|
Auch wenn durchaus gilt, daß Kinder nichts für ihre Eltern können, so fand doch der Volksmund mit "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" eine bedenkenswerte Korrektur. An diese Schlußfolgerung fühlt man sich erinnert, wenn in diesen Tagen der Sohn der einst als "Bluthilde" verschrieenen ehemaligen Justizministerin der DDR Hilde Benjamin, Michael, den Bau der Mauer verteidigt. Benjamin rechtfertigte: "Sie war eine völkerrechtlich zulässige, zum damaligen Zeitpunkt durch die Umstände erzwungene Maßnahme". Blödsinnige Demagogie! Schon Altkommunist Brecht hatte aus Anlaß des Juniaufstandes von 1953 sarkastisch den Schlußstrich unter das unfähige SED-Regime gezogen: wenn das Volk unfähig ist, die Segnungen der Regierungen zu empfinden, dann muß das Volk eben abgesetzt werden. Das Sowjetregime besaß gerade im damals geistig und wirtschaftlich am höchsten entwickelten Teil Deutschlands, im Bereich der SBZ, in Wahrheit nie eine ernsthafte Chance für eine legale Machtausübung. Besatzerwillkür und die überaus hohe Fluchtbewegung dünnte die alte Führungsschicht bis in den unteren Mittelstand hinein aus und brachte im Gegenzug beispiellos unfähige Existenzen an die Spitze. Dieser Bruch mit aller bisherigen politischen Klugheit signalisierte damit zugleich das Ende des Regimes. Der Bau der Mauer war dann nur noch die letzte Weisheit der Unweisen, ein Schlußstein, der wie ein Propf den Fluß aller Dinge staute. Natürlich muß hierzu auch gesagt werden, daß die separatistische Neigung Bonner Kreise dem Regime ebenso zuarbeitete wie die Mächtigen der "Großen Drei", die selbstverständlich nach der Zementierung der Teilung lebhafter durchatmeten. Solche Pläne waren schließlich schon 1936/37 beredet worden.
Daß Benjamin nun in diesen Tagen auf diese Variante zurückgreift, beweist nur, wie wenig Widerstand er von der Öffentlichkeit her erwartet. Und in der Tat, bei der sattsam bekannten Unwilligkeit der Medien und der dahinterstehenden Mächte, gesellschaftspolitische Themen zu behandeln, und der leicht erkennbaren Zielstrebigkeit, allein der einseitigen Vergangenheitsbewältigung den Vorrang zu geben, setzt er hier gleichsam instinktiv auf das richtige Pferd. Bei der noch andauernden Auseinandersetzung innerhalb der PDS scheint den Medien aber entgangen zu sein, daß der Genosse André Brie ein Sakrileg schlimmster Art beging und das gängige Weltbild kippte, als er unlängst behauptete, die SED habe eine totalitäre Diktatur errichtet. Dabei sei der Anspruch der SED viel weiter gegangen als der der NSDAP. Was nun?
|
|