstilisiert. Der Tyrann, in zahlreichen Flugschriften als "Wüterich", "Blutsauger", "Völkergeißel", "Weltzerstörer" und so weiter dargestellt, war nun ein "menschgewordener Satan". So hält beispielsweise in einer Karikatur ein grinsender Teufel Napoleon als Wickelkind in seinem Arm. Bildlegende: "Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." (Ironische Anspielung auf die Stimme, die bei Jesu Taufe im Jordan erklang.) Der Kampf gegen Napoleon wurde so zu einem heiligen Krieg.
Eine emotional zutiefst aufgewühlte Öffentlichkeit war daher empfänglich für die Parole, mit der die Preußen zur Volkserhebung aufgerufen wurden: "Mit Gott für König und Vaterland!" Nur ein geringer Prozentsatz der preußischen Bevölkerung war damals schon durch die Auswirkungen von Aufklärung und Säkularisierung dem Christentum entfremdet. Daher traf Ernst Moritz Arndts Schrift "Was bedeutet Landsturm und Landwehr?" durchaus das Empfinden der meisten preußischen Krieger: "Zieht eine Landwehr aus der Heimat gegen den Feind, so ist feierlicher Gottesdienst und Einsegnung; die ganze Mannschaft empfängt das heilige Abendmahl zum christlichen Gedächtnis und zu christlicher Freudigkeit und geht so mit Gott, wie er es will, in den Sieg oder in den Tod." Die Geistlichen waren angewiesen, die Wehrmotivation aus der religiös getönten Zielsetzung zu bestärken: "So gilt es auch jetzt, da unsere vaterländischen Krieger ausziehen, da unser ganzes Volk sich gleichsam zum Kampf rüstet, eine heilige Sache, es gilt den König und das Vaterland, es gilt unseres Volkes Wohl, das Wohl eines großen Teils der Menschheit ..."
Das alles verdichtete sich im militärischen Symbol des Eisernen Kreuzes, das Friedrich Wilhelm III. am 10. März 1813 als Orden stiftete und das an das Kreuz der Deutschordensritter erinnerte. Formgleich mit dem Eisernen Kreuz war das Zeichen, das der König, angeregt durch das russische Landwehrkreuz, der preußischen Landwehr verlieh. Immer wieder wurde den Soldaten der Sinngehalt dieses Kreuzes verdeutlicht: "Das ist das Zeichen, womit ihr ausgegangen seid, ihr tragt es noch heute auf eurer Stirn (an den Tschakos), da heißt es: mit Gott für Vaterland und König! ... Mit Gott soll Preußens Adler in eurer Mitte stehen und fliegen ..."
Bei Feldgottesdiensten wurde es üblich, daß (ähnlich wie im frommen russischen Militärbrauchtum) anläßlich eines Siegesdankes alles niederkniete - vom Monarchen bis zum schlichten Trainknecht. In seinem Soldatenlied heißt es: "Der König von Preußen kniet nieder, / Dazu sein ganzes Heer: / Nun singet Dankeslieder: / Gott sei allein die Ehr." Diese Haltung des Königs stand in starkem Kontrast zu dem, was über Napoleon verbreitet wurde: Der Kaiser, unreligiös wie er war, schnupfte, am Hochaltar stehend, Tabak.
"Mit Gott für König und Vaterland" war damals keine blutleere Floskel, sondern ein nationalpolitisches Credo der Preußen. Lassen sich in manchen Aufrufen gegen die französischen Feinde auch Töne nationaler Überhitzung feststellen, so blieb doch damals weitgehend noch die Vorstellung erhalten, Gott sei der "Herr und Vater aller Nationen", wie es im Gebet am Tage des allgemeinen Dankfestes 1814 hieß. Gott wurde angefleht: "Setze überall ein Ziel dem Blutvergießen und den Verwüstungen des Krieges ... Sende den Geist der Versöhnung zu allen Mächten der Erde."
Im deutschen Bruderkrieg 1866 griff Wilhelm I. auf die Losung von 1813 zurück: "Flehen wir den allmächtigen Gott, den Lenker der Schlachten, an, daß er unsere Waffen segnet ... Gott mit uns." 1870, im Reichseinigungskrieg gegen die Franzosen, sagte Wilhelm I.: "In diesem Kampfe, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen, als den Frieden Europas dauernd zu sichern, wird Gott mit uns sein, wie er mit unseren Vätern war." Wilhelm II. beschwor am 6. August 1914 ebenfalls die Tradition preußischer Militärfrömmigkeit: "Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war."
Ganz sicher wurde im 20. Jahrhundert das "Gott mit uns" von vielen Soldaten nicht mehr so stark verinnerlicht wie zur Zeit der Befreiungskriege. Dies war eine Folge von Industrialisierung und Verstädterung sowie der verschiedenen Schübe gesellschaftlicher Säkularisierung. Die fürchterlichen Schrecken des technisierten Krieges und die moralischen Verwerfungen der Weltbürgerkriegssituation machten es zudem zunehmend schwerer, im soldatischen Einsatz noch eine gerechte und gottgefällige Sache zu erkennen.
Wenn wir am Volkstrauertag aller unserer Soldaten gedenken, die unter der Losung "Gott mit uns" ehrenhaft gekämpft und ihr Leben eingesetzt haben, so können wir dies als Christen durchaus angemessen tun. Indem wir nämlich über die bloße Trauer hinaus Gott bitten, daß er die Gefallenen in seiner unergründlichen Barmherzigkeit seiner ewigen Gegenwart teilhaftig werden lasse. |
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