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Vor 100 Jahren erwarb die Staatsgalerie Stuttgart das Gemälde "Effet de Soleil" des Franzosen Claude Monet (1840-1926), das mit der etwas freien Übersetzung "Felder im Frühling" der bis zum 24. September dauernden Jubiläumsausstellung ihren Namen gibt. Das Jubiläum war der Anlaß, einen Überblick von Monets wichtigsten Arbeiten zum Thema "Natur" zu zeigen wie auch die luftige, farbenreiche Malweise der Impressionisten den Beschauern näherzubringen. Um es gleich vorwegzunehmen, die Stuttgarter Schau vermittelt mit ihren frühlingsprallen Bildern einen optimistischen, zukunftsfrohen Eindruck, was man von vielen zeitgenössischen Werken nicht gerade behaupten kann.
Als im Mai des Jahres 1874 eine Gruppe unabhängiger Maler, zu der Monet, Renoir, Pissaro, Cézanne und Degas gehörten, ihre Bilder außerhalb des offiziellen Salon s ausstellte, kam es zu einem Skandal. Hohn und Spott ergoß sich in den Zeitungen über die jungen Künstler, die man sarkastisch "Farbenkleckser" und "Impressionisten" nannte, nach einem Bild Monets mit dem Titel "Impression, soleil levant" (Impression, Sonnenaufgang). Der Begriff, anfänglich ein Schimpfwort, bürgerte sich bald als Ehrenname ein.
Der in Paris geborene Claude Monet zeichnete schon in der Schule Karikaturen seiner Lehrer. Ohne das Gymnasium zu beenden, entschloß er sich, zum Entsetzen der Familie, Maler zu werden. Er besuchte die Akademie seiner Geburtsstadt, lernte Pissaro und Renoir kennen, die alle gerne im Freien malten, wo sie sich an den lichtdurchfluteten Wald- und Wiesenstücken begeisterten.
Die Malerfreunde entdeckten, daß die im Tagesverlauf wechselnden Landschaftsstimmungen sich mit herkömmlichen Mitteln nicht auf die Leinwand bannen ließen, zudem wünschten sie, mit den alten traditionellen Begriffen aufzuräumen. Um das flimmernde Farbenspiel der sonnendurchtränkten Natur festzuhalten, mußten die Farbtöne zerlegt werden. Damit war eine neue Sehweise geboren, die nicht der Theorie entstammte, sondern unmittelbar aus der Anschauung herrührte.
Noch war kein einheitlicher Stil entstanden, aber der Kern der Impressionisten hatte sich gebildet. Vorbilder waren Künstler, die als erste nach der Natur und nach dem Leben gemalt hatten, wie Corot und Courbet.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 / 71 in London lebend, lernte Monet den Kunsthändler Paul Durand-Ruel kennen, der, begeistert von der neuen Malweise, einige seiner Bilder kaufte und ausstellte. Später kehrte Monet über Amsterdam, wo er Landschaften malte und die niederländischen Meister studierte, nach Frankreich zurück. In Argenteuil an der Seine mietete er für seine Familie ein Haus.
Der Freiluftmaler Claude Monet betrachtete die ganze Landschaft entlang der Seine als sein einzigartiges Atelier. Immer wieder malte er die sich im Wasser des Flusses spiegelnden Pappelreihen, die im saftigen Grün prangenden Wiesen, die Farbenpracht der Blumen auf den Feldern. Argenteuil wurde zu einem Zentrum der impressionistischen Malerei. Der etwas ältere Edouard Manet fand sich ein, er inspirierte den Jüngeren, Figuren in die Felderbilder einzutragen. Es entstand "Die Brücke von Argenteuil" (Leihgabe aus den USA), "ein Wunder an malerischer Ökonomie und kompositorischer Präzision", wie es der Katalog beschreibt, aber auch ein Beispiel für Monets Können, die Illusion einer Tiefenräumlichkeit darzustellen. Aus der National Gallery Washington stammt die 100 mal 81 Zentimeter große Leihgabe "Der Spaziergang, Frau mit Sonnenschirm". Abgebildet ist die Gemahlin Camille mit dem achtjährigen Sohn Jean, ein Familienbild, meisterhaft eingebaut in die blaugrünen Pinselstriche der Wiese.
Trotz Teilnahme an der vierten Impressionistenausstellung konnte Monet kaum Bilder verkaufen, nur mühselig bestritt er den Unterhalt für die Familie. Das änderte sich erst, als der Kunsthändler Durand-Ruel in Paris und New York neue Galerien eröffnete. Claude Monets Bekanntheitsgrad stieg, die Amerikaner begannen, sich für die französischen Impressionisten zu interessieren.
Die zunehmenden Einnahmen gestatteten einen Wohnungswechsel nach Giverny, etwa 75 Kilometer westlich von Paris gelegen, wo das großstädtische Bürgertum der Metropole gern Erholung suchte. Monet wurde ein berühmter Mann, der nun viel Geld verdiente. Im eigenen Haus mit großem Garten, dabei ein kleiner See, konnte sich Monet ganz der Kunst hingeben. Er malte immer wieder die Spiegelung der Rosen auf der Wasseroberfläche, versuchte die im Tagesverlauf wechselnden Spiele des Lichts an Sträuchern und Bäumen auf der Leinwand wiederzugeben.
1887 entstand eines seiner schönsten Bilder, "Im Moor zu Giverny, Suzanne beim Lesen und Blanche beim Malen", eine Leihgabe des Los Angeles Museum of Art. Monet zeigt zwei junge Frauen als "Ereignisse von Licht und Witterung", die sich durch die Farben ihrer Kleidung von der umgebenden Natur unterscheiden.
Die Gemälde der Jubiläumsausstellung wirken vielfach so, als seien mit leichter Hand Farbtupfer neben Farbtupfer hingesetzt. Das ist aber keineswegs so. Diese Bilder sind das Ergebnis intensiver künstlerischer Arbeit, die dem Besucher beglückende Naturerlebnisse vermitteln. Dem persönlichen Einsatz des Direktors der Staatsgalerie, dem aus Danzig stammenden Dr. Christian von Holst, ist es zu verdanken, daß Kunstsammlungen und Museen aus der ganzen Welt mehr als 40 Bilder in die Landeshauptstadt Baden-Württembergs entsandten und damit dem Betrachter ein nachhaltiges Kunsterlebnis ermöglichen.
Die Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart ist außer montags von 10 bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 6 Euro, Katalog 23 Euro, bis 24. September.
Claude Monet: Felder im Frühling (Öl, 1887; im Besitz der Staatsgalerie Stuttgart) |
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