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Die Tagebücher des Dresdne Romanisten Victor Klemp rer (18811960) sorgen seit Jahren für Aufsehen. Der Sprachwissenschaftler un Verfasser des "LTI" (1947), einer legendären Analyse der Sprache de "Dritten Reiches", führte seit seiner Jugend bis kurz vor seinem Tod penibe Tagebuch. Nun sind auch seine Aufzeichnungen nach dem Krieg (Aufbau Verlag) erschienen.
Als Sproß einer im Kaiserreich assimilierten jüdische n Familie traf die NS-Rassenpolitik den Wissenschaftler Victor Klemperer besonders hart. Er wurde 1933 au dem Dienst der Technischen Universität Dresden entlassen, an der er seit 1920 als ordentlicher Professor tätig war. In den Kriegsjahren mußte er Zwangsarbeit leisten un war von der Forschung abgeschnitten. Nur seine Ehe mit einer "Arierin" bewahrt ihn vor dem Schlimmsten. Bei Kriegsende sind seine akademischen Lorbeeren verwelkt fachlich ist er zurück, und als "nur" rassisch Verfolgter hat er in de sowjetischen Zone keine Aussicht auf Schadensausgleich. Er tritt in die KPD/SED ein. Zu Demokratie, deren Selbstzerstörung er 1933 erlebte, hat er kein Vertrauen mehr; außerde hofft er, seine Ansprüche und Ambitionen als Parteimitglied besser vertreten zu können Voller Angst vor einem neuen Antisemitismus ("ich bin überzeugt, daß die Hitlergesinnung heute in Dresden stärker ist als die communistische") betrachtet e seine Umgebung. "Widerwärtig, dieses Winseln um Zeugnisse", notiert er in September 1945, als sich die Bitten um "Persilscheine" häufen. Ein sozialistische Gesellschaft erscheint ihm als Alternative. "Ich glaube, wir könnte sehr wohl deutsche Kultur pflegen als sowjetischer Staat unter russischer Führung" notiert er im Februar 1946. Noch in den fünfziger Jahren, als er weitgehen desillusioniert ist, sieht er in der DDR das "kleinere Übel" gegenüber de BRD.
Mit dem Parteieintritt hat er sich von der SED abhängig gemacht, die ihn mi kulturpolitischen Aufgaben überfrachtet und mit nachgeordneten Ämtern abspeist, währen sie im Zuge ihrer "Bündnispolitik" bürgerliche Wissenschaftler, die zwische 1933 und 1945 ihren akademischen Ruhm mehren konnten, mit jenen lukrativen Lehrstühlen Rektoraten oder Ordinariaten in Leipzig oder Berlin zu ködern versucht, auf die er selbe gehofft hat. Resigniert bezeichnet er sich als "SED-Prof.", der "zwische allen Stühlen" sitzt.
Zum Kommunisten aber kann er seiner Herkunft und seinem Habitus nach nicht werden. E registriert, daß der Hochschulbetrieb erneut reglementiert wird und SED-Funktionäre nu darauf warten, "aufzuräumen mit der ,sogenannten Objektivität de Wissenschaft!" Die Abschnürung der SBZ vom Westen zeichnet sich ab. Im Januar 194 hat er den Eindruck, "als wolle nur der Norden diese (deutsche) Einheit, Weste nicht, Süden erst recht nicht". Und zu den Sowjets in der Diktion Oswald Spenglers "Der primitive Geschmack. Und doch sind diese Primitiven die Träger der kommende Welt." Noch während er an der "LTI" arbeitet, sammelt er Material fü eine "Sprache des Vierten Reiches". Die SED-Propaganda, die permanent Feind "entlarvt", den "Sowjetmenschen" beschwört, übe "Tango-Jünglinge aus Westberlin" höhnt und eine "parteiliche Justiz" preist, bietet reichlich Stoff. Die Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 stimmt ih resignativ. "Das tobt seit gestern im Rundfunk. Die Präsidentenwahl, die Aufmärsche, die Reden. Mir ist nicht wohl dabei. Ich weiß, wie alles gestellt und zu Spontanität und Engstirnigkeit vorbereitet ist." Als Volkskammerabgeordneter de Kulturbundes dient er lediglich zur Staffage. Im Dezember 1954 schreibt er: "De Westen widert mich an aber was die SED treibt, ist mir kaum wenige widerwärtig."
Andererseits hat er sich in der DDR eine Position erarbeitet, die ihm späte Genugtuun verschafft. Von 1951 bis 1954 wirkt er als ordentlicher Professor an der Berline Universität, 1953 wird er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Er ist ei gefragter Vortragsredner und besitzt vielfältige Kontakte. Einige groß wissenschaftliche Publikationen holt er nach.
Ende 1957 notiert er: "Völlig desillusioniert im Punkt der Politik." Am 29 Oktober 1959, schon im Krankenhaus, beschließt er das Tagebuch mit dem Satz "Nacht Angst und zerhackter Schlaf nach wie vor" ab. Am 11. Februar 1960 stirbt er in Dresden. Wer sich über die Innenseite der deutschen Nachkriegsgeschichte kompeten informieren will, wird um die nachgelassenen Schriften Victor Klemperers nich umhinkommen. Thorsten Hin
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