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Die Bundesregierung wünscht sich einen Babyboom unter Akademikern. Das ist in der Tat wünschenswert, denn diese Bevölkerungsgruppe praktiziert den Gebärstreik der deutschen Frauen am stärksten. Mehr als 40 Prozent aller Akademikerinnen bleiben zeitlebens kinderlos. Das gibt es in keinem anderen Land der EU.
Vermutlich können diese Damen rechnen, glaubt jedenfalls die zuständige Ministerin Renate Schmidt. Deshalb hat sie jetzt die Idee eines einkommensabhängigen Elterngeldes, sozusagen als Lohnersatz für werdende und junge Mütter, in die Debatte geworfen, und Bundeskanzler Schröder findet das gut. Nur sein Kassenwart, der sowieso nichts für Kinder und Familien übrig hat und die Republik zum Sparbetrieb umfunktionieren möchte, nörgelt an der Idee herum. Zu teuer, nicht finanzierbar, und überhaupt brauche man doch eigentlich nur Betreuungseinrichtungen.
Die Diskussion in der Regierung ist interessant. Sie offenbart gleich mehrere Denkfehler. Der erste: Es gibt zwar den Zusammenhang zwischen Geld und der sogenannten Fertilität. 90 Prozent der Paare, die Kinder wollen und dennoch keine oder nur eins bekommen, geben als Grund die Kosten an. Das ist verständlich. Niemand wird gern freiwillig arm. Aber das generative Verhalten speist sich aus einem Bündel von Motiven. Ohne Geld passiert nichts, aber Geld allein reicht auch nicht.
Gefragt ist vor allem mehr Flexibilität in den Betrieben. Eltern wollen mehr Zeit für die Kinder, mithin mehr Teilzeitjobs und mehr Verständnis für familiäre Situationen, mehr Solidarität mit jenen, die die Zukunft von allen sichern. Dies alles ließe sich auch mit Gesetzen erzwingen.
Der zweite Denkfehler liegt in der Orientierung am Erwerbslohn. Als ob die Familienarbeit zu Hause nicht schon Grund genug wäre für ein Elterngeld. Da wird aus ideologischen Gründen schon im Ansatz handwerklich gepfuscht. Solch ein Gesetz hätte wegen der Mißachtung des Gleichheitsgrundsatzes keine Chance, vor dem Bundesverfassungsgericht zu bestehen. Man kann Elterngeld nicht von der Schwangerschaft und der Erziehungsleistung trennen und nur am Beruf orientieren.
Und daraus folgt, drittens: So ein Gesetz erzeugt soziale Verzerrungen, so als ob ein Taxifahrer menschlich weniger wert wäre als ein Lehrer. Unbestreitbar gibt es sozio-kulturelle Unterschiede. Aber Lebensklugheit ist nicht unbedingt eine Sache von Akademikern. Wichtiger als Wissensbildung ist Herzensbildung. Und das Humanvermögen, also die modernen Grundtugenden, die diese kinderarme und emotional ins Elend rutschende Gesellschaft und übrigens auch die Wirtschaft braucht (zum Beispiel soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Ausdauer, Zuverlässigkeit, Lernenwollen und Lernenkönnen) werden von liebenden Eltern vermittelt - und das müssen nicht in jedem Falle hochgebildete sein. Mütter braucht das Land, nicht unbedingt Akademikerinnen.
Sicher, ein Ziel der Politik muß in den nächsten Jahren sein, die Geburtenzahlen in Deutschland zu erhöhen. Es gibt den Zusammenhang zwischen Sozialsystemen und Kinderzahl. Die SPD-Größen sollten einmal in ihrer parteieigenen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, auf der Dokumentationsseite nachlesen, was der Erfinder der dynamischen Rente, Wilfried Schreiber, vor einem halben Jahrhundert formulierte und dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer leider vergeblich zu vermitteln versuchte:
"Wer sein Alter wirtschaftlich sichern will, tut nicht genug daran, im Laufe seines Arbeitslebens irgendwelche Einkommensteile dem Konsum zu entziehen - das genügt nur, um seinen relativen Anspruch, gemessen an dem anderer, zu sichern - er muß vielmehr zugleich dafür sorgen, daß in seinem Alter auch genügend komplementäre Arbeitskraft zu dem allenfalls akkumulierten Sachkapital vorhanden ist, und das kann er nur, indem er für Nachwuchs sorgt. Wer kinderlos oder kinderarm ins Rentenalter geht und, mit dem Pathos des Selbstgerechten, für gleiche Beitragsleistungen gleiche Rente verlangt und erhält, zehrt im Grunde parasitär an der Mehrleistung der Kinderreichen, die seine Minderleistung kompensiert haben."
Frohgemut haben alle Bundesregierungen seither den Satz Adenauers wiederholt: "Kinder kriegen die Leute immer." Heute suchen sie nahezu kopflos nach Mitteln, die Leute zum Kinderkriegen zu animieren. Aber die demographische Frage ist eine Systemfrage, die alle Bereiche des politischen Lebens berührt. Auch an diesem Beispiel wird deutlich: Es fehlt ein gesellschaftspolitisches Gesamtkonzept.
Denkfehler: Familienministerin Renate Schmidt schlägt einkommensabhängiges Elterngeld vor. |
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