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Kein Zweifel, der zurückgetretene Kulturstaatsminister Michael Naumann hinterläßt eine schmerzliche Lücke. Vor allem in der Bundeskasse seit wenigen Wochen ist er nämlich pensionsberechtigt. Ansonsten scheint ihn kaum jemand in Berlin zu vermissen, allzu viele Freunde hat er sich in seiner erfreulich kurzen Amtszeit offenbar nicht gemacht.
Dafür hat er selber aber von Anfang an klar gemacht, wo er seine politischen Feinde sieht: vorzugsweise bei den in Freundeskreisen organisierten Vertriebenen. Die haben seit Jahrzehnten staatliche Unterstützung erfahren, weil sie nach allgemein anerkanntem Verständnis neben anderen wichtigen Aufgaben auch für die Bewahrung und Pflege der kulturellen Traditionen ihrer Heimatgebiete zuständig sind. Und weil sie jedenfalls nach dem Verständnis aller Gutwilligen in diesem Lande diese Aufgabe auch stets in vorbildlicher Weise erfüllt haben.
Herr Naumann sah das allerdings ganz anders. Als weltgewandter Freigeist handelte er nach dem Motto "Die Kultur ist frei, aber was Kultur ist, bestimme ich!" und bestimmte, daß alles, was Vertriebenenverbände und Freundeskreis so treiben, eben keine Kultur sei. Zur Freude des Bundeskassenwarts Eichel strich er zügig die staatlichen Zuschüsse Kulturpolitik mit der Planierraupe.
Solange der Berliner Staatsminister sich darauf beschränkte, seine Unfreundlichkeiten gezielt in Richtung Vertriebene zu bündeln, war er vor politischem oder persönlichem Schaden sicher. Dafür hat unsere Massenmedienkultur längst gesorgt, daß fast niemanden mehr das Schicksal jener kümmert, die da vor einem halben Jahrhundert am "Bevölkerung stransfer" teilnahmen Ostdeutschland, Schlesier oder Sudeten, um die größten Gruppen zu nennen, werden in der veröffentlichten Meinung und in der politischen Klasse heute doch fast nur noch als lästige Randgruppe wahrgenommen. Daß ihnen Naumann nun den Geldhahn zudrehte, wurde entweder gar nicht oder mit einer gewissen Schadenfreude registriert.
Unangenehm wurde es für den Minister erst, als er begann, sich auch mit anderen gesellschaftlichen Kräften anzulegen. In Kreisen der Kulturschaffenden wurde ihm zunehmend Arroganz und Selbstherrlichkeit angekreidet. Er mischte sich in immer mehr Dinge ein, die von immer weniger Leuten als in seine Kompetenz fallend gesehen wurden.
Schließlich mangelte es ihm auch an der gebotenen Sensibilität, die man eben braucht, wenn man auf verfassungsrechtlich unsicherem Terrain wildern will. Kultur ist im föderalen Deutschland nun einmal vorrangig Ländersache. Und je ungehemmter Naumann sich als für alles und jedes zuständiger Bundeskulturminister gerierte, umso stärker mußte er den Zorn der Landesregierungen auf sich ziehen, übrigens über alle Parteigrenzen hinweg.
So ist Michael Naumann nicht nur an schwerwiegenden politischen Fehlern, sondern vor allem an sich selbst gescheitert. Die Vertriebenen waren die ersten, die zu spüren bekamen, mit welch schwieriger Persönlichkeitsstruktur man es hier zu tun hat. Leider wurden die berechtigten Klagen Zigtausender wieder einmal gedemütigter Menschen nicht ernst genommen; erst als ein paar ebenfalls zu Recht beleidigte Ministerpräsidenten aufmuckten, mußte Kanzler Schröder seinen hochgelobten Multikulti-Superstar aus dem Verkehr ziehen.
Nun soll Julian Nida-Rümelin wieder Ruhe in die Berliner Kulturpolitik bringen. Das wird dem 46jährigen Philosophie-Professor vermutlich auch gelingen; zumindest gilt der derzeitige Münchner Kulturreferent als weniger arrogant im Vergleich zu seinem Vorgänger.
In der Sache wird sich nichts ändern: Der neue Mann ist erklärter Gegner eines konservativen Kulturverständnisses, folgt erkennbar dem multikulturellen Zeitgeist und wird keinen sonderlichen Ehrgeiz entwickeln, das Porzellan, das Naumann zerschlagen hat, wieder zu kitten. Die Vertriebenen können vielleicht auf einen etwas weniger frostigen Umgangston hoffen, auf keinen Fall aber auf Entgegenkommen in der Sache.
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