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Mit der Regierung Bush hat es in den USA eine besondere Bewandtnis. Einesteils kann sich das offizielle Washington im Lichte einiger Erfolge sonnen: einmal der Verhaftung Saddam Husseins in einem Erdloch bei Tikrit, dann aber auch sticht die plötzliche butterweiche Nachgiebigkeit einiger "Schurkenstaaten" ins Auge. Libyen mit seinem erratischen Staatschef Oberst Ghaddafi ist nur das hervorstechendste Beispiel. Man kann also durchaus von einer Erfolgsserie amerikanischer Politik sprechen, die aber auf Angst beruht: Es ist die Angst orientalischer Gewaltherrscher, eines Tages ebenso wie Saddam Hussein auf demütigende Weise der international en Öffentlichkeit "vorgeführt" zu werden.
Wie lange diese Angst und damit der amerikanische Erfolg anhalten, steht auf einem anderen Blatt. Eines nicht allzufernen Tages kann sich die Angst auch in ihr Gegenteil verkehren. Die Irak-Lage ist um so undurchsichtiger, als der Widerstand - sei es fundamentalistisch-islamischer oder auch saddamtreuer Kräfte - mit der Verhaftung des Diktators keineswegs gebrochen wurde (hier zeigt sich die erste amerikanische Fehleinschätzung). Eine Art Guerilla, gepaart mit Terrorismus brutalster Art, hat sich entwickelt. Seltsam daran ist, daß der Widerstand, anders als zum Beispiel in Palästina, nicht in der Verantwortung einer Organisation und weitgehend ohne politisches Programm erfolgt. Man muß immer noch rätseln, wer denn die "Absender" der verschiedenen Selbstmord-attentate in Bagdad sind.
Hinzu kommt die inneramerikanische Situation: Bushs ehemaliger Finanzminister, der sich im Streit vom Weißen Haus trennte, übt in einem Buch heftige Kritik an Fehlentscheidungen des US-Präsidenten. Sogar Außenminister Colin Powell nahm dieser Tage in der Frage der "Massenvernichtungswaffen" - im Gegensatz zu früheren Aussagen - eine vorsichtigere Haltung ein. Es sei nicht erwiesen, daß der Irak überhaupt solche Waffen besessen habe, sagte der Außenminister. Damit steht die gesamte Begründung für das militärische Irak-Unternehmen der USA auf äußerst wackeligen Beinen.
In dieser Situation hat in Frankreich ein Buch des Politologen und Bestseller-Autors Eric Laurent Furore gemacht. Das Buch unter dem Titel "Die neue Welt des George W. Bush" ist in deutscher Übersetzung im S. Fischer-Verlag erschienen - einer Adresse, der man nun wirklich nicht die übliche Antisemitismus-Keule zwischen die Beine werfen kann. Laurents These ist ebenso einfach wie verblüffend: Nicht so sehr die israelisch-zionistische Lobby und auch nicht die vielzitierte "Ostküste" der USA hätten Bush mit seiner proisraelischen und antiarabischen Politik an die Macht gebracht - sondern die ultrakonservativen Protestanten des "Bible Belt" im Süden der USA. Ein Bündnis der ganz schlichten Protestanten, welche darauf bestünden, die Bibel nur wortwörtlich auszulegen, mit dem Staat Israel und einer starken, vor allem im Rüstungs- und Erdölbereich einflußreichen Gruppe - Wolfowitz und Perle sind hier zwei Namen für viele - bestimmten den Kurs der gegenwärtigen US-Politik. Zur "Vision" des heutigen US-Präsidenten gehöre, wie Laurent schreibt, eine "ehrgeizige Umgestaltung der Welt durch verschiedene, notfalls auch unilaterale Maßnahmen" - und zwar, "um das Leid zu vermindern und Frieden zu schaffen".
Gleichzeitig weist der französische Autor darauf hin, daß Präsident Bush mit Büchern nicht viel anfangen könne. Bush wörtlich: "Ich verlasse mich lieber auf meinen Bauch." Bushs Instinkt stelle praktisch seine zweite Religion dar. Bush sei das Produkt der "äußerst konservativen und religiösen Staaten im Süden der USA", in denen "die Gläubigen die Schriften der Bibel wörtlich befolgen". Im Bibelstudium habe Bush jun. mentalen Ausgleich und geistige Disziplin gefunden, um sein inzwischen überwundenes Alkoholproblem zu bewältigen.
