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Musikfreunde, speziell die der Werke Richard Wagners, erwartet im Herbst ein ganz besonderes Ereignis. Im Oktober wird der berühmte "Ring des Nibelungen" in voller Länge aufgeführt, und das an einem spektakulären Ort: der Jahrhunderthalle in Breslau. Der gewaltige, von 1911 bis 1913 errichtete Bau bringt noch heute die Architekt en zum Staunen. Entworfen wurde er von dem 1870 in Stettin geborenen Max Berg, der von 1909 bis 1925 als Stadtbaurat in Breslau wirkte, konstruiert von dem Ingenieur Trauer. Die Halle aus Stahlbeton wurde zu einem "Horazschen ,monumentum aere perennius , zu einem Denkmal dauerhafter als Erz", wie der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt betont. "Das mag mit ihrer Anfangsbestimmung zusammenhängen", so Pehnt. "In der Tat war sie als Denkmal errichtet worden, zum 100. Jahrestag des Befreiungskrieges gegen Napoleon. Eröffnet wurde sie mit einem Festspiel, das der schlesische Hausdichter Gerhart Hauptmann in Knittelversen reimte und der Berliner Regiestar Max Reinhardt inszenierte."
Wenn auch die Namen der beteiligten Künstler an der Aufführung im Oktober nicht ganz so illustre sind wie bei der Eröffnung, so wird doch die Hauptdarstellerin aus Beton die Besucher beeindrucken. Mit 67 Metern Durchmesser übertrifft die größte Massivkuppel der Welt sogar das Pantheon in Rom um die halbe Spannweite, und das Gebäude ist dreimal so groß wie der Petersdom. Atemberaubend dieser 42 Meter hohe Raum mit seinen 95 Metern Spannweite.
Neben dem Zentralbau findet sich eine Kolonnade, die von Hans Poelzig entworfen wurde. Der Berliner Poelzig war 1900 nach Breslau gegangen, um an der dortigen Kunst- und Kunstgewerbeschule zu lehren. Poelzig entwarf auch ein Ausstellungsgebäude mit vier Kuppelsälen, das sich ebenfalls neben der Jahrhunderthalle befindet.
Und nun die Aufführung aller vier Teile von Wagners "Ring" in diesem einmaligen Bauwerk, das von Kennern neben dem Eiffelturm als technisches Meisterwerk besonderer Art geschätzt wird. "Breslau ist", so die Veranstalter, "mit diesem Werk Wagners auf eine außergewöhnliche Weise verbunden: Als der deutsche Architekt Max Berg die Pläne entwarf, die 1913 zum Bau der Jahrhunderthalle führten, um deren Aufnahme in die Liste des durch die Unesco zu schützenden Weltkulturerbes heute geworben wird, beruft er sich für die Architektur dieses Gebäudes ganz direkt auf das Opernwerk von Richard Wagner und sieht in ihrer Konstruktion eine Materialisierung des mythischen Walhalls, jenes in den nordgermanischen Sagen überlieferten Göttersitzes, der ihm über das Wagnersche Drama faßbar geworden war."
Ein 120köpfiges Orchester, ein Chor mit 150 Mitgliedern und Solisten internationaler Opernbühnen unter der Leitung der Intendantin der Breslauer Oper, Prof. Ewa Michnik, und der Regie von Hans Peter Lehmann werden die Zuhörer in ihren Bann ziehen. Das gigantische Bühnenbild ist 50 Meter lang und 28 Meter hoch. "Multimediale Effekte und Filmprojektionen in dem zentralen Stahlbetonkuppelbau der Breslauer Jahrhunderthalle werden die Zuschauer begeistern", sind sich die Veranstalter sicher. "Die hervorragende Symbiose zwischen der Architektur der Jahrhunderthalle und der Botschaft des Operndramas verleiht der Breslauer Aufführung eine Einzigartigkeit, die in ganz Europa ihresgleichen sucht."
Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg werden in der Stadt, die einst für ihre "Wagnernächte" berühmt war, Kompositionen von Richard Wagner erklingen. "Die Darstellung des Wagnerschen Dramas durch ein polnisches Theater eben hier in Breslau hat eine große Bedeutung", betonen die Veranstalter, "ist sie doch dazu angetan, die 50 Jahre andauernden Vorurteile zu widerlegen, die das Verhältnis der Polen zum Werk des hervorragenden deutschen Komponisten in der Nachkriegszeit belastet haben."
"Das größte musikalische Theaterwerk des 19. Jahrhunderts birgt Botschaften von überraschender Aktualität und überzeitlichem Charakter. Vor den Augen der Zuschauer spielen sich Weltschicksale ab, deren großes Gewebe von kleinen menschlichen Gemeinheiten durchflochten wird, öffnen sich dämonische Tiefen, treiben menschliche Leidenschaften hoch. Gerade weil sich in den mythischen Szenen unsere gegenwärtigen Probleme widerspiegeln, können wir dem Sog der dramatischen Situationen nicht widerstehen, in denen sich die Personen des Dramas vorfinden und handeln. Richard Wagners Schaustück ist ein Werk, gegen welches keiner gleichgültig bleiben kann, da es jeden betrifft!"
Aufführungen: 1. Teil "Das Rheingold", 6. Oktober, 19 Uhr; 2. Teil "Die Walküre", 7. Oktober, 17 Uhr; 3. Teil "Siegfried",
13. Oktober, 17 Uhr; 4. Teil "Götterdämmerung", 15. Oktober, 16 Uhr. Kartenpreise für einzelne Vorstellungen: 35 Euro, 25 Euro, Abonnement für Wagnerfestspiele (alle vier Vorstellungen) 75 Euro, 60 Euro. Kartenvorbestellung: Anna Leniart, Telefon (00 48) 6 04 29 21 43, E-Mail anna.leniart@interia.pl (in deutscher Sprache).
Großes Theater erwartet den Besucher: Szene aus "Rheingold" von Richard Wagner |
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