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Saubermann als Sieger

 
     
 
Estland bildet keine Ausnahme: Wie in den meisten Staaten Ostmitteleuropas kann in der nördlichsten Baltenrepublik auch ein gutes Jahrzehnt nach der Wende nicht von einem stabilen Parteiensystem die Rede sein. Zusammenbrüche scheinbar gefestigter Parteien und kometenhafte Aufstiege neuer Gruppierungen kennzeichnen die politische Landschaft. So auch in Estland.

Oberflächlich betrachtet, mag das anders erscheinen: Die (rechts)liberale Reformpartei von Ministerpräsident Siim Kallas konnte sich bei der Parlamentswahl am Sonntag um 1,8 auf 17,7 Prozent steigern und die Mandatszahl von 18 auf 19 erhöhen. Auch ihr (halblinker) Koalitionspartner, die Zentrumspartei des Wendezeitministerpräsidenten Edgar Savisaar, legte um 1,9 auf 25,3 Prozent zu und behauptete ihre 28 Sitze im 101 Angeordnete umfassenden Parlament. Ein weiterer Blick auf das Wahlergebnis zeigt jedoch dramatische Veränderungen: Die (konservative) Vaterlandspartei des vorherigen Ministerpräsidenten Mart Laar stürzte von 16,1 auf 7,3 Prozent ab und verlor elf ihrer bisher 18 Mandate. Laars damaliger Koalitionspartner, die Moderaten (rechte Sozialdemokraten), erlitt ebenfalls ein Desaster; sie ziehen nach dem Verlust von elf Mandaten nur noch mit sechs Vertretern in das Riigikogu ein. Statt 15,2 konnten sie nur noch 7,1 Prozent der Wähler binden. Die der Mitte zuzurechnenden Rahvaliit (vornehmlich in der Landbevölkerung
verankert) kamen bei 13 Prozent auf 13 Sitze.

Einen fulminanten Wahlerfolg erzielten aus dem Stand heraus die (rechtsbürgerlichen) Republikaner von Juhan Parts. Die Republikaner sind eine Partei der Jugend. Sie wird von 25- bis 30jährigen dominiert. Parts mobilisierte sie, als er das Finanzgebaren des Staates kritisierte, sein Amt als Rechnungshofpräsident aufgab und eine Kampagne für Sauberkeit im Staate inszenierte. Es ist kaum vorstellbar, daß Parts bei der Regierungsbildung übergangen werden könnte, nachdem der von vielen erwartete (oder befürchtete) große Wahlsieg des Zentrums ausgeblieben ist.

Daß Savisaar keinen Boden gutmachen konnte, lag wohl auch daran, daß sich noch allzu viele Esten der Skandale erinnerten, die sich um Savisaar ranken. So mußte er 1995 unter anderem wegen einer Abhöraffäre zurücktreten. Gerüchte über zu gute Kontakte nach Rußland sind auch noch nicht verstummt. Und kurz vor den Wahlen kamen Einzelheiten über eine Privatisierungsintrige um den Revaler Zentralmarkt ans Tageslicht, in die offenkundig ein wichtiger Gönner Savisaars verwickelt ist. Bei dieser düsteren Geschichte vor vier Jahren hatte es zwei Tote gegeben.

Nachzutragen bleibt noch, daß im neuen Parlament keine einzige russische Partei mehr vertreten ist. Einige russischsprachige Politiker haben jedoch in den estnischen Parteien eine neue politische Heimat gefunden - ein Zeichen für die erfolgreiche Integrationspolitik Estlands.
 
     
     
 
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