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Niedergang und Neuanfang

 
     
 
Als Prof. Walter König, ein Spezialist für das Bildungswesen der Siebenbürge Sachsen, vor wenigen Jahren auf einem Elternabend des Brukenthal-Lyzeums in Hermannstad nach den Motiven für den Besuch deutschsprachiger Schulklassen fragte, antworteten ih rumänische Eltern lapidar: "Deutsch ist doch die Sprache Mitteleuropas!"

Annähernd 20 000 Kinder und Jugendliche haben zuletzt jährlich deutsche Kindergärte und Schulen bzw. deutschsprachige Abteilungen rumänischer Bildungsanstalt
en durchlaufen Tendenz leicht steigend. Weit mehr als zwei Drittel von ihnen sind rumänischer Herkunft.

Gemäß der amtlichen Statistik gab es im Schuljahr 1988/89 ca. 500 selbständig deutschsprachige Bildungs-einrichtungen oder entsprechende Abteilungen an den rumänische Schulen mit insgesamt rund 35 000 Kindern und Jugendlichen. Nach dem Massenexodus 1990/9 waren davon im Schuljahr 1994/95 nur noch 302 übrig. Am kritischsten sieht es bei de deutschen Kindergarten- und Grundschulabteilungen in den ländlichen Regionen aus.

Auf der Gymnasialstufe mit den Klassen 5 bis 8 konnten sich nur die Schulen un Abteilungen in den Städten halten. Und dies bloß deshalb, weil viele Eltern weit Anfahrtswege in Kauf nehmen. Die Lyzeumsstufe (Klasse 9 bis 12) blieb ohnehin den wenige Zentralschulen in den größeren Städten vorbehalten.

Aus der Perspektive fast aller Sachsen und Banater Schwaben war diese Entwicklung ein unfaßbare Katastrophe. Um die Gefühle der Menschen zu verstehen, muß man wissen, welch Bedeutung gerade für die Siebenbürger Sachsen das eigene Schulwesen hatte, desse Anfänge urkundlich bereits für die Jahre 1332 und 1334 verbürgt sind. In der frühe Neuzeit war das Schulnetz hier so dicht wie in wenigen anderen Teilen Europas. Historike konnten nachweisen, daß etwa im 15. Jahrhundert kaum ein sächsisches Dorf längere Zei ohne eine Schule auskommen mußte.

Hält man sich den massiven Rückgang der deutschen Bevölkerung in Rumänien um etw vier Fünftel nach 1989 vor Augen, so hätte das eigene Schulwesen vollends kollabiere müssen. Doch die traditionell auch von vielen andersnationalen Schülern besuchte Bildungsinstitutionen in Siebenbürgen und im Banat genossen lange vor 1989 eine hervorragenden Ruf im ganzen Land, der schließlich ihren Fortbestand rettete. I Unterschied zu den anderen Staaten Ostmittel- und Osteuropas war ja das deutschsprachig Schulwesen in Rumänien in der kommunistischen Zeit weitgehend intakt geblieben.

Nach der Wende entstand aus den einstigen siebenbürgisch-sächsischen bzw schwäbischen Schulen eine völlig neue Form, bei der man angesichts der Herkunft de weitaus meisten Schüler auch nicht von "Schulen der deutschen Minderheit" sprechen kann. Und dennoch: Der Standard der Sprachbeherrschung ist vergleichsweis hervorragend. Im Regelfall werden sämtliche Fächer außer der rumänischen Sprache un Literatur auf deutsch unterrichtet. Fachleute benutzen bewußt den Begriff de "gehobenen Fremdsprachlichkeit".

Da die rumänischen Schüler fast alle aus den höheren sozialen Schichten kommen dürften die Langzeitwirkungen des intensiven Aufwachsens mit der deutschen Sprache fü das Verhältnis zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland sowie speziell fü die Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen enorm sein. Schon heute hat das Deutsche da traditionell bevorzugte Französisch partiell verdrängt. Daß das Russische bisher noc stärker verbreitet ist, liegt vor allem am chronischen Deutschlehrermangel.

Die große Anziehungskraft des deutschen Bildungswesens in Rumänien hat viel Facetten. So ist an den Schulen der Mehrheitsbevölkerung ein "Leben nach de Unterricht" mit gemeinsamen Ausflügen etc. unbekannt. Zudem bieten diese rein Wissenvermittlung, während die deutschsprachigen Alternativen das traditionelle Ideal de "Lernen Lernens" verfolgen, wie es bereits in einer Quelle von 1850 auftaucht.

Auch die Bukarester Politiker wollen vor diesem Hintergrund so berühmte Einrichtunge wie das Brukenthal-Lyzeum in Hermannstadt, das Kronstädter Honterus-Lyzeum, da Josef-Haltrich-Lyzeum in Schäßburg oder das Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeschwar mi ihrem besonderen Charakter erhalten. Der amtierende Unterrichtsminister stellte sogar die illusorische Forderung auf, daß "überall dort, wo einmal deutsche Schule existierten, wieder welche entstehen müssen".

Das größte Problem ist die unzureichende Lehreraus- und -fortbildung. Da de Pädagogennachwuchs inzwischen weitgehend aus den Reihen der Nicht-Muttersprachler kommt muß hier deutlich mehr getan werden als in der Vergangenheit. Notdürftig fülle bundesdeutsche Programmlehrer (zur Zeit sind es in ganz Rumänien über 60) viel ansonsten nicht zu besetzende Stellen.

Walter König hat an die maßgeblichen Politiker in Bonn appelliert, mit der Hilf nicht nachzulassen bzw. diese möglichst weiter auszubauen: "Es wäre kurzsichti (...), wenn die deutsche auswärtige Kulturpolitik diese günstige Ausgangssituation un die Ansatzpunkte nicht nützte – Voraussetzungen, die in anderen Regionen ers mühsam geschaffen werden müssen. Die traditionsreichen Schulen können auch unte veränderten Voraussetzungen Mittler deutscher Kultur und Sprache bleiben und zugleic Verständnis wecken für die Pflege und Erhaltung deutscher Kulturgüter in Rumänien als Teil der Kultur und Geschichte dieser Region."

Eine weitere große Schwierigkeit liegt in der nach wie vor miserablen Bezahlung de Lehrkräfte. Sie hat zur Folge, daß viele Absolventen eines Germanistikstudiums die lukrative Karriere in der Wirtschaft gegenüber einer pädagogischen Tätigkei bevorzugen. Ein Programmlehrer aus der Bundesrepublik verdient das 25fache (!) seine einheimischen Kollegen. Dafür verfügen diese dauerhaft über ein Kapital der besondere Art, auf das so mancher Gast neidisch ist, wenn er begeistert ausruft, "niemals s dankbare Schüler" gehabt zu haben
 
     
     
 
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