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Nur noch knapp zwei Jahre trennen uns vom Beginn der Olympischen Spiele in Peking. Da ist die Führung des bevölkerungsreichsten Landes der Welt mehr denn je auf ein tadelloses Erscheinungsbild erpicht. Wer jedoch gehofft hatte, die kommunistische Nomenklatura unter Staatschef Hu Jintao setze dabei Zeichen in Richtung auf mehr Freiheit und Offenheit, sieht sich nach jüngsten Entwicklungen mehr als enttäuscht.
Unter Hongkongs Journalisten geht die Angst um, seit ihr Kollege Ching Cheong im April 2006 von der Staatsicherheit verhaftet worden war. Ende August verurteilten rotchinesische Richter den China-Korrespondenten der Singapurer Zeitung "Straits Times" zu fünf Jahren Haft wegen "Spion age". Nur eine Woche zuvor war der China-Berichterstatter der "New York Times", Zhao Yan, zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nach Informationen von "Reporter ohne Grenzen" sitzen mittlerweile mehr als 80 chinesische Journalisten und Internet-Dissidenten hinter Gittern.
Aus Chings Umgebung wird der Vorwurf der Spionage als völlig abwegig zurückgewiesen. Der Hongkonger Journalist habe sogar besonders enge Kontakte zu rotchinesischen Politikern, Unternehmern und sogar zur Staatssicherheit unterhalten und mit ihnen Informationen ausgetauscht.
Doch genau das könnte sein Verhängnis geworden sein. Die Gesetze der Volksrepublik sind hinsichtlich Spionage sehr weit gefaßt. Die Weitergabe von Informationen selbst minderen Belangs kann bereits als Geheimnisverrat geahndet werden. Chinesische Medienmacher beklagen, daß sie sich schon mit einer belanglosen Recherche in Gefahr begeben können, ohne es zu bemerken.
Ende vergangener Woche trat eine neue Verordnung in Kraft, die auch alle ausländischen in China tätigen Nachrichtenagenturen an die Kette legt. Ab sofort dürfen die Agenturen ihre Meldungen nur noch nach vorheriger Prüfung und Genehmigung durch die staatliche Presseagentur "Xinhua" veröffentlichen. Dabei ist noch nicht klar, ob dies lediglich solche Meldungen betrifft, welche ausländische Agenturen für den chinesischen Markt produzieren, oder auch jene, die sie in ihre Heimatländer absetzen. Untersagt sind alle Nachrichten, welche die Souveränität, nationale Einheit (unter Einschluß Taiwans und Tibets) und territoriale Integrität untergraben könnten oder die nationale Sicherheit gefährden. Selbst Meldungen, welche den Ruf Chinas beschädigen könnten, sollen nicht länger durchgelassen werden. Auch dürfen keine Informationen mehr verbreitet werden, die geeignet wären, die wirtschaftliche und soziale Ordnung und die soziale Stabilität des Landes zu beeinträchtigen. Letztlich also sind Meldungen und Kommentare zu praktisch sämtlichen berichtenswerten Ereignissen und Gegebenheiten der unbeschränkten Auswahlwillkür der staatlichen Prüfer ausgesetzt. Sollte dies auch für ins Ausland verbreitete Berichte über China gelten, wäre eine ernstzunehmende Berichterstattung aus dem Reich der Mitte de facto unmöglich geworden.
Alle Maßnahmen deuten auf beträchtlich erhöhte Nervosität in Pekings Führung hin. Seit Jahren ist bekannt, daß die soziale Kluft im Land dramatisch wächst. Hinter den Glitzerfassaden der küstennahen Sonderwirtschaftszonen wie Schenzen oder Schanghai türmt sich eine gewaltige Woge landloser Bauern und mehr oder weniger arbeitsloser Wanderarbeiter auf. Meldungen über Unruhen und ihre gewaltsame Niederschlagung sickerten bereits durch. Für europäische Verhältnisse kaum vorstellbare Umweltprobleme, massenhafte Landenteignungen für neue Staudamm- und andere Bauprojekte heizen die Lage weiter an.
Erst kurz vor dem Europa-Asien-Gipfel in Helsinki hatte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao die erheblichen Schwierigkeiten gegenüber der europäischen Presse eingeräumt. Sein Land sei aufgrund der enormen sozialen Schwierigkeiten noch nicht reif für die Demokratie, entschuldigte sich Wen, deutete aber an, daß die Entwicklung auf jeden Fall in die demokratische Richtung gehe solle - ein offenbar zweifelhaftes Versprechen. |
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