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Einen Tag nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt dem XVI, bestimmte ein anderes Ereignis den römischen Alltag: Ministerpräsident Silvio Berlusconi trat nach 1.409 Tagen Regierung zurück. Mit dieser Amtszeit hält Berlusconi den Rekord als der am längsten amtierende Regierungschef in der Geschichte der Republik Italiens. (Die durchschnittliche Regierungszeit eines Premiers liegt in Italien bei elf Monaten.) Dabei wollte er eigentlich die Legislaturperiode, die im Jahr 2006 zu Ende gegangen wäre, noch abschließen. Doch was hat diese aus italienischer Sicht stabile Regierung eigentlich für Italien getan?
Innenpolitisch hat der Unternehmer Berlusconi, der mit mehreren Fernsehsendern und Zeitungen einer der reichsten Männer Italiens ist, für sich maßgeschneiderter Gesetze und Reformen durchgesetzt. So zum Beispiel ein Gesetz, das das Fälschen von Bilanzen nicht mehr unter Strafverfolgung stellt. Auf diese Weise konnte das gegen Berlusconi laufende Verfahren vor dem Mailänder Gericht ausgesetzt werden. Auch mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer wurden reichere Schichten begünstigt.
Außenpolitisch hat sich das Land von dem "alten" Europa entfernt und sich durch die Entsendung italienischer Soldaten in den Irak immer mehr zu den USA hingewendet.
Der Rücktritt Berlusconis am vergangenen Mittwoch erfolgte aufgrund des stärker werdenden Drucks des Koalitionspartners UDC (Christdemokraten). Die UDC hatte unter Führung ihres Generalsekretärs Marco Follini das Regierungsbündnis verlassen. Wie auch die UDC hatte die ultra-nationale Partei Alleanza Nationale nach der verheerenden Niederlage bei den Regionalwahlen im April einen Wechsel des Regierungskurses, insbesondere hinsichtlich der föderativen Reform gefordert, und gleichzeitig gedroht, das Regierungsbündnis platzen zu lassen.
Staatspräsident Azeglio Ciampi hatte den Rücktritt Berlusconis mit Zurückhaltung angenommen und ihn gleichzeitig mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.
Auch im Beenden der Regierungskrise stellte Berlusconi einen Rekord auf. In nur 63 Stunden stand seine neue Mannschaft fest. Große Überraschung hinsichtlich der Besetzung der Ministerposten gab es nicht. Als wichtigste Veränderung wird das Ausscheiden des stellvertretenden Ministerpräsidenten Follini (UDC) gewertet. An seine Stelle tritt der ehemalige Wirtschaftsminister Giulio Tremonti aus dem Berlusconi Lager Forza Italia. Dieser ist ein Befürworter der föderalistischen Reform.
Der Minister für Kultur- und Denkmalschutz, ebenfalls aus der Forza Italia, Giuliano Urbani, mußte seinen Posten zugunsten des umstrittenen Europa-Ministers, Rocco Buttiglione, räumen.
Das Amt des Gesundheitsministers, Gerolamo Sirchia, der das Rauchverbot in Italien in der Öffentlichkeit eingeführt hatte, wurde an den AN-Politiker Francesco Storace vergeben. Der ehemalige Präsident der Region Latium war bei den Regionalwahlen im April nicht wieder gewählt worden.
Das neue Kabinett wurde kurz nach Bekanntgabe von Staatspräsident Azeglio Ciampi vereidigt. Anfang der Woche will sich Berlusconi den Vertrauensabstimmungen in den beiden Kammern des Parlaments stellen, in denen die Mitte Rechts-Regierung die Mehrheit hält.
Berlusconi hatte erklärt, daß er in seinem neuen Regierungskurs den armen Süden Italiens, die geschwächte Wirtschaft sowie sozialschwache Familien stärker berücksichtigen wolle. Insbesondere an der Frage des "Mezzogiorno" (der südlichen Regionen Italiens) entzündet sich ein Interessenskonflikt mit dem Bündnispartner Lega Nord, dessen einziges und erklärtes Ziel es ist, das Land zu föderalisieren. Die Lega verlangt Garantien, daß Berlusconi die seit Monaten diskutierte Verfassungsreform, die vorsieht, das Steuer, Bildungs- und Gesundheitssystem auf die Regionen zu übertragen, ohne Änderungen durchsetzt.
Diese Verfassungsreform würde das ohnehin schon sehr breite Nord-Süd-Gefälle noch stärker vergrößern. Die Mitte-Links-Opposition unter Führung des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi fordert hingegen Neuwahlen. Die neue Regierung sei lediglich "eine Fotokopie des alten Kabinetts".
Da die wichtigsten Regierungsposten weiterhin mit den gleichen Köpfen besetzt sind, ist wahrscheinlich, daß auch eine zweite Regierung Berlusconi zu keinem Konsens hinsichtlich der Föderalismusreform kommen wird.
Das Land, das sich in einer dramatischen wirtschaftlichen Lage befindet, kann auf tiefgreifende Reformen nicht mehr lange warten. Wie auch in Deutschland, wurden die Vorgaben von Maastricht nicht erfüllt. Während Berlusconi mit den Koalitionspartnern über ein neues Regierungsprogramm verhandelt, stehen italienische Symbolfirmen wie der Autohersteller Fiat und die staatliche Fluggesellschaft Alitalia kurz vor dem Aus.
Sollten die beiden Parlamentskammern aufgelöst werden, könnten Neuwahlen bereits im Juni stattfinden.
Erneut angetreten: Der alte und neue italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi (links vorn) bei der Vereidigung durch den Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi (2. von rechts) |
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