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In dem Maße, wie das Interesse an den Neo-Wilden, der amerikanischen Pop Art und modischen Strömungen schwindet, widmen sich die Galerien in Deutschland immer mehr der klassischen Moderne. Davon zeugen auch die art cologne 97, die Kölner Kunstmesse, und deren Verkaufserfolge. Dabei fällt es auf und dürfte gerade in den alten Bundesländern nachdenklich stimmen, daß bedeutende Maler und Bildhauer unseres Jahrhundertanfangs in der Reichshauptstadt und im östlichen Teil des Deutschen Reiches geboren wurden, da lebten und wirkten, nicht zuletzt angezogen wurden von den Kunsthochschulen (Berlin, Breslau, Königsberg, Bauhaus Weimar und Dessau), zumindest bis in die Zeit, da diese Künstler vom Nazi-Regime diffamiert und deren Aufbruch zunichte gemacht wurden. Daß manche Künstlergruppen aus Ostdeutschland ebenfalls wie Magnete wirkten etwa die Dresdner "Brücke" ist bekannt. Auch die Ausstellung "Klassische Moderne" der Galerie Glöckner, Köln-Lindenthal, Mommsenstraße 65, deren Akzente auf der Druckgrafik liegt und die bis Ende Januar dauert, liefert Beispiele zur sogenannten "ostdeutschen Kopflastigkeit" (dienstags bis freitags 14 Uhr 30 bis 18 Uhr 30, sonnabends 10 bis 14 Uhr, Katalog 20 DM).
Da gibt es Holzschnitte von Lyonel Feininger aus den Jahren 1918 bis 1930, die daran erinnern, daß der Künstler, zwar in New York geboren, sich in Deutschland zuhause fühlte, am Bauhaus (Weimar, Dessau) lehrte und oft in Pommern weilte. Ein Holzschnitt von 1920 trägt den Titel "Zirchow", eines kleinen Dörfchens unweit von Swinemünde (Preis 12 500 DM); daneben gibt es einige Ostseebilder. Von Karl Schmidt-Rottluff sei ebenfalls ein Blatt "Ostseeküste" (1920) erwähnt, eine Radierung des als Maler und Holzschneider berühmten Brücke-Künstlers.
In der Ausstellung der mehr als 100 Exponate sind die Ostdeutschland Lovis Corinth und Käthe Kollwitz mit insgesamt 16 Arbeiten vertreten, beide u. a. mit Selbstbildnissen: die Königsbergerin mit ihrem berühmten "Selbstbildnis im Profil" von 1927 (19 000 DM), Corinth mit Radierung (2800 DM) und zwei Lithos (5800 und 7800 DM) aus dem Jahre 1920. Beide zeichnen sich durch eine malerische Handschrift aus, die sowohl Corinths Landschaften wie auch die figuralen Darstellungen der Kollwitz geprägt hat. Erschütternd das Blatt der Künstlerin "Gefallen", wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg entstanden (114 500 DM). "Zwei schwatzende Frauen mit zwei Kindern" (Litho von 1930) erschien in einer Auflage von 150 Exemplaren als Jahresgabe des "Deutschen Kunstvereins, Berlin" (22 000 DM).
Der Kölner Galerist Bruno Glöckner hat diese vorbildliche Ausstellung sicherlich nicht aus politischen Motiven zusammengestellt, nicht eine Ost-West-Brücke beabsichtigt oder gar der Wiedervereinigung gewidmet. Doch die moderne Kunstgeschichte wurde eben von Künstlern aus Berlin und dem deutschen Osten geprägt. Diesem Umstand trägt die Ausstellung Rechnung, und das ist um so begrüßungswerter, als das Kölner Publikum auf diesem Gebiet von seinem Kölner Museum Ludwig für zeitgenössische Kunst nicht verwöhnt wird.
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