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Zum Glück wurde die Premiere der „Deutschen Kulturtage“ in Sathmar kein solches Fiasko wie der Auftakt der deutschsprachigen Sendung des im Januar gestarteten Baneter Regionalfernsehens TVR Timisoara (Temeschwar).
Dort liefen am 5. Februar unter dem vielversprechenden Titel „Banater Chronik“ zwei Reportagen, die den schwäbischen Landsleute n der Sathmarer wie ein schlechter Witz vorkamen.
Zur besten Sendezeit wurde den weit überwiegend älteren Zuschauern die Vorstellung einer Breakdance-Gruppe zugemutet und anschließend Aufnahmen in einer Temeschwarer Diskothek, in der ein aus München angereister DJ den Jugendlichen House-Musik servierte. Im Gespräch klärte dieser Gast die Banater zu allem Überfluß über die Bedeutung des Wortes geil auf.
Themen, die die heimatverbliebenen Schwaben interessiert hätten - Faschingsbälle oder Veranstaltungen des Deutschen Forums - wurden mit keiner Silbe erwähnt. Mit einem Wort: Die Sendung erinnerte in peinlichster Weise an manche offiziellen Vorstellungen deutscher Kultur im Ausland, wie man sie von Goethe-Instituten her kennt, nur waren es diesmal Rumänen, die unbedingt up to date sein wollten.
Ganz anders gestalteten sich vom 8. bis 10. Februar die Deutschen Kulturtage in Sathmar (rumän.: Satu Mare, ungar.: Szatmar) im äußerstes Nordwesten Rumäniens. Unter dem Motto „Vielfalt, die verbindet - Kunst, Musik, Poesie, Theater“ bot das regionale Deutsche Forum als Veranstalter ein überzeugendes Programm für Interessenten aus der Gruppe der rund 14 000 Deutschen im Kreis Sathmar und den noch einmal etwa 6000 Deutschen in den nordsiebenbürgischen Nachbarkreisen. Finanzielle Unterstützung gab es u. a. vom Kulturinspektorat Sathmar, von der durch das Forum mit Hilfe der bundesdeutschen Freundeskreis der Volksgruppe gegründeten Sathmarer Stiftung für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Donauschwäbischen Kulturstiftung, dem Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Am 9. Februar stand als wichtiger Programmpunkt die Besichtigung der „Schwaben-Molkerei“ in Großkarol (Carei-Mare bzw. Nagy-Károly) an. Es handelt sich dabei um das bisher größte landwirtschaftliche Förderprojekt des deutschen Innenministeriums in der Region. Im Oktober 1997 eingeweiht und aus Berlin mit etwa zwei Millionen Mark zinsloser Kredite gefördert, kommt die Molkerei über tausend schwäbischen Bauern aus der Umgebung zugute und verschafft ihnen zuverlässige Einnahmen.
Zur Produktpalette der Schwaben-Molkerei, die allein in Großkarol 90 Prozent des Marktes für Milcherzeugnisse abdeckt, gehört auch der in Rumänien vorher unbekannte Tilsiter Käse, der bis in die Hauptstadt Bukarest ausgeliefert wird.
Nach der Besichtigung in Großkarol ging es für die Teilnehmer der Kulturtage in das erst in der Nach-Wende-Zeit eingerichtete Heimatmuseum von Petrifeld. Dieses Dorf im Kreis Sathmar ist typisch für die heutige Lage der Minderheit. Im Ort leben knapp 2000 Menschen, die Hälfte davon Deutsche - Nachfahren jener Siedler, die während des 18. und 19. Jahrhunderts im Zuge der Kolonisierungen nach den Türkenkriegen ins Land kamen. Der Besucher kann ihre Häuser an den gepflegten Gärten erkennen.
Umgangssprache in Petrifeld ist Ungarisch. Es ist nicht nur die Muttersprache der ansässigen Madjaren, sondern auch das bevorzugte Idiom der meisten Schwaben. Die sprachliche Entfremdung ist eine späte Folge der nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 einsetzenden massiven Madjarisierungspolitik.
