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Auf hohem technischen Niveau

 
     
 
Erstmalig stellt die „Stiftung Stadtmuseum Berlin“ die Sammlung fotografischer Ansichten aus dem Besitz des Malers Eduard Gaertner (1801–1877) vollständig aus. Sie ist von besonderer Bedeutung für die Bewertung der frühen Berliner Fotograf
iegeschichte. Bei Recherchen zur ersten Gesamtschau der Gemälde Eduard Gaertners wurde sie im Jahr 2001 entdeckt. Der Fund erregte schon damals Aufsehen, da es bis zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis gegeben hatte, ob der Künstler Interesse an dem zu seiner Zeit jungen Medium hatte und sogar Fotografien besaß. Einige Blätter wurden damals im Zusammenhang mit der Gaertner-Ausstellung gezeigt und auch kommentiert. Eine umfassende Auswertung stand jedoch bis heute noch aus.

Inzwischen hat das Stadtmuseum Berlin diese wertvolle Sammlung mit Hilfe großzügiger Spenden und Stiftungen erwerben und bearbeiten können. Eine glückliche Fügung, da sich das Museum seit je um das Werke Gaertners bemüht und darüber hinaus über eine große Sammlung mit Fotografien von Alt-Berlin verfügt.

„Gaertners Veduten des biedermeierlichen Berlin faszinieren bis heute durch die lebendige, atmosphärisch dichte Schilderung bürgerlichen und herrschaftlichen Lebens und seine überaus präzise, anschauliche Wiedergabe von Baukunst und Stadtraum der königlichen Residenz“, erläutert Ines Hahn, Leiterin der fotografischen Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin. „Wenn auch der Künstler weit über Preußen hinaus agierte, war doch der Mittelpunkt seines Schaffens Berlin, der sich auch in seiner Lichtbildersammlung widerspiegelt: 65 der 77 Aufnahmen sind Berlin-Ansichten der 1850er und 1860er Jahre, darunter die vermutlich älteste noch erhaltene Berlin-Fotografie auf Papier: das Denkmal Friedrichs II. Unter den Linden aus dem Jahr 1851.“

Der Besucher der Ausstellung kann anhand der Blätter, die so manches Mal lebhaft an Bilder Gaertners erinnern, einen historischen Stadtrundgang unternehmen. Er beginnt am Denkmal des Großen Kurfürsten, vorbei am Stadtschloß der Hohenzollern, dem Mittelpunkt der damaligen Stadt, geht vom Lustgarten über die Schloßbrücke die Straße Unter den Linden entlang und steht schließlich am Denkmal Fried-richs des Großen.

Ein Abstecher zum Gendarmenmarkt ist erlaubt. Das Berliner Rathaus in der Spandauer Straße, die Klosterstraße, Reste alter Festungsanlagen in der Neuen Jacobstraße, der Spittelmarkt mit der Gertraudenkirche sind Motive aus den ältesten Stadtteilen und liegen abseits vom herrschaftlichen Berlin.

Ansichten von Brandenburg, darunter Aufnahmen des Klosters Chorin, sind ebenso zu finden wie das Amphitheater in Pompeji – eines von nur fünf Blättern, das in der damals für den Vertrieb im Kunsthandel üblichen Weise auf Karton gewalzt ist.

„Bei 72 Bildern – und das macht ihren besonderen Wert für die Fotografiegeschichtsschreibung aus – handelt es sich um fotografisches Rohmaterial, das weder exakt beschnitten noch vollständig retuschiert, aufgezogen und signiert ist“, so Ines Hahn. „Gaertner betrieb ausgiebige architektonische Vorstudien und nutzte, wie viele Künstler der Zeit, auch die Camera obscura als Zeichenhilfe.“

„Auch wenn die Lichtbilder teilweise erst Jahre, nachdem er die entsprechenden Motive künstlerisch verarbeitet hatte, entstanden sind, wirft dieser Fund ein neues Licht auf das Schaffen Gaertners. Ihr Zustand läßt vermuten, daß der Künstler sie zumindest zur Rückversicherung als Ansichts- und Arbeitsmaterial handhabte.

Die Aufnahmen stammen aus dem Atelier Philipp Graff, von A. Hensel, A. Schmidt und Robert Rive. Die meisten Arbeiten stammen von Leopold Ahrendts (1825–1870), einem der ersten Berliner Stadtbildfotografen von überregionaler Bedeutung. Andere Motive sind durch spätere Abzüge von F. Albert Schwartz (1836–1906) bekannt, der fast ein halbes Jahrhundert lang die rasanten baulichen Veränderungen der Stadt mit der Kamera begleitete. „Wurde die Daguerreotypie bereits seit ihrer Erfindung in Paris 1839 in Berlin begeistert aufgenommen und gewerblich praktiziert, setzte sich die Fotografie auf Papier auch hier erst um 1850 durch“, erläutert Hahn die Geschichte der Fotografie in Berlin. „Es sind die frühesten Zeugnisse der Lichtbildnerei auf Papier, die wir in diesem Bilderschatz vorfinden. Sie erlauben in ihrem Rohzustand Einblicke in Technik und Arbeitsmethoden der Pioniere der Negativ-Fotografie“, so Hahn. „Erforderten die komplizierten fotografischen Verfahren neben Kenntnissen der Chemie und Optik vor allem ,Fleiß, Reinlichkeit und Geduld‘, so war die frühe Lichtbildnerei doch ,keine Kunst, die sich bloß durch Rezepte erlernen läßt‘, wie es in Anton Martins ,Handbuch der Photographie‘ von 1852 heißt. Beschrieb Martin darin mehr als 30 Methoden, negative und positive Papier-Bilder zu erzeugen und sieben Methoden, Glasnegative zu bereiten, so bietet auch Gaertners Fotografien-Sammlung ein ganzes Spektrum verschiedenster fotografischer Arbeitsweisen. Sie erlaubt damit erstmals die Einschätzung, daß die in der Zeit gängigen fotografischen Verfahren in Berlin auf hohem technischen Niveau praktiziert wurden, technische Neuerungen aufgenommen und experimentierend weiterentwickelt wurden. Auffällig sind Bildfolgen wie drei Aufnahmen der Südseite des Schlosses. Die geringfügige Variation von Kamerastandpunkt, Bildausschnitt und perspektivischer Verkürzung der 192 Meter langen und 30 Meter hohen, imposanten Fassade lassen erkennen, daß bereits die Fotografen der Frühzeit seriell arbeiteten.“

In der Ausstellung sind natürlich auch Bilder Eduard Gaertners zu sehen, ergänzt durch Ansichtengrafiken anderer Künstler der Zeit. „In der Korrespondenz von Malerei, Grafik und Fotografie offenbart die Ausstellung die wechselseitige Beeinflussung der Künste und erlaubt, die formalen und ästhetischen Besonderheiten der vorliegenden Sammlung zu beurteilen.“

Die Ausstellung „Bild und Abbild“ des Stadtmuseums Berlin im Kunstforum der Berliner Volksbank, Budapester Straße 35, 10787 Berlin, ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro, bis 12. November.
 
     
     
 
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