Bei Bush gebe es einen Hang zu festen Meinungen und zu Schwarz-Weiß-Denken bei der Lösung von Problemen. Nach dem New Yorker Terrorüberfall vom 11. September prägte Bush den Satz: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns." 1986 wurde Bush "wiedergeboren": er entdeckte Gott aufs neue. Im Gegensatz zu seinem Vater, Bush senior, der bei der Wiederwahl gegen den Demokraten Bill Clinton durchfiel, kümmerte sich Bush junior intensiv um die sogenannten "christlichen Konservativen", die fast 18 Millionen Wähler stellten. Bush senior hatte in den Augen dieser "Konservativen" den unverzeihlichen Fehler begangen, Israel unter Druck zu setzen. Hier zeigte sich, daß die "christlichen Militanten" kompromißlos der Position der israelischen Rechten folgen. Laurent spricht von einem "ziemlich befremdlichen und zweideutigen
Bündnis". Laurent zitiert zwei US-Journalisten, die nach ausgiebigen Recherchen über den US-Präsidenten erklärten, "daß Bush von der Gewißheit beseelt sei, mit einer göttlichen Mission betraut zu sein".
Bei einem Treffen mit Vertretern protestantischer Kongregationen legte Bush so etwas wie ein Geständnis ab. Er sagte: "Wissen Sie, ich hatte Probleme mit Alkohol. Eigentlich müßte ich jetzt in einer Bar in Texas sitzen und nicht hier im Oval Office. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum ich hier und nicht in jener Bar bin: Ich habe zum Glauben zurückgefunden, zu Gott. Nur die Kraft des Gebets hat mich hierhergebracht." Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer bezeichnete dies als eine "gefährliche Aussage". Schon der dänische Philosoph Kierkegaard habe als erster erkannt, "daß wir nie mit Gewißheit sagen könnten, wohin uns unsere Gebete führen. Wenn wir glauben, Gott am nächsten zu sein, helfen wir vielleicht gerade dem Teufel."
Der französische Autor - ganz in der laizistischen Tradition seines Landes - bemerkt süffisant, das gesamte Personal des Weißen Hauses sei gehalten, an täglichen Bibelgruppen teilzunehmen. Der Präsidentensaal wirke wie ein großer Gebetssaal, "in dem die Männer zwischen zwei gemeinsamen Lesungen des Alten oder des Neuen Testaments die Geschäfte Amerikas und der Welt führen".
Für Bush verkörpere Osama bin Laden das "Böse" schlechthin. Im November erklärte der US-Präsident in einem Newsweek-Interview, daß Saddam Hussein für ihn ebenfalls das "Böse" verkörpere. Daraus entwickelte sich dann die "Achse des Bösen": Irak, Iran und Nordkorea. Ein US-Experte meint: "Bush steht dem messianischen und apokalyptischen Gedankengut der militanten evangelischen Christen nahe. Er teilt ihre Weltanschauung, daß zwischen dem Guten und dem Bösen ein gigantischer Kampf im Gange ist, der seinen Höhepunkt in einer letzten Schlacht erreichen werde. Menschen, die diesem Glauben anhängen, gehen häufig unangemessene und erschreckende Risiken ein, denn sie meinen, daß alles dem göttlichen Willen unterliegt."
Aus der Sicht eines militanten Christen befinde sich Amerika in einem bedauernswerten Zustand. Lasterhafte Unterhaltungsmedien, die Kinder könnten zwar kaum lesen, aber vom Sex verstünden sie etwas. Daher sei in den Augen konservativer Patrioten der jetzige Krieg die bestmögliche Lösung. Das französische Buch kommt dann auf umfangreiche Geschäfts- und Finanzinteressen im Zusammenhang mit irakischem Erdöl und dem Nahen Osten zu sprechen. Besonders interessant ist die vom Autor behauptete Verbindung zwischen dem Staat Israel und den "christlichen Zionisten". Diese folgen lediglich dem Ruf Gottes - wie sie sagen -, wenn sie die großisraelische Politik des Likud unterstützten. In den USA liege der Kirchenbesuch 20mal höher als in Westeuropa. Dabei betrachteten die "christlichen Zionisten" das Bündnis mit Israel als eine im Grunde vorübergehende Angelegenheit, schreibt Laurent. Manche jüdischen Führer Amerikas würden durchaus erkennen, daß die christlichen Zionisten das jüdische Volk nicht wirklich liebten. "Ich glaube, daß wir in Israel den schwierigsten Konflikt der Epoche erleben", schreibt Eric Laurent. Der Widerstand der Palästinenser werde sich durch eine Schwächung Syriens nicht bewältigen lassen. Der Sturz weiterer arabischer Führer beinhalte große Risiken. Ariel Sharon wende auf den hebräischen Staat das gleiche Rezept an, wie es die "Falken" in den USA gegenüber arabischen Staaten praktizieren wollten. An der Spitze der Weltmacht Amerika stehe ein gänzlich "unintellektueller" Präsident.
Und Laurent zitiert eine nachdenkliche Stimme aus dem Bush-Lager: Amerika laufe Gefahr, mit dieser Politik in der ganzen Welt eines Tages allein zu bleiben. Allen anderen schaudere vor soviel Selbstgerechtigkeit.
Religiöser US-Präsident: Bush findet nach eigenen Aussagen im Bibelstudium einen mentalen Ausgleich. |
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