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Schröders teure Illusionen

 
     
 
So wollen die Mullahs die Europäer, insbesondere die Deutschen: etwas verwirrt und immer gesprächsbereit. Und diesen Eindruck vermittelt Berlin. Erst wird eine Reise des Kanzlers nach Teheran abgesagt, dann wird nachgedacht, und schließlich bleibt wieder alles offen. So ist es mit dem deutsch-iranischen Verhältnis: alles offen, beiderseits leichte Verstimmung – die Mullahs werden es goutieren.

Dabei gibt es keinen Zweifel: Das Terror-Regime der Islamisch
en Republik Iran zieht erneut die Zwangsschrauben an. Frauen werden wieder ausgepeitscht, weil sie keinen Schleier trugen, Journalisten landen hinter Gittern, weil sie kritische Töne in ihren Analysen anklingen lassen, Reformer werden wieder im Dutzend zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, nur weil sie im Ausland an einer Konferenz teilnahmen, auf der einige vage Hoffnungen auf Liberalisierung des Regimes artikuliert wurden. Pech für die Deutschen, daß diese Konferenz gerade von den Grünen organisiert wurde und in Berlin stattfand. So mußte Außenminister Fischer Stellung nehmen. Er ließ den iranischen Botschafter den amtlich erhobenen Zeigefinger betrachten. Mehr nicht, schließlich will man mit den Mullahs ins Geschäft kommen und glaubt, daß sie sich auch beim Ölpreis politisch korrekt verhalten.

Das sind Berliner Illusionen. Die Hoffnungen, die die deutsche Diplomatie auf die Reformkräfte in Iran, insbesondere auf Präsident Chatami, setzte, waren von Anfang an verfehlt. Das Persien der Mullahs ist kein orientalisches Märchen. Die Struktur des Regimes kann jederzeit jede liberale Schwalbe wieder einfangen. Es gibt keine Gewaltenteilung. Die radikalen Mullahs verfügen über sämtliche harten Machtinstrumente: Justiz, Polizei, Militär. Volksaufläufe oder Studentenrevolten werden brutal niedergeschlagen. Ab und zu lässt man die eine oder andere Schwalbe fliegen, um zu sehen, wo die Reformer stehen oder um den Westen wieder in Sicherheit zu wiegen, weil man Kredite braucht. Aber die Machtstruktur bleibt unberührt.

Es war also damit zu rechnen, daß nach dem Jahr des hohen Ölpreises die Rücksicht der Mullahs auf westliche Befürchtungen und Vorstellungen keinen hohen Stellenwert mehr einnehmen würde. Die Kasse ist gut gefüllt, man braucht keine Kredite. Hinzu kommt: Teheran gehört seit Jahren zu den schärfsten Preistreibern im Opec-Lager. Die Gefahren eines zu hohen Ölpreises für die Weltwirtschaft und die Konjunktur in Europa oder gar Amerika gehen den Mullahs sozusagen am Turban vorbei. Sie wollen den hohen Preis und haben auch bei der jüngsten Sitzung der Opec vor einer Woche für eine rabiate Drosselung der Produktion plädiert. Um drei Millionen Barrel pro Tag sollte die Opec die Förderung reduzieren, um das schwarze Gold wieder teurer zu machen. Die Saudis bremsten ab, und so pendelte man sich bei den erwarteten 1,5 Millionen Fass weniger auf insgesamt 25,2 Millionen Barrel pro Tag ein. Der Markt hatte die Preissteigerung schon vorweggenommen und verhielt sich gelassen. Der Preis bewegt sich jetzt bei 25 Dollar pro Fass und das ist auch die Marke, die die Saudis und die Amerikaner anpeilten.

Dennoch wird eine Steigerung des Preises kommen. Denn die Spannungen in der politischen Großwetterlage im Nahen und Mittleren Osten schaffen Unsicherheit, ein Faktor, der den Preis immer in die Höhe getrieben hat. Momentan entwickelt sich kaum etwas in Richtung Frieden: Der Kleinkrieg zwischen Israel und den Palästinensern geht unvermindert weiter, täglich gibt es Mord und Kriegsopfer, beide Seiten zeigen sich unnachgiebig. Im Irak erstarkt das Regime des Saddam Hussein, in Syrien bekommt Baschar die Lage nicht in den Griff und kann sich nur halten, weil die Machtelite ihn braucht.

Gerade vom syrisch-irakischen Verhältnis wird demnächst mehr Spannung ausgehen. Bagdad intensiviert wieder die Beziehungen zu den radikalen Muslimbrüdern in Syrien und bereitet sich auf einen Machtkampf in Damaskus vor, von dem Saddam so oder so profitieren wird. Baschar Assad hat auf öffentlichen Druck fast 200 Muslimbrüder freigelassen, die offenbar von sunnitischen Kräften in der Regierung protegiert oder gar lanciert wurden. Sein Vater hätte dies nie zugelassen. Saddam interpretiert den Vorgang folgerichtig als Schwäche und hat die freigelassenen Regimegegner sofort in den Irak geholt. Er will präsent sein, wenn in Damaskus die Nacht der langen Messer anbricht.

Auch die Saudis geben sich, bei aller Besonnenheit im Preispoker, wieder hartleibig. Kronprinz Abdallah, selbst fundamentalistisch und den Radikalen zugeneigt, sucht den Kontakt mit den Mullahs, schon um ein Gegengewicht zu Bagdad zu bilden.

Die Spannungen in der Region sind für alle nützlich, sie garantieren einen guten Preis (nicht unter 24 Dollar pro Barrel), egal ob die Produktion leicht oder stark gedrosselt wird. Und wenn die Spannungen sich plötzlich entladen, entweder in Palästina oder in Syrien, dann rollt der Dollar erst recht. Wie die Deutschen sich da verhalten, ob Schröder nach Teheran kommt oder nicht, spielt keine Rolle. Der Preis wird mit den Spannungen steigen, die Mullahs wissen das und könnten im übrigen nachhelfen. Deshalb sind sie mit 25 Dollar vorerst zufrieden. Die Kasse bleibt halbvoll, man braucht die deutschen Illusionäre nicht.

 
     
     
 
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