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Paris: Kommunisten mit Komplex

 
     
 
Während in Frankreich die kommunistische Gewerkschaft "Confédération générale du travail" (CGT), die immerhin nur 900.000 Mitglieder zählt, ihren Zermürbungskrieg gegen die konservative und reformwillige Regierung mit Hartnäckigkeit führt, scheint die Leitung der Sozialistischen Partei durch die Sozialunruhen etwas verlegen zu sein. Freilich schätzt der französische Politologe Thierry Wolton in seinem letzten Buch ("Comment guérir du complexe de gauche" - Wie kann man den Komplex der Linken heilen?), das soeben beim Pariser Verlag "Plon" erschienen ist, daß die Linke nicht reformfähig ist, denn sie ist zu sehr in der marxistischen und jacobinistischen Ideologie verkrustet.

Der National
sekretär der Sozialistischen Partei, François Hollande, und sein Stellvertreter, der einstige Premierminister von François Mitterand, Laurent Fabius, scheinen sich dennoch voll bewußt zu sein, daß sich die linke Niederlage letztes Jahr durch einen Mangel an glaubwürdigen Reformvorschlägen erklären läßt, so daß diese beiden Politiker sicherlich versuchen werden, ihre Partei in die linke Mitte zu lenken. Insofern dürfte der gegenwärtige Flirt zwischen der Sozialistischen Partei und der CGT, wie beim sozialistischen Parteitag im Frühling bekundet, möglicherweise nicht von langer Dauer sein. Die Lieblingsgewerkschaft der Sozialisten bleibt die CFDT ("Confédération française du travail"), welche eine reformorientierte Arbeitnehmerschaft zu vertreten wünscht.

Da die CFDT sich weigert, dem Beispiel der CGT zu folgen und jede Verhandlung mit der Regierung und dem Arbeitgeberverband MEDEF ("Mouvement des entreprises de France") zu blockieren versucht, ist es klar, daß die sozialistische Parteiführung sich nur mühevoll in den gegenwärtigen Arbeitskämpfen und der Regierung Raffarin gegenüber zu positionieren vermag. Um die Regionalwahlen nächstes Jahr zu gewinnen, brauchen die Sozialisten sicherlich die Hilfe der Kommunisten. Um regierungsfähig zu werden, hoffen sie hingegen, daß das Geschick Frankreichs nicht in den Händen von Scharfmachern liegen wird. Thierry Wolton, der im Geiste der Aufklärung schreibt, wünscht sich für Frankreich eine Wirtschaftspolitik, die sich von der Lehre von Joseph Schumpeter inspirieren läßt, wonach das freie Unternehmertum die Bedingung eines nationalen allgemeinen Wachstums ist. Die konservative Regierung versucht das derzeit zu erreichen, indem sie die Steuern zu senken bereit ist und dem Unternehmensgeist freien Weg zu geben versucht. Davon wollen die alten Kader der sozialistischen Partei nichts hören. Sie streben weiter nach einer egalitären Gesellschaft und sind dafür bereit, mit extremen Gruppen Allianzen zu knüpfen.

Die Linke in Frankreich hofft offiziell durch Wahlen an die Macht zu gelangen. Inoffiziell besteht ihr einziges gegenwärtiges Anliegen darin, mit Hilfe von Straßenkundgebungen alles zu tun, um die Rechten in Schwierigkeiten zu bringen. Allgemein wird so mit Sozialunruhen ab nächsten Herbst gerechnet.

Die jetzigen Führer und Hoffnungsträger der französischen Linken sind entweder Absolventen der Eliteverwaltungsschule "Ecole Nationale d Administration" oder Anwälte. Sie sind so von jeglicher Erfahrung in der Unternehmensführung und von den alltäglichen Problemen des Wirtschaftslebens fern. Um die Macht des Parlaments zu drosseln, haben nämlich die Gründerväter der Fünften Republik eine Verfassung erdacht, in welcher die Privilegien der hohen Verwaltungsgremien stark verankert sind. Was sich der Rechten von 1958 bis 1981 als äußerst günstig erwies, wurde ab 1981, nach der Machtübernahme durch die Linke, von dieser als ein Mittel betrachtet, eine neue politische Linie zu praktizieren, wobei die Nation durch aufgeklärte Ideologen zu lenken sei.

Durch die Verfassung der Fünften Republik ist Frankreich so zur durch Napoleon III. eingeführten Allmacht der liberalen Bürokratie zurückgekehrt, wogegen die Dritte und Vierte Republik nicht ohne Erfolg gekämpft hatten. Die jetzigen Rechten sowie linken Führungsgremien auf der politischen Szene profitieren von dieser Allmacht, ohne daß der Durchschnittsbürger etwas zu sagen hätte.

Diese Konfiszierung der politischen Macht durch das hohe Beamtentum erklärt zum Teil, daß Frankreich vom Ausland gesehen als unregierbar betrachtet wird.

Gegen diese Konfiszierung ist auf jeden Fall die Linke wohl unfähig zu kämpfen, was offensichtlich den Erfolg der Extremen bei den Wahlen und auf den Straßen erklärt.

Von Aussen gesehen haben in Frankreich die Bürokraten die Macht
 
     
     
 
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