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Völlig verschwiegen wurde in Frankreich und im Ausland die Veröffentlichung eines Buches von zwei französischen Journalisten, das die Finanzierung der französischen KP durch die Sowjetunion beschreibt. Nach Angaben eines seiner Autoren, des Rußlandexperten Pierre Lorrain, könne diese Verschwiegenheit allein durch Querschüsse seitens der früheren Weggefährten der untergegangen Sowjetunion erklärt werden, die für längere Zeit noch die Welt des Verlags wesens beeinflussen. Auf 300 Seiten werden zahlreiche Dokumente zitiert, die ohne Zweifel beweisen, daß ohne das Moskauer Geld vermutlich die KPF eine Randerscheinung des französischen politischen Lebens geblieben wäre.
Das Interessante an dem Buch ("Largent de Moscou", Plon Verlag) ist, daß die Autoren sich fast ausschließlich auf einschlägige Moskauer Dokumentationsquellen stützen konnten. Die Archive der einstigen sowjetischen Machtzentrale sind nämlich in fünf Abteilungen aufgegliedert, darunter die Archive des Zentralkomitees der KPdSU, die die Finanzbeziehungen zwischen der KPdSU und den ausländischen kommunistischen Parteien behandeln. Diese Sonderarchive werden derzeitig von der amerikanischen Hoover Stiftung und der Bücherei des US-Kongresses ausgewertet. Insgesamt, das heißt für die fünf Archivfächer, wären rund hundert Millionen Dokumente auszuwerten, so daß ihre Auswertung durch tausend Forscher ungefähr 37 Jahre benötigen würde. Um ein Abbild von den Schwierigkeiten zu geben, die die Aufarbeitung bolschewistischer Auslandsaktivitäten bereitet, sei darauf verwiesen, daß der Fonds des US-Kongresses hundert Millionen Dokumente beinhaltet, daß es aber von 5000 Archiven verwertet wird. Dieser Fülle des Materials steht eine schnelle Verwertung der sowjetischen Archive gegenüber, so daß diese Archive noch lange unberührt bleiben dürften. Die sowjetischen Archive sind fünffach gegliedert: die Archive des Präsidenten der SU, die Mitte 1990 entstanden sind und fünfzig Jahren geheim bleiben sollen. Dann diejenigen des Zentralkomitees der KPdSU und diejenigen des russischen Sicherheitsministeriums sowie schließlich die des Instituts für Militärgeschichte. Hinzu kommen Auslandsarchive, die die Aktivitäten der Komintern umfassen und etwa die Hälfte der geraubten Archive des Deutschen Reichs.
Die Verfasser des Buches räumen ein, daß sie unter solchen Bedingungen nur tausendfünfhundert Dokumente ausgewertet haben, was immerhin schon eine einjährige Arbeit in Anspruch nahm. Laut Pierre Lorrain und seinem Mitverfasser, Victor Loupan (der beim "Figaro-Magazine" Nachrichtenredakteur ist), bieten die sowjetischen Archive den Nichteingeweihten einen gespenstischen Einblick in die blutrünstige Außenpolitik Stalins. Bisher haben sich die russischen Staatsbehörden geweigert, dem Beispiel der bundesdeutschen Behörden zu folgen, die durch die Schaffung der Gauck-Behörde einen wenigstens oberflächlichen Zugang zum Wesen des Stasi-Regiments geboten haben.
Über die Namen und die "Sünden" der sowjetischen Bürger, die in den stalinistischen KZs verschwunden sind, wird man noch lange rätseln. Die einzig brisante Ausnahme in der Geheimhaltung der jetzigen russischen Staatsverwaltung ist die Auslieferung der Dokumente, die das Massaker von Katyn betreffen, an die polnischen Behörden. Diese Dokumente wurden 1992 ausgehändigt. Ebenfalls in diesem Jahr lieferte Jelzin Frankreich die Dokumente des französischen "Deuxième Bureau"(des damaligen Geheimdienstes), die 1943 von Paris nach Berlin überführt wurden und nach dem Krieg nach Moskau gelangt waren. Bei den übrigen Unterlagen herrscht der Anschein vor, daß Moskaus gegenwärtige Führungselite, die zudem noch überwiegend aus der KPdSU und der Regierung der Sowjetunion stammt, nicht besonders kooperationswillig ist und sich zudem offenbar noch mit großem Nutzen für die Ziele ihrer eigenen Außenpolitik auf die geheimen Erkenntnisse ihrer bolschewistischen Vorgänger stützt. Francisco Lozaga / P. F.
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