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Das Modell der 35-Stunden-Woche ist nach An-sicht der meisten Wirtschaftsexperten gescheitert. An-gestellte und Beamte im öffentlichen Dienst müssen wieder länger arbeiten; und auch aus Kreisen der freien Wirtschaft mehren sich die Signale, wieder zur bewährten 40-Stundenwoche zurückzukehren oder sogar noch länger zu arbeiten. In der Vergangenheit führte das stetige Wirtschaftswachstum dazu, daß die Menschen weniger arbeiten und mehr Freizeit haben wollten. Doch die Zeiten beständiger Wohlstandsmehrung sind längst vorbei.
Im international en Vergleich arbeiten die einst so fleißigen Deutschen immer noch recht wenig. 2004 hatte Westdeutschland mit einer durchschnittlichen Jahresarbeitszeit von 1601 Stunden in der Industrie weltweit die kürzeste Arbeitszeit überhaupt. Japan mit 2013, die Vereinigten Staaten mit 1920, Griechenland mit 1848, Spanien mit 1754 und Italien mit 1728 lagen deutlich darüber.
Kollektive Arbeitszeitverkürzung verteuere die Arbeit, sagt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): "So haben die Verkürzungen in den 80er und 90er Jahren dazu geführt, daß zwischen 1987 und 1997 bei der Gesamtheit der westdeutschen Unternehmen ein zusätzlicher Kostenschub von sieben Prozent und in der Industrie sogar von zwölf Prozent ausgelöst wurde." Doch immer mehr Beschäftigte wollten sich nicht mehr damit abfinden, daß ihnen durch Arbeitszeitverkürzungen die Chance auf Entfaltung und zusätzliches Einkommen genommen werde, so die BDA.
Untersuchungen belegten, daß eine wachsende Anzahl der Arbeitnehmer eine Ausweitung ihrer Erwerbsarbeit anstrebt.
Bereits Ende vergangenen Jahres hatte das Textilunternehmen C & A die Rückkehr zur 40-Stundenwoche ohne Lohnausgleich bekanntgegeben. Damit wollte der Konzern auf die schwierige Lage im deutschen Einzelhandel reagieren. Nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" (FTD) gilt die Regelung allerdings nur für Neueinstellungen sowie für Auszubildende und Aushilfen, die nach dem 31. Ok-tober 2005 übernommen wurden. Für die anderen Beschäftigten sei die 40-Stundenwoche eine "freiwillige Option". Vor kurzem sprach sich auch Manfred Wennemer, Vorstandsvorsitzender des Autozulieferers "Continental", für die Rückkehr zur 42,5-Stunden-woche und weniger Urlaub aus. Gegenüber der Tageszeitung "Die Welt" sagte Wennemer: "Deutschland wäre sicherlich geholfen, wenn wir soviel arbeiten würden wie die Schweizer." Stefanie Wahl, Geschäftsführerin des Bonner "Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft" (IWG), führt die Schweizer Erfolge am Arbeitsmarkt auch darauf zurück, daß die Eidgenossen mehr arbeiten als ihre deutschen Nachbarn. "Vollzeitarbeitskräfte haben in Deutschland nicht nur eine geringere tarifliche Wochenarbeitszeit als in der Schweiz - im verarbeitenden Gewerbe gilt in jedem fünften Betrieb die 35-Stunden-woche -, sondern auch mehr Urlaubs- und Feiertage", so Wahl. In der Schweiz ist die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch wie in Deutschland. Dies entkräftet den Vorwurf der Gewerkschaften und anderer Interessenvertreter, wo-nach weniger Arbeitsstunden zu mehr Neueinstellungen führen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Entscheidend sei die Flexibilität bei den Arbeitszeiten, betont Jürgen Riese, Geschäftsführer von "exemptec" und Vertriebsleiter der a & o-Gruppe: "Die Bereitschaft, mehr zu arbeiten, wenn die Umstände es verlangen, ist eine Voraussetzung für Jobsicherung und Wachstum." Riese verweist auf eine Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Bereits zwei Drittel der deutschen Betriebe hätten ihre Arbeitszeiten flexibilisiert. Erforderlich sei ein Korridor, der phasenweise höhere Wochenstundenzahlen ermögliche.
Die "exemptec"-Leute arbeiten seit dem 1. Januar 2006 42 Stunden pro Woche und haben einen Urlaubsanspruch auf 25 Tage im Jahr. Die Belegschaft habe diesen Schritt positiv aufgenommen. "Nur der kann erfolgreich sein, der seine Arbeitszeit nach den Kunden richtet. Unser Unternehmen ist im Servicegeschäft tätig, und da werden flexible Arbeitszeiten erwartet.
Mit einem flexiblen Arbeitszeitsystem können saisonale Schwankungen ausgeglichen werden. Unser Geschäft läuft zur Zeit sehr gut, und somit war es ein logischer Schritt, jetzt ein wenig mehr zu arbeiten", sagt Riese.
Das Beispiel könne auch bei anderen Serviceunternehmen Schule machen.
Arbeitszeitverkürzung machte den Standort Deutschland zu teuer |
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