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Schampus mit Mao

 
     
 
Besorgt schaut der Direktor in den von keinem Wölkchen getrübten Himmel und stöhnt: "Hoffentlich ist dieser verflixte Sommer bald vorbei. Regen brauchen wir, Regen, dicke Wolken, kurz, schlechtes Wetter, damit die Leute nicht am Strand oder im Freibad liegen, sondern zu uns kommen. Wer geht denn schon bei herrlichem Sommerwetter ins Museum? ..." Eine Szene, die sicher so nicht stattgefunden hat, die jedoch zeigt, wo das Problem liegt: den deutschen Museen laufen die Besucher weg, oder besser, sie gehen gar nicht erst hin. Zumindest nicht Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller; die lassen sich vielleicht einmal von einer Super-Sonder-Mega-Schau ins Museum locken, zu einer Ausstellung, die "man" gesehen haben muß, um mitreden zu können auf einer der vielen Partys.

Die Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art in Berlin ist ein solches Zugpferd, da nehmen die Besucher auch schon mal lange Wartezeiten in Kauf, um sich dann an modernen und modernsten Kunstwerken
vorbeischieben zu können. Aber nicht jedes Museum kann einen solchen Glückstreffer verbuchen wie die Neue Nationalgalerie in Berlin. Da müssen die Direktoren schon auf andere Ideen kommen, um Besucher in ihre Häuser zu locken.

Die Holländer haben jetzt eine offensichtlich ganz publikumswirksame Promotion gestartet: kurz VIP-Import, genauer gesagt: sie laden prominente Zeitgenossen aus Politik und Showgeschäft (wo ist da heute der Unterschied, werden jetzt einige fragen) ein, um als Stargast bei Ausstellungseröffnungen zu glänzen. Hollywood-Star Joan Collins, der Pop-Sänger Bono und selbst der ehemalige Sowjet-Präsident Michail Gorbatschow reisten nach Groningen, um im dortigen Museum die eine oder andere Ausstellung zu eröffnen. Die Idee zündete: seit 1999 stiegen die Besucherzahlen im Groninger Museum von 182.000 auf 235.000.

Selbst das Gemeindemuseum in Den Haag, ein vergleichsweise kleineres Haus, konnte im vergangenen Jahr ein Plus von 34 Prozent bei den Besucherzahlen aufweisen. Wichtig sei es, die Hemmschwelle zu senken und den Menschen das Museum als kulturelle Vergnügungsstätte anzubieten. Kunst als Freizeitbeschäftigung habe Zukunft. Und wer keine Zeit hat, ins Museum zu gehen, auch für den ist in Holland gesorgt: Das Amsterdamer Rijksmuseum, das unter anderem Werke von Rembrandt beherbergt, präsentiert regelmäßig mindestens ein halbes Dutzend seiner Schätze auf dem Flughafen Schiphol.

In Großbritannien geht man, wie sollte es anders sein?, extravagantere Wege. So kann man sich zum Singletreff jetzt in einem Museum einfinden. Wein oder Schampus zur Begrüßung, dann ein wenig Kunst (oder auch Kino) und los geht s mit dem heißen Flirt. Die Londoner online-Agentur "Art2Heart" vermittelt Begegnungen für Menschen von Mitte 20 bis Mitte 50. Auf ihrer

homepage im Internet unter www.art2heart.biz  kann man sich eintragen lassen, um ein Rendezvous vermittelt zu bekommen. Kino, Musik, Theater, aber auch Kunst stehen auf dem Programm, und so renommierte Häuser wie die Royal Academy of Arts oder die National Gallery machen mit bei dem Vergnügen.

Ein wenig mutiger ist man in Deutschland mittlerweile auch geworden. Da bietet das Lübecker Buddenbrookhaus (Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum) während seiner Sommerausstellung "50 Jahre Thomas Manns Felix Krull - Szenen einer schönen Welt" (bis 31. Ok-

tober) ein literarisches Menü an. "Die Süßigkeiten des Lebens - Genießen mit Felix Krull" ist ein kulinarisches Verführungsmahl in fünf Gängen und kann noch am 24. September und 23. Oktober unter der Telefonnummer 04 51 - 122 41 92 oder im Internet unter der E-Mail-Adresse ermisch@buddenbrookhaus.de  gebucht werden. Für 58 Euro pro Person gibt es Köstlichkeiten, wie sie Manns "Felix Krull" im fiktiven Pariser Luxushotel Saint James and Albany serviert hätte.

Wer dem charmanten Krull den entschlossenen Mao vorzieht, der könnte in Berlin jetzt erfolgreich sein. Dort nämlich kann man im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für Gegenwartskunst, nicht nur Andy Warhols berühmtes Porträt von Mao Tse-tung bewundern, sondern auch tafeln. Und nicht nur dort: Auch im Dahlemer Völkerkundemuseum, im Ägyptischen Museum, in der Neuen Nationalgalerie kann man Räume anmieten, um dort zu feiern. Meist sind es Firmen, aber auch Hochzeitsgesellschaften, die diese Möglichkeit bisher genutzt haben. Und die Tendenz ist steigend: Von jährlich zunächst 150.000 Euro stiegen die Einnahmen, die den Ausstellungsetats der Museen zugute kommen, auf geschätzte 600.000 bis 700.000 Euro in diesem Jahr.

Vermietet werden allerdings nur Räume im Museum, in denen die Kunst nicht zu Schaden kommen kann. Schampus mit Mao ist also nix ... Doch sind die Wege geebnet, neue Kunstfreunde zu gewinnen, deren Weg auch einmal an einem ganz normalen (verregneten) Tag ins Museum führen wird. Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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