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Sprachenstreit an der Olsa

 
     
 
Was die Deutschen in Oberschlesien von den polnischen Behörden schon seit geraume Zeit verlangen, fordert jetzt die nach eigenen Angaben etwa 60 000 Menschen zählend polnische Minderheit im sogenannten Teschener Schlesien: zweisprachige Ortsschilder fü die ungefähr 50 Kommunen, in denen man zu Hause ist. Damit wird einem Beschluß de "Kongresses der Polen in der Tschechischen Republik
" gefolgt. Dieser beruft sic wiederum auf einen entsprechenden Rahmenvertrag des Europarates.

"Dies ist keineswegs gegen die Tschechen gerichtet. Wir wollen nur das, worauf wi ein Recht haben", sagte der polnische Minderheiten-Vertreter Bronislaw Walicki. E erinnert daran, daß das tschechische Parlament 1998 mehrheitlich den Vertrag de Europarates zur Zweisprachigkeit angenommen und Präsident Havel das Dokumen unterschrieben habe. Dadurch hätten die entsprechenden Inhalte theoretisch Gesetzeskraf erlangt.

Wie die in Frankfurt am Main erscheinende polnischsprachige Wochenzeitung "Info & Tips" berichtet, sei es in jüngster Zeit über diese Fragen zu eine "außerordentlich scharfen Meinungsaustausch" gekommen. Die tschechische Zeitun "Mlada Fronta Dnes" hat die entsprechenden Debattenbeiträge gesammelt un publiziert. Dabei wurde auch die folgende Position einer Tschechin wiedergegeben "Heute zweisprachige Ortsnamen, morgen Autonomie und übermorgen wird es so aussehe wie im Kosovo. Wenn es den Polen bei uns nicht gefällt, sollen sie nach Pole ausziehen!"

Eine andere Tschechin bekennt, daß sie die in ihrem Heimatort mündlich verwendete polnischen Ortsbezeichnungen schon immer gestört hätten und sie deshalb nac Mährisch-Ostrau umgezogen sei. "Ich verstehe nicht, warum sich die Polen bei un jetzt so breit machen."

Einerseits haben die in Prag regierenden Sozialdemokraten wiederholt erklärt, sic grundsätzlich an den Rahmenvertrag halten zu wollen. Andererseits weichen sie klare Entscheidungen aus, indem sie das letzte Wort den Ortsvorständen überlassen – wissend, daß es dort zumindest teilweise tschechische Mehrheiten gibt, die mi zweisprachigen Ortsschildern nichts am Hut haben.

"Infos & Tips" gibt im Zusammenhang mit dem Streit außerdem zu bedenken daß im benachbarten Glatzer Bergland bereits zweisprachige Aufschriften existierten un diese "nicht die geringsten Emotionen" erregten. Darüber hinaus weist die Zeitung auf die Situation in tschechischen Grenzorten wie etwa Nachod (Nachód) hin. Dor seien auf den Märkten, in Läden und Restaurants neben den tschechischen inzwischen auc viele polnische Beschriftungen zu finden. Soweit es den Geschäften diene, störe sic offenbar niemand an der Zweisprachigkeit.

Ansonsten sind die fortwirkenden Spannungen zwischen Tschechen und Polen im Teschene Schlesien offenkundig, auch wenn das letzte Jahrzehnt für die Minderheit Fortschritt gebracht hat. Die Geschichte der Region als Zankapfel zwischen Tschechen, Polen un Deutschen ist den Menschen bis heute bewußt.

1920 war das zuvor zu Österreich gehörende Gebiet auf die neuen Republiken Pole (diese erhielt die östliche Hälfte einschließlich des Hauptteils der Stadt Teschen) un Tschechoslowakei aufgeteilt worden. Der polnischsprachige Anteil in dem Pra zugesprochenen Olsa-Gebiet lag gemäß Volkszählung von 1910 bei knapp 70 Prozent. Die Zahlen für das ganze Teschener Schlesien lauteten in bezug auf die Umgangssprache wi folgt: Polnisch: 138 184, Tschechisch bzw. Slowakisch: 113 195 und Deutsch: 31 81 Personen.

Nachdem es 1938 im Zuge der Zerschlagung der Tschechoslowakei und einem Ultimatu Warschaus an die CSR vom 30. September zu einer kurzzeitigen Einverleibung auch de westlichen Teschener Schlesiens in den polnischen Staat und danach für einige Jahre in das Deutsche Reich gegeben hatte, kamen die dortigen Polen 1945 wieder unter die Ägid Prags. Ganz anders als den Deutschen in Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien sowi auf slowakischem Territorium erging es dieser slawischen Minderheit relativ gut.

Die kommunistischen Behörden verboten zwar die Neubildung der in de Zwischenkriegszeit existierenden Vereine, deren Eigentum konfisziert blieb, gestattete jedoch die Gründung einer ideologisch zwar konformistischen, kulturpolitisch abe ziemlich aktiven Interessenvertretung ("Polnischer Kultur- un Bildungsverband"). Der Staat unterhielt polnische Schulen sowie beispielsweise ei eigenes Theater der Minderheit und billigte die Herausgabe polnischsprachiger Zeitungen.

Zur Bedrohung für die eigene Identität wurde die forcierte Industrialisierung, die einen massiven Zuzug tschechischer Arbeitskräfte mit sich brachte. Während der polnisch Bevölkerungsanteil 1950 noch bei 24 Prozent lag, betrug diese Quote 1991 nicht einma mehr 12 Prozent.

Nach der "Samtenen Revolution" von 1989 durfte endlich wieder an da traditionelle Vereinswesen angeknüpft werden; mitgliederstärkste Organisation blie allerdings der Polnische Kultur- und Bildungsverband. 1993 entstand als koordinierende Organ der "Kongreß der Polen in der Tschechischen Republik". Auch die Möglichkeit einer verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit polnische Institutionen und polnischen Minderheiten in anderen Staaten förderte da Selbstbewußtsein. Am stärksten sind die Polen heute in den Kreisen Karwin mit 30 000 un in Friedek-Mistek mit 23 000 Personen vertreten.

In Oberschlesien, wo man inzwischen wieder enge Kontakte zum tschechischen Teil de Teschener Region unterhält, verfolgt die dortige deutsche Volksgruppe den anhaltende Sprachenstreit besonders gespannt. Vielleicht lernen einige polnische Funktionäre darau ja, so meint man, daß es in Europa gleiche Rechte für alle Minderheiten gebe muß. Ode – anders ausgedrückt – daß das, was dem einen billig ist, dem anderen nu recht sein kann
 
     
     
 
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