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Patriot mit DDR-Karriere

 
     
 
Am 16. Juni wurde der Staatsrechtler Wolfgang Seiffert an der Universität Kiel zu seinem 80. Geburtstag mit einem Festakt geehrt. Zu den Festrednern gehörten der russische Historiker Wjatscheslaw Daschitschew, schon vor der Ära Gorbatschow ein Befürworter der deutschen Einheit, der Bonner Politikwissenschaftler Tilman Meyer und der frühere "Spiegel"-Redakteur Fritjof Meyer. Sie zählten zu jenem Fähnlein der Aufrechten, die mit Seiffert in den 80er Jahre
n für die Wiedererlangung der deutschen Einheit in freier Selbstbestimmung fochten. Termingemäß ist nun die Autobiographie des Jubilars erschienen.

Breslau, Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Moskau - die Städte markieren die Wegstationen eines bewegten Lebens. Seifferts frühe Biographie ist die eines katholischen Schlesiers. Er erinnert sich an Wallfahrten - die eine nach Trebnitz zur Hl. Hedwig, die andere zur Schwarzen Madonna nach Tschenstochau. Trotz antinazistischer Erziehung fand der Schüler des St.-Matthias-Gymnasiums Gefallen an den Unternehmungen des "Jungvolks". Als Marinesoldat erfuhr er im Januar 1945 die Schrecken des Krieges an der zusammenbrechenden Ostfront in Polen: Von 120 Abiturienten seiner Kompanie überlebten zehn. Beim Angriff auf Berlin zog ihn ein Rotarmist aus dem Schützenloch.

Im Schulungslager des NKFD bei Saratow an der Wolga konvertierte Seiffert zum Kommunisten. Als Antifa-Kursant wurde er 1949 für die Rückkehr nach Deutschland präpariert. Trotz Seifferts schalkhafter Begabung verlief fortan nicht alles selbstbestimmt. Als hoher FDJ-Funktionär - mit der Selbständigkeit der 1951 verbotenen westdeutschen FDJ dürfte es nicht weit her gewesen sein - wurde Seiffert 1953 verhaftet, erst 1955 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 1956 setzte er sich nach einer spektakulären Flucht "über die grüne Grenze" in die DDR ab. Als gesamtdeutscher Patriot erfreute er sich des Wohlwollens von Ulbricht ("ein deutscher Stalinist von Format") und machte Karriere als Direktor des "Instituts für Ausländisches Recht und Rechtsvergleichung" in Potsdam-Babelsberg.

Anno 1978 siedelte Seiffert nach Hamburg über, um einen Lehrauftrag an der Universität Kiel zu übernehmen. Wie er von Potsdam nach Hamburg gekommen sei? "Mit der Eisenbahn." Mit unerschöpflicher Produktivität publizierte er fortan Artikel und Bücher, die, gegründet auf die sowjetrussische Interessenlage, der "anationalen" classe politica die deutsche Einheit als realpolitisches Nahziel vor Augen stellten. Als Bundespräsident Weizsäcker zum Staatsbesuch in Moskau weilte, eröffnete ihm Gromyko: "Wir können einen neuen Rapallo-Vertrag machen." 1986 erschien von Seiffert "Das ganze Deutschland", in dem er nicht nur als Zwischenlösung einen "Bund deutscher Staaten" (mit Österreich als arbiter Germaniae!) ins Spiel brachte, sondern auch eine Rückkehr der unter Friedensvertragsvorbehalt stehenden Oder-Neiße-Gebiete nicht ausschließen wollte. Die RAF setzte Seiffert auf die Liste der "auszuschaltenden Personen". Ab 1994 lehrte Seiffert in Moskau, wo er an der Rechtsuniversität ein Zentrum für deutsches Recht etablierte. In St. Petersburg lernte er Putin kennen.

Ungeachtet aller bei Memoirenliteratur gebotenen Distanz handelt es sich um ein zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges, selbst wenn die Analyse oft vom Leser zu leisten ist. Seifferts "Schlesier-Schmerz" (Martin Walser) scheint in Kritik an der Mißachtung des deutschen und polnischen Selbstbestimmungsrechts im Einheitsjahr 1990 auf. "Die Grenzziehung beruht auf einem Pakt der beiden größten Verbrecher des vergangenen Jahrhunderts." Im Hinblick auf den Grenzschacher von Teheran bis Potsdam ist diese Aussage nur teilweise richtig. Herbert Ammon

Wolfgang Seiffert: "Selbstbestimmt - Ein Leben im Spannungsfeld von geteiltem Deutschland und russischer Politik", Ares Verlag, Graz 2006, geb., 216 Seiten, 19,90 Euro 5603
 
     
     
 
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