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Seit vielen Jahren ist der "Verein für Pferderennen und Ausstellungen in Preußen von 1835" bei einem Galopp-Renntag Gast des Mülheimer Rennvereins. So auch in diesem Jahr.
Zunächst: Wer oder was ist dieser Verein? Hinter diesem etwas antiquiert klingenden Namen verbirgt sich der Verein, der vor dem Roßgärtner Tor auf der Königsberger Rennbahn Carolinenhof Galopprennen veranstalt ete. Er wurde im Jahre 1835 mit königlicher Kabinettsorder von Friedrich Wilhelm III. gegründet und veranstaltete in den darauffolgenden Jahren Flach- und Hindernisrennen an verschiedenen Plätzen, so auch in Metgethen, bis er in den 70 Jahren des 19. Jahrhunderts in Carolinenhof seine Heimat bis zum Zweiten Weltkrieg fand.
Jedes Jahr fanden acht bis zehn Renntage statt, es gab eine Trainier-Anlage, auf der mehrere Trainer Voll- und Halbblüter trainierten. Vollblüter - die älteste Hochleistungszucht überhaupt wird etwa seit dem Jahre 1700 in England betrieben - sind eine Kreuzzung von arabischen Hengsten und englischen Stuten. Und Halbblüter wiederum sind eine Kreuzung dieser zunächst in England gezüchteten Vollblüter mit ostdeutschen beziehungsweise Trakehner Stuten. Die Halbblüter waren die Auslese, die schnellsten der Pferde, die aus dieser Kreuzung hevorgingen. Die ostdeutsche Halbblutzucht brachte viele hervorragende Rennpferde, die mit Vollblütern erfolgreich konkurrieren konnten, insbesondere über Sprünge.
Der Galopprennsport in Ostdeutschland war bedeutend, insbesondere durch die Pferdezüchter und vielen Offiziere aus den dortigen Kavallerie- und Artillerie-Regimentern. Berühmte Züchter waren die Grafen Lehndorff und Kalnein, A. v. Gramatzki, v. Zitzewitz-Weedern Krebs und v. Below-Lugowen, und auch etliche Reiter machten international Furore. Es gab mehrere Rennbahnen, die bekannteste war Trakehnen mit dem von-der-Goltz-Querfeldeinrennen, dann gab es noch Lyck, Osterode, Insterburg, Tilsit, Rastenburg, Cranz und Rauschen, daneben in Westpreußen Danzig-Zoppot sowie Marienburg.
Zu den Reitern. Viele waren deutsche Champions, so mehrfach Graf Georg Lehndorff, Graf H. Dohna, Graf Siegfried Lehndorff, später einer der herausragenden deutschen Hippologen, H. Biber. Mehrere waren in der schwersten Steeple-Chase der Welt in Pardubitz erfolgreich am Start, so der aus Holstein stammende Hans Wiese mit seiner auf Oldenburger Basis gezüchteten Stute Wahne, H. Scharffetter und Oskar Lengnick mit dem von ihm selbst gezüchteten Herold; sie alle waren natürlich auch in der Haupt-Attraktion des ostdeutschen Rennsports, dem bereits erwähnten von-der-Goltz-Querfeldeinrennen mehrfach erfolgreich.
Man sieht: Die ostdeutsche Pferdezucht hat eine bedeutende, für die deutsche Pferdezucht sogar eine beherrschende Stellung gehabt. Es ist verständlich, daß sich unmittelbar nach dem Kriege eine Reihe Ostdeutschland wieder am Rennsport beteiligten und natürlich auch den Gedanken gehabt haben, "ihren" alten Verein in irgendeiner Form am Leben zu halten. Ein ostdeutscher Pferdemann fühlt sich seiner Heimat und den Pferden immer verbunden. So wurde beschlossen, die Tradition aufrechtzuerhalten, bis sich eines Tages vielleicht Träume erfüllen. Heute kann man es klar definieren: Auch Ostdeutschland wird eines Tages zur EU gehören, und es wird vielleicht Pferdeleute geben, die an alte Traditionen anknüpfen möchten.
So hat der Verein vor vielen Jahren eine Patenschaft mit dem Mülheimer Rennverein geschlossen und nach der Wende eine weitere mit dem Verein, der die älteste deutsche Galopprennbahn in Bad Doberan betreibt. Dort fanden 1822 die ersten Rennen in Deutschland statt.
Der Verein hat rund 60 Mitglieder und ist bemüht, junge, an Pferden interessierte Menschen als Mitglieder zu gewinnen, um den Anschluß an die Zukunft nicht zu verpassen. Neben den Ostdeutschland-Fahrten werden alljährlich Gestütsbesuche und kulturelle Ausflüge gemacht. Wer hier, auch als Nichtmitglied, teilnehmen will, sollte sich einfach bei den beiden unten genannten Adressen melden.
Die Rennen in Mülheim an der Ruhr finden in jedem Jahr Ende Oktober, Anfang November statt, die Rennen in Bad Doberan jeweils in der letzten Juli-Woche. Ansprechpartner für beide Veranstaltungen ist der "Hauptvorsteher", wie es in der Satzung von 1835 heute noch heißt, Hans-Heinrich v. Loeper, 50189 Elsdorf, Sittarderhof, oder Dieter Bagusz, Buschstraße 3 b, 26215 Neuenkruge. |
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