Immerhin können die Kinder in der Grundschule heute wieder eine deutsche Sektion besuchen, in der auf Deutsch unterrichtet wird. Wie in der gesamten Gegend ist auch in Petrifeld die Ausreisewelle der frühen 90er Jahre mittlerweile abgeebbt. Wer jetzt noch nach Deutschland will, muß laut Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom März 1998 „individuelle Benachteiligungen“ nachweisen, was in den seltensten Fällen gelingt.
Das Kirchweih- und Erntedankfest wurde in jüngster Zeit in Petrifeld nach traditionellen schwäbischen Vorbildern wiederbelebt, und es wurde plötzlich „modern“, sich zu seiner Herkunft zu bekennen. Während sich im Dorf Ende der 70er Jahre nur neun Prozent als Deutsche bezeichneten, waren es 1982 bereits 48 Prozent und 1992 gar 58 Prozent.
Ebenso wie in Schinal, Fienen, Kalmandi, Kaplau, Trestenburg, Großkarol, Bescheneed oder Terem steht inzwischen auch am Eingang von Petrifeld ein dreisprachiges Ortsschild. Und seit den Kommunalwahlen vom Juni 2000 stellt das Deutsche Forum hier und in vier weiteren Orten im Kreis Sathmar den Bürgermeister.
Ein Brüderpaar gründete 1995 in Petrifeld eine florierende Firma, die Fenster herstellt. Einer von ihnen wohnt in Deutschland, um sich dort um die Montage der aus Rumänien eingeführten Fenster zu kümmern, der andere besorgt zu Hause das Geschäft. Dies ist eine Form grenzüberschreitenden Handels zwischen Heimat und „Urheimat“, wie sie zuletzt immer mehr pfiffige Aussiedler entdeckten.
Zum Abschluß des zweiten Tages der Deutschen Kulturtage genossen die zahlreichen Teilnehmer ein buntes Programm von heimischen Dichtern und Schülern des im September 1997 eröffneten Deutschen Lyzeums in Sathmar.
Es wurden eigene Texte und Werke bekannter deutscher Autoren vorgetragen, wobei die Gymnasialschüler ihre guten Deutschkenntnisse offenbarten, obwohl Jugendliche aus rein deutschen Familien am Sathmarer Lyzeum heute genauso in der Minderheit sind wie in Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg oder Temeschwar. Meist handelt es sich um rumänische Kinder oder um solche aus deutsch-ungarischen oder deutsch- rumänischen Ehen. Die Namen der Absolventen des Jahres 2000 lassen den vielschichtigen Familienhintergrund erkennen: Valentin Grindeanu, Erzsébet Hornyák, Norbert Somosi, Ivett Szabó, Andrea Weinberger usw.
Vordringliches Interesse ist das Erlernen des Deutschen auf möglichst hohem Niveau, da dies gute Berufsaussichten in der rumänischen Wirtschaft eröffnet. Darüber hinaus genießen die hiesigen deutschen Bildungsanstalten einen außerordentlich guten Ruf.
Nach den Vorträgen der Lyzeumsschüler wurde am Sonntag morgen eine feierliche deutsche Messe gehalten. Auch dieser Programmpunkt hatte seine kulturpolitische Note, denn ansonsten sind deutschsprachige Gottesdienste für die katholischen Nachfahren der meist aus Oberschwaben und Franken ins Sathmarland gekommenen Kolonisten die große Ausnahme.
Im Anschluß an eine Stadtführung durch Sathmar, wo über 3000 Deutsche leben, gab es als Höhepunkt der dreitägigen Veranstaltungen ein Konzert in der Bischofskirche. Der Chor des Deutschen Forums Sathmar sang zusammen mit dem Chor der Bischofskirche, dem „Collegium Suebicum Sathmarense“ und dem Trestenburger Jugendchor „Maestoso“.
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