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Morgenthaus Schatten

 
     
 
Obwohl dem deutschen Staat die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten seit Beginn der Steuererhebung zur Verfügung stehen, reicht das Geld immer noch nicht aus. Unsere Regierenden schaffen es einfach nicht, wachsende Ausgaben einzugrenzen und das "Steuerloch" der Bundesrepublik zu stopfen. Steuern zu zahlen macht niemandem Spaß. Bei uns ist es eine Katastrophe.

Nicht einmal Fachleute können sagen, wie eine korrekte Steuererklärung auszusehen hat. Fast jeder Bürger begeht mit der Unterschrift unter seine Steuererklärung, mit der er die Richtigkeit seiner Angaben bestätigen soll, zumindest eine Ordnungswidrigkeit. Wieso? Zu viele Gesetze. Es kommt nicht von ungefähr, daß das Schrifttum über das deutsche Steuerrecht mehr als zwei Drittel der Literat
ur über Steuerrecht in der Welt überhaupt ausmacht. Es sind die Ausnahmeregelungen und Absetzmöglichkeiten, die, einem wuchernden Dschungel gleich, die klare Sicht versperren, wo Weitsicht notwendig wäre. Und warum? Um diese Frage zu klären, sollte man besser fragen: Woher kommt das? Wer hat diese Umstände verursacht?

Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Professor Dr. Paul Kirchhof gibt eine Antwort auf diese Fragen. Bekanntlich ist der "Morgenthau-Plan", mit dem die Siegermacht USA Deutschland nach 1945 zunächst auf den Stand eines unterentwickelten Agrarstaats zurückwerfen wollte, nicht durchgeführt worden. Was blieb, war die Vertreibung, die "Nürnberger Prozesse", die "Entnazifizierung" und die Besatzung des vielfach geteilten Deutschland.

Was hat das alles mit dem deutschen Steuerrecht zu tun? Nun, von dem Plan, Deutschland zum Kartoffelacker zu machen, ist etwas übriggeblieben: unser deutsches Steuerrecht. Die Alliierten diktierten der entstehenden Bundesrepublik in den Jahren 1947 bis 1951 einen Höchststeuersatz von 95 Prozent, so Professor Kirchhof in seinem Aufsatz "Staatsmodernisierung und Steuerreform". Die Vorgabe der Alliierten findet sich im Kontrollratsgesetz Nr. 12 vom 11. Februar 1946 und stellt die höchste Besteuerung in der deutschen Steuergeschichte dar. Das Gesetz Nr. 12 ging auf Ideen von John Maynard Keynes zurück. Er war Chefunterhändler des britischen Finanzministeriums bei der Ausarbeitung des "Versailler Vertrages". Damals konnte er sich mit seinen Vorstellungen noch nicht durchsetzen. Sein Werk "Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages" aber bildete die Grundlage für die Haltung der Westalliierten 1945.

Zwar waren die Steuern von der Reichsregierung schon 1939 mit einem "Kriegszuschlag" um 50 Prozent angehoben worden, doch wurde gleichzeitig ein Höchstsatz von 67 Prozent festgelegt. Nun schafften die Besatzer neue Verhältnisse, einen Spitzensteuersatz von 95 Prozent für Einkommen über 100.000 Reichsmark. Aber auch kleinere Einkommen wurden massiv besteuert: ab einem Einkommen von 7.200 RM mit 48 Prozent, ab 60.000 Reichsmark mit 90 Prozent. Dies wäre der wirtschaftliche Tod Deutschlands gewesen.

Die werdende Republik tat das Notwendige. Sie schuf Steuergesetze, die Ausnahmemöglichkeiten enthielten, um einen Wiederaufbau möglich zu machen und den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Allerdings war dieses Vorgehen nicht ohne Schwierigkeiten durchzusetzen. Die sogenannte "Juni-Initiative" der deutschen Steuerrechtler 1946 zur Einrichtung eines "Junitarifs" wurde von den Besatzern abgelehnt. Im Jahre 1949 wurde ein neuer Versuch gestartet. Der "Junitarif" zur Abmilderung der hohen Steuersätze scheiterte aber wieder am Alliierten Kontrollrat. Zwar war schon 1947 mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 16 eine pauschale Abschreibungsmöglichkeit gewährt worden, doch war dies nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch das Kontrollratsgesetz Nr. 64 vom 20. Juni 1948, durch das der Höchststeuersatz "nur noch" auf Einkommen über 250.000 Reichsmark angewandt wurde, schuf nicht die erwartete Erleichterung. Ein neuer Vorstoß von deutscher Seite war die Einführung einer sogenannten "Siebener-Gruppe" zur Absetzbarkeit von Werbekosten und ähnlichem. Da diese Regelung aber undurchsichtig und kompliziert war, verfehlte auch sie ihre volle Wirkung. Trotzdem schaffte diese Tarifsenkung durch die Hintertür eine Grundlage für den Wiederaufbau. Bis 1951 blieb der Höchststeuersatz von 95 Prozent bestehen, und erst mit dem Einkommensteueränderungsgesetz vom 27. Juni 1951 wurde dieses wirtschaftliche Hindernis auf 80 Prozent gesenkt.

Der Plan von Morgenthau und ähnliche Vorhaben gingen nicht auf. Steuerrechtlich aber fing nun eine Misere an, auf deren Höhepunkt wir uns heute befinden. Wie nun herauskommen? Auch zu dieser Frage hat Professor Kirchhof eine Antwort. Schon vor zwei Jahren stellte er einen kleinen Kreis von unabhängigen Experten zusammen und schrieb mit diesem ein neues Bundessteuergesetzbuch. Darin fehlten nur noch die Regelung zur Versteuerung von Mieteinkünften und das Bilanzsteuerrecht.

Diese Lücken füllte der Kirchhof-Kreis jetzt und stellte das nunmehr fertige Gesamtwerk im Dezember dieses Jahres der Öffentlichkeit vor. Grundforderung: Spitzensteuersatz von 25 Prozent, nur vier Steuerarten statt der bisher 36, Wegfall von Subventionen, ein steuerfreies Grundeinkommen von 8.000 Euro für jeden. Nach Kirchhof soll es nur noch Einkommens-, Umsatz-, Erbschafts- und Verbrauchersteuern geben. "Das Ausfüllen der Steuererklärung ist zukünftig nur noch eine Sache von Minuten", so der ehemalige Verfassungsrichter, der in einem verständlichen Steuerrecht auch die Verwirklichung eines Verfassungsanspruchs sieht.
 
     
     
 
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