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Mit Schrotthaufen gegen den Terrorismus?

 
     
 
Rußland setzt auf den Tourismus. Doch nicht Pauschalurlauber am Schwarzen Meer oder Bildungsreisende in St. Petersburg allein sollen die Kassen zum Klingen bringen. Man buhlt um den Abenteurer. Nicht den mit Rucksack und Turnschuhen freilich, sondern um den solventen Gast, der eigentlich schon alles hat und überall war - nur noch nicht im Kommandostand eines Kampfpanzers in schwierigem Gelände oder gar auf dem zweiten Sitz im Cockpit eines Abfangjägers in 20.000 Fuß über Grund.

Rußland vermarktet seine Streitkräfte. Gegen harte Dollar und Euro öffnet Moskau West-Zivilisten sogar einige seiner bislang sorgsam abgeschotteten Militärbasen. Schießen mit Kalaschnikow und Schützenpanzer-Kanone - kein Problem. Vollgasfahrt mit dem Kampfpanzer in der Steppe - wenn s die Wirbelsäule mitmacht! Looping und Faßrolle in der Mig 29 - bis zum Erbrechen!

Die Militärs machen den Zivilisten nicht aus Jux und Tollerei den Kutscher. Die Armee, seit Ende des Kalten Krieg
es in ihrer tiefsten Existenzkrise, braucht jeden Cent, um Menschen und Material in Gang zu halten. Für die Dollars (rund 2000 für eine Fahr-, 6000 für eine Flugstunde) kann Sprit gekauft werden, damit wenigstens ein Teil der Ausbildungs- und Übungsroutine absolviert werden kann.

Von den 2.733 Flugzeugen der taktischen Luftwaffe, so listete unlängst das Hamburger Abendblatt auf, sollen nach geheimen Plänen des Kreml in den kommenden zwei Jahren 1.700 wegen Überalterung aus dem Verkehr gezogen werden. Nur vier der 28 SU 27-Jäger des Fliegerregiments 209, das den südrussischen Luftraum verteidigen soll, sind tatsächlich einsatzbereit. Die Piloten des Verbandes absolvierten im vergangenen Jahr jeweils 21 der vorgeschriebenen 115 Flugstunden. Und von den neun U-Booten der Schwarzmeerflotte kann eins auslaufen, schreibt das HA.

Während hierzulande über den Zustand der noch immer leidlich fahrbereiten "Marder"-Schützenpanzer oder überalterten "Transall"-Transporter lamentiert wird, hat der größte Teil des russischen Großgerätes die Klassifizierung "Schrott" wirklich verdient. Tragische Beweise für den eklatanten Mangel lieferten einmal mehr die Flugunfälle in diesen Tagen.

Womöglich müssen die Militärs Hoffnungen an eine Entwicklung knüpfen, die sie selbst am allerwenigsten erwarten konnten: Weil US-Präsident George W. Bush zugestanden hat, Rußland mittlerweile als engen Verbündeten der Vereinigten Staaten zu sehen und Präsident Wladimir Putin im Kampf gegen den internationalen Terrorismus an seine Seite zu holen, müssen auch Ausstattung und Versorgung der Soldaten deutlich aufgewertet werden.

Für Putin gerät das zum Überlebenskampf: Kann er die Situation von Offizieren und Mannschaften nicht alsbald entscheidend verbessern, droht im Land - dessen sind sich Experten sicher - ein Putsch der Militärs. Die Kommandeure werden nicht mehr lange mit ansehen, daß neben "Alteisen" nicht noch Alkohol- und Drogenkonsum die Kraft schwächen, sondern mittlerweile sogar der tägliche Kampf gegen den Hunger.

Was das für die Stabilität in Europa bedeuten könnte, sollten sich westliche Politiker vorsorglich schon mal ausmalen. E. Wenze
 
     
     
 
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