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Rechtsstaat hat erneut verloren

 
     
 
"Wir sind nicht enteignet, wir sind beraubt worden!" Die Enteignungsopfer von DDR und SBZ sehen sich als Ausgestoßene des Rechtsstaats, seitdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe nunmehr auch ihre Forderung nach angemessener Entschädigung abgeschmettert hat.

Auf der Basis des lächerlichen Verkehrswertes vom 3. Oktober 1990 war ihnen eine Art Trinkgeld gewährt worden. Und selbst von den Kümmerbeträgen genehmigte sich die damalige Regierung noch kräftige Abschläge. Beträge über 10 000 Mark wurden noch einmal drastisch gekürzt: Grundstückswerte bis 20 000 Mark beispielsweise um 30 Prozent, von 50 000 bis 100 000 Mark schon um 70 Prozent und dann bis 500 000 Mark um 80 Prozent. Bei Grundstückswerten ab drei Millionen Mark schließlich nahm sich die Regierung 95 Prozent.

Mit welchem Recht? Enteignungen sind nur zulässig, wenn sie aus Gründen des Allgemeinwohls unumgänglich sind. Demzufolge haben die mitteldeutschen Enteignungsopfer in den Fällen, in denen ihr alter Besitz zwischenzeitlich etwa von Neusiedlern in gutem Glauben erworben worden waren, auf Rückgabe verzichtet. Ein Rechtsstaat, der sich nicht zum Handlanger kommunistischen Unrechts
herabwürdigen will, hätte in diesem Falle nach dem heute geläufigen Verkehrswert entschädigen müssen – so, wie es in der Bundesrepublik seit jeher Recht und Gesetz vorschreiben.

Doch dies, so argumentierten die Karlsruher Richter, hätte die Öffentliche Hand viel zu sehr belastet. Die Rede ist von 20 Milliarden Mark. Die Summe mag auf den ersten Blick beeindrucken. Indes, eine ganz andere, just in diesen Tagen bekannt gewordene Zahl dürfte den Respekt selbst der gutmütigsten Enteignungsopfer schnell in blanke Wut umschlagen lassen.

Wie das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat, gehen dem deutschen Fiskus im Zuge der Einführung der Euro-Banknoten 60 Milliarden Mark verloren. Es handelt sich um die Wertschöpfung bei der Einführung neuer Banknoten, die jetzt nicht mehr an die Bundesbank, sondern an die Europäische Zentralbank fließt. Deutschland sei hier, so Ifo, der größte Verlierer, Frankreich der größte Gewinner – das liege an den in Maastricht ausgehandelten Modalitäten.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Nun: Im Falle der Euro-Einführung geht es um eine politisch gewollte Entscheidung, bei den Enteignungen um schlichtes Recht, das politischen Interessen geopfert wird. Die Tradition der europäischen Rechtsstaaten indes setzt mit bestem Grund das Recht vor die Politik, ja sogar vor den Mehrheitswillen. So müßte uns also das Recht stets – auch finanziell – wertvoller sein als politisch-ideologische Projekte. Mit den eher zufällig parallel publik gewordenen Zahlen wird dem entgegen gleichsam ein Polsprung der Prioritäten sichtbar. Was wir beobachten, ist ein weiteres Zeichen für den Sieg der Ideologie über die Justiz, der Gesinnungsziele über die Rechtsansprüche.

 
     
     
 
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