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War es Zufall, oder sind die Pentagon-Strategen doch cleverer, als die weltweite öffentliche (beziehungsweise veröffentlichte) Meinung ihnen zugetraut hätte? Während die Medien Mitte voriger Woche darüber spekulierten, wie viele Monate dieser Krieg nun noch dauern werde, da ja der anglo-amerikanische Vormarsch mangels Nachschub erst einmal gestoppt sei, ließen die Amerikaner bereits die Panzermotoren warmlaufen. Was nach Meinung fast aller "Experten" allenfalls irgendwann im Sommer hätte eintreten dürfen, war innerhalb weniger Tage Realität: US-Truppen besetzen den Flughafen von Bagdad, umzingeln die irakische Hauptstadt, dringen bei gezielten Panzervorstößen bis ins Machtzentrum des Regimes vor - eine geradezu demütigende Machtdemonstration an die Adresse Saddam Hussein s und seiner letzten Getreuen, aber auch an die Bevölkerung des geschundenen Landes: Wir können uns überall in eurem Land frei und ungehindert bewegen, wir haben alles unter Kontrolle. Nun brauchen die Iraker sich nur noch befreit zu fühlen, und alles wird gut.
Nur einer glaubt immer noch nicht, daß die unkonventionelle, überraschende, allerdings den Medienvertretern nicht zwecks Genehmigung vorab offenbarte Taktik der Amerikaner erfolgreich war: Bagdads Informationsminister Said el Sahhaf. Unverdrossen und eloquent verkündet er die täglichen Siege der glorreichen mesopotamischen Armeen - während im Hintergrund ein arabischer(!) TV-Sender US-Panzer am Tigris-Ufer und GI s vor Saddams goldverzierter Badewanne im "Palast der Republik" zeigt, weiß el Sahhaf von flüchtenden Ungläubigen und rasch vorrückenden irakischen Garden zu berichten. Anfangs galt er, vor allem in deutschen Fernsehsendungen, ja noch als höchst glaubwürdig (im Gegensatz zu den alliierten Militärsprechern). Das hat sich in den letzten Tagen geändert; auch der einseitigste Meinungsmacher hat inzwischen einräumen müssen, daß - entgegen allen vollmundigen Erfolgsmeldungen des Informationsministers - die Panzerspitzen der Republikanischen Garden eben doch nicht am Stadtrand von Washington stehen, sondern sich in Auflösung befinden - am Stadtrand von Bagdad.
Mich würde es kaum noch überraschen, wenn Said el Sahhafs letzter Live-Auftritt damit endet, daß ihm ein GI auf die Schulter tippt und eine Einladung zum "casting" in Hollywood zusteckt. An schauspielerischem Talent dürfte es ihm nicht mangeln.
Wer nach Beispielen für mangelnde Wahrheitsliebe sucht, muß aber nicht unbedingt nach Bagdad reisen; man findet sie auch im eigenen Lande. So fielen mir bei der Lektüre verschiedener Zeitungsberichte über die "Wehrmacht-Ausstellung" im schleswig-holsteinischen Neumünster erstaunliche Ungereimtheiten auf. Da gab es Demonstrationen von links und von rechts, pro und contra. Da gab es auch Krawalle - aber von welcher Seite? In der Springer-Zeitung Die Welt heißt es, "rund 300 Neonazis ... machten gegen die Ausstellung mobil", während "rund 500 Menschen friedlich gegen den rechten Aufmarsch protestierten", bis dann die eingesetzten 1300 Polizisten "von den Neonazis mit Steinen beworfen" wurden.
Ganz anders stellt sich der Vorgang im Hamburger Abendblatt (ebenfalls Springer-Verlag) dar: "Etwa 500 Neonazis haben protestiert", woraufhin "Gegendemonstranten aus der linken Szene versuchten, den rechten Aufmarsch zu stören. Dabei flogen Steine gegen Polizisten ... 75 der etwa 200 Autonomen wurden festgenommen." Erinnern wir uns: Einst, zu Lebzeiten des legendären Axel Springer, war Die Welt das publizistische und politische Flaggschiff des Pressekonzerns. Diesen Rang hat sie, wie nicht nur das hier zitierte Beispiel lehrt, nach meinem Empfinden längst an die hauseigene Konkurrenz abgegeben.
Ebenfalls im Hamburger Abendblatt findet sich am Dienstag dieser Woche eine weitere eindrucksvolle Bestätigung unseres Seite-1-Aufmachers der vorigen Woche: Der Einfluß der linksextremistischen "Sozialistischen Alternative Voran" (SAV), einer vom Verfassungsschutz observierten trotzkistischen Kaderpartei, auf Schülerproteste gegen den Irakkrieg sei "größer als bislang angenommen", meldet die Zeitung unter Berufung auf Geheimdienstkreise.
Die SAV hat nach eigenem Bekunden die Gründung der Schülerorganisation "Jugend gegen Krieg" initiiert in der Hoffnung, daß "wir viele Aktive davon überzeugen können, daß das kapitalistische System durch eine sozialistische Demokratie ersetzt werden muß". Beziehungsweise, "um sie mit ihren linksextremistischen Positionen zu indoktrinieren", wie es im Verfassungsschützer-Deutsch heißt. Mißbrauch des idealistischen Engagements vieler Jugendlicher - das war vor einer Woche auch unsere Formulierung. |
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