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Ostdeutschland Siam Berlin

 
     
 
Manche Menschen haben den Zwang, alle möglichen Dinge aufzubewahren. Da kann es schon geschehen, daß sie sich in der Fülle ihrer "Sammlung" nicht mehr zurechtfinden. Klaus Hartmann scheint ein Mensch zu sein, der gerne Dinge aufbewahrt, denn wenn man seinen Aussagen in seinen Erinnerungen "Vorgeschichte" Glauben schenken kann, sind die dort abgedruckten Urkunden
, Briefe, Kinderzeichnungen, Zeugnisse, Gemälde, Zeitungsartikel und militärischen Dokumente alle tatsächlich aus der angegebenen Zeit. Allerdings findet Klaus Hartmann sich in seinem "Privatarchiv" zurecht und nutzt seine Unterlagen dazu, dem Leser seine Geschichte näher zu bringen.

Klaus Hartmanns Vater wurde 1900 im Kreis Tilsit und seine Mutter 1897 in Osterode geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg geht es der jungen Familie finanziell schlecht, aber durch Zufall bekommt der Vater, ein Nachrichtentechniker, 1929 eine Anstellung bei der Firma Telefunken. Einsatzort ist allerdings das Königreich Siam (heute Thailand), und so zieht die junge Familie - Vater, Mutter, der vierjährige Klaus und seine kleine Schwester Ute - in das ferne unbekannte Land. Klaus Hartmann gelingt es vor allem dank der begleitenden Dokumente, die Exotik und Andersartigkeit Bangkoks einfühlsam wiederzugeben. Die in den Text integrierten Briefe seiner Mutter an ihre Eltern in Berlin und die Schwiegereltern in Ostdeutschland lassen das damalige Leben im asiatischen Königreich lebendig werden. Da die Deutschen bei Hofe verkehrten, bekommt der Leser einen Einblick in das bunte monarchische Leben einer längst vergangenen Epoche.

Die Briefe der Mutter in die Heimat an Freunde und Verwandte sind auch insoweit informativ, da sie aus der Entfernung die politischen Ereignisse in Deutschland kommentieren. Else Hartmann, politisch links eingestellt, blickt recht skeptisch in ihre deutsche Heimat, schreibt aber auch, daß die meisten Europäer in Bangkok die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten positiv beurteilen.

1933 reisen Klaus, seine Mutter und seine Schwester zurück nach Deutschland, während der Vater noch in Siam bleibt, um die Abschlußarbeiten zu überwachen. Die Kinder werden in Berlin eingeschult und die Mutter baut sich in der Berliner Künstler-szene einen Bekanntenkreis auf, der den jungen Klaus fasziniert. 1934 kommt dann ein Telegramm, das den Tod des Vaters mitteilt. Der Schock sitzt tief, aber Else ist eine starke Frau. Sie gibt die Kinder zu ihren ostdeutschen Schwiegereltern, um sich eine neue Existenz aufzubauen, was ihr auch gelingt.

Mit dem Zweiten Weltkrieg beginnen auch für die verkleinerte Familie Hartmann die Probleme, zumal Klaus 1943 als Sanitäter eingezogen wird. Niederschmetternde Briefe seiner ehemaligen Schulkameraden von der Front mit Informationen über den Tod von Freunden verdeutlichen die Grausamkeit des Krieges. Doch trotz vieler brenzliger Situationen überlebt Klaus und gerät auch nicht in längere Gefangenschaft. Unversehrt erreicht er seine Familie und beginnt nach dem Krieg in Berlin ein Medizinstudium.

"Vorgeschichte - Erinnerungen 1925-1948" ist aufgrund des Zusammenspiels zwischen Originalbriefen, Dokumenten und dem Text des Autors reizvoll, wobei das Buch manchmal jedoch erzählerische Längen aufweist. Fritz Hegelmann

Klaus Hartmann, "Vorgeschichte - Erinnerungen 1925-1948", Universitas, München 2000, gebunden, 340 Seiten, 19,90 Eur
 
     
     
 
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