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Putins russisches Roulette

 
     
 
Auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten für die deutsche Wirtschaft traf Bundeskanzler Schröder vergangenen Freitag seinen Freund Putin in Moskau. Gegenstand der Gespräche war unter anderem der Bau einer Gaspipeline durch die Ostsee. Das Investitionsvolumen für die Deutschen soll zwischen zwei und 2,5 Milliarden Euro
liegen und wäre damit das größte bilaterale Handelsabkommen seit über 20 Jahren. An dem Geschäft sollen zu 50 Prozent die deutschen Konzerne Eon und Wintershall und zu 50 Prozent die russische Gazprom beteiligt sein.

Während Schröder und Putin den Erfolg feierten, wurde sowohl an der deutschen wie der russischen Basis Kritik wegen der Ausklammerung der Jukos-Affäre beim Staatsbesuch laut. Schröder wollte keine Stellung beziehen, weil es sich um eine "innerrussische Angelegenheit" handele und er an der "rechtsstaatlichen Verfahrensweise" keinen Zweifel hege. Hier muß er sich allerdings fragen lassen, ob es nicht gerade der Einmischung eines Vertreters der Rechtsstaatlichkeit bedarf, wenn ein Manager bei einer Gerichtsverhandlung wegen Steuerhinterziehung wie ein Schwerverbrecher im Käfig vorgeführt wird.

Immerhin hatte Jukos-Chef Chodorkowskij signalisiert, 44 Prozent der Aktien dem russischen Staat zur Begleichung der Steuerschulden überlassen zu wollen mit dem Ziel, den Konzern zu retten, dem nun die Zerschlagung droht. Hiervon wären nicht nur die vielen Kleinaktionäre betroffen, sondern auch die Beschäftigten des Konzerns, denen noch in Erinnerung ist, wie sie drei Monate oder länger auf ihr Gehalt warten mußten, als die Betriebe staatlich waren.

Offenkundig will die Kremlführung hier ein Exempel im Umgang mit aufmüpfigen Oligarchen statuieren. Nicht zufällig wurde Chodorkowskij kurz vor der Präsidentenwahl verhaftet, nachdem er eigene Ambitionen auf das Amt bekundet hatte. Er wurde Putin zu unbequem.

In Rußland lebt jeder, der gewissen Kreisen zu nahe tritt, gefährlich. Dies belegen die Schüsse auf Paul Chlebnikow, den Chefredakteur der russischen Forbes-Ausgabe. Im Mai dieses Jahres hatte er eine Liste der 100 einflußreichsten Leute in Rußland veröffentlicht, die großes Mißfallen unter den Genannten erregte, deckte sie doch Verquickungen zwischen Wirtschaft, Staat und Mafia auf. Kurz vor seiner Ermordung wies er darauf hin, daß die Chefs der großen Konzerne wie Sibneft, Gazprom, Lukoil und Severstal zu den persönlichen Freunden des Präsidenten gehören - außer Jukos-Chef Chodorkowskij!

Offenbar hatte Chlebnikow sich zu weit in die Abgründe der Politik hineinbewegt und mußte dies mit seinem Leben bezahlen. Wen wundert es da, daß "rein zufällig" der Notarztwagen über kein Sauerstoffgerät verfügte, und "rein zufällig" der Aufzug im Krankenhaus steckenblieb und Chlebnikow verstarb, ehe die Rettungskräfte mit ihm den OP erreichten?

 
     
     
 
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