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Die Republik Mazedonien ist ein fragiles Gebilde, auch wenn es dort seit dem Zerfall Jugoslawiens im Vergleich zu den benachbarten Regionen erstaunlich ruhig geblieben ist: Einerseits leben in seinen Grenzen zwischen 600 000 und 700 000 Albaner, dazu serbische, türkische und bulgarische Minderheiten sowie Zigeuner, andererseits begreifen manche slawischen Mazedonier ihren im September 1991 für unabhängig erklärten und am 8. März 1993 in die Uno aufgenommenen Staat als Kern eines von feindlich gesinnten Nachbarn bisher verhinderten "Groß-Mazedonien" ("Solun").
Die "Innere Mazedonische Revolutionär e Organisation Demokratische Partei für die Nationale Einheit Mazedoniens" (VRMO-DPMNE) steht in der Tradition eines solchen Verständnisses. Schließlich waren es die organisatorischen Vorläufer dieser 1990 neu formierten Gruppierung, die den mazedonischen Widerstand gegen das Osmanische Reich und das Königreich Jugoslawien sowie später gegen den serbisch dominierten Vielvölkerstaat Titos führten.
Nach acht Jahren in der Opposition gegen den postkommunistischen Sozialdemokratischen Bund Mazedoniens (SDSM), der seit 1994 von der größten albanischen Minderheitenpartei PDP ("Partei für die Demokratische Prosperität") unterstützt wurde, konnte die national-konservative und betont antikommunistische VRMO nun bei der entscheidenden zweiten Runde der Parlamentswahlen am 1. November den Sieg davontragen. Zusammen mit der verbündeten kleineren liberalen "Demokratischen Alternative" (DA) gewann man 58 von 120 Mandaten. Jetzt stellt sich die Frage, ob die über elf Sitze verfügende zweitstärkste Albaner-Partei PDSH ("Albanische Demokratische Partei") oder eine andere kleine Formation in die Regierung einbezogen wird. An die Stelle des alten Regierungschefs Branko Crvenkovski tritt als neuer Ministerpräsident vermutlich der 32jährige VRMO-Vorsitzende Ljubco Georgievski. In ausländischen Regierungskreisen wird dieser Wechsel mit einiger Skepsis betrachtet, obwohl Georgievski als der "neue Mann" in Skopje viele Jahre als Sondergesandter seines Landes in den USA eingesetzt war und umfassende Wirtschaftsreformen einschließlich der Förderung ausländischer Investitionen angekündigt hat. Immerhin war es der sozialdemokratischen Regierung in den letzten Jahren dank einer raffinierten Albaner-Politik nach dem Motto "Zuckerbrot und Peitsche" gelungen, das Land vor bosnischen bzw. serbischen (Kosovo) Zuständen zu bewahren. Nun prophezeien manche Beobachter sogar Vertreibungsszenarien à la Milosevic.
Tatsächlich sind die Probleme in letzter Zeit größer geworden: Auch die Republik Mazedonien zählt Tausende von Flüchtlingen aus dem Kosovo, die die ohnehin nur schwache Volkswirtschaft (die Arbeitslosenquote liegt bei über 30 Prozent) zusätzlich belasten. Ebenso wie dort ist auch bei den im Westen des Landes um die Städte Gostivar und Tetovo konzentrierten einheimischen Albanern eine Tendenz zur Radikalisierung zu verzeichnen, deren Extrem die Forderung nach einem "Groß-Albanien" ist. Wichtige Nachschubwege für die UCK beginnen in Mazedonien, und im letzten Winter wurden auch dort einige Anschläge durch die albanischen Untergrundkämpfer verübt.
Zudem ist das Verhältnis zu Griechenland nach wie vor schwer belastet. Athen stört sich bis heute an dem Namen "Republik Mazedonien", da dieser "Ansprüche" auf die zum eigenen Territorium gehörende gleichnamige Region suggeriere.
Während in den mazedonisch-griechischen Beziehungen eine grundlegende Verbesserung nicht in Sicht ist, gestaltet sich das Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien seit dem im April 1996 unterzeichneten Abkommen über die "Regelung der Beziehungen und die Förderung der Zusammenarbeit" relativ unproblematisch. Gleiches gilt für die mazedonisch-bulgarischen Verbindungen, zumal man den Bulgaren noch immer dankbar dafür ist, daß sie in der Zeit des griechischen Boykotts das Land vor dem ökonomischen Kollaps retteten.
Man darf nun gespannt sein, welche Strategie die neue national-konservative Regierung Mazedoniens verfolgt, um das eigene Staatsschiff bei schwerem Seegang vor dem Sinken zu bewahren. Wahrscheinlich ist, trotz erheblicher interner Widerstände, eine Kurskorrektur in Richtung der mit den Albanern der PDSA bereits diskutierten Gewährung einer kulturellen Autonomie für die Minderheit. Ob dann allerdings im Gegenzug auch langfristig von albanischer Seite die Existenz der Republik Mazedonien in ihren jetzigen Grenzen akzeptiert werden wird, hängt auch von der Entwicklung der politischen Großwetterlage in der gesamten Region ab.